Stefan Bradl: Ist Jorge Lorenzo das falsche Vorbild?
Stefan Bradl beim Le-Mans-GP
Stefan Bradl befindet sich gerade auf der Autofahrt von Zahling Richtung Mugello, um 18 Uhr hat er heute einen PR-Termin mit LCR-Honda-Teambesitzer Lucio Cecchinello in Bologna. «Da machen wir ein Video für unseren Brillensponsor Gloryfy», erzählte der MotoGP-WM-Sechste. «Nachher fahre ich weiter nach Mugello.»
Bradl hat den Mugello-GP 2012 und 2013 auf Platz 4 beendet; im Vorjahr hat er dort in einem spannenden Fight die beiden Werks-Ducati von Andrea Dovizioso und Nicky Hayden auf die Plätze 5 und 6 verdrängt.
Die letzten beiden MotoGP-Rennen sind für den 24-jährigen Bayern nicht sehr verheissungsvoll verlaufen. In Jerez fiel er wegen der «arm pump»-Probleme auf Platz 10 zurück, in Le Mans kämpfte er in der Anfangsphase auf Platz 2 und 3, am Schluss musste er nach dem guten vierten Startplatz 4 im Rennen mit Platz 7 vorliebnehmen, auch deshalb, weil sich eine Set-up-Änderung nach dem Warm-up nicht bewährt hatte.
In Mugello will Bradl wieder um einen Podestplatz fighten – mit einer neuen Strategie im Rennen.
Stefan, du hast mit der MotoGP-Honda bisher zweimal gut abgeschnitten in Mugello. Liegt dir diese Strecke?
Ich habe diese Strecke immer schon gern gehabt. Mugello ist eine meiner Lieblingsstrecken, weil der Streckenverlauf einfach Spass macht und für MotoGP gut geeignet ist. Sie hat eine lange Gerade, viele Beschleunigungsstücke, flüssige Abschnitte, viele Richtungswechsel, die schnellen Schikanen, die Berg-und-Tal-Passagen, das sind Sachen, die mir eigentlich schon immer gefallen haben.
Ich habe in Mugello oft gute Ergebnisse eingefahren. Mir gefällt es dort unten einfach.
Ich habe einen weichen Fahrstil. Es kann sein, dass er gut zu dieser Strecke passt. So genau kann ich das auch nicht sagen.
Du warst aber auch auf der Stop-and-Go-Piste in Le Mans Vierter im Qualifying.
Ja, aber Le Mans ist deutlich mehr ein Hacker-Kurs. Mugello ist viel flüssiger.
In Le Mans hast du stark begonnen – und dann stark nachgelassen. Die alten Hasen wie Lorenzo und Pedrosa haben es umgekehrt gemacht, Bautista auch.
Ja, ich muss vielleicht jetzt am Anfang des Rennens zur Abwechslung ein bisschen langsamer machen und dann am Schluss Gas geben – statt andersrum.
Das habe ich mir jetzt für den Mugello-GP vorgenommen.
Ab und zu habe ich vielleicht in der Vergangenheit geglaubt, ich kann das Rennen schon in den ersten paar Runden gewinnen...
Dabei habe ich manchmal das Motorrad ein bisschen überfahren, dann kamen Probleme wie Vorderradrutscher und so weiter.
In Mugello werde ich es anders versuchen. Ich kann nicht sagen, ich werde es gemütlicher angehen, aber ich werde in der Anfangsphase mal ein paar Runden abwarten.
Bisher hast du in deiner MotoGP-Laufbahn in der zweiten Rennhälfte meistens Plätze eingebüsst.
Okay, bei den letzten zwei Rennen in Jerez und Le Mans war es so, dass die Gegner anfangs ein bisschen abgewartet haben. Es ist aber oft so gewesen, dass Jorge Lorenzo im Vorjahr mit einem Superstart auf und davon gefahren ist.
Die letzten Rennen waren anders. Da ist es am Anfang ein bisschen ruhiger zugegangen, bis sich alles sortiert hatte. Dann ist es erst richtig losgegangen. Da muss ich mich entsprechend anpassen.
Wenn die Reifen am Anfang zu stark beansprucht werden und zu körnen beginnen, erholen sie sich nicht mehr?
Ja, und vielleicht bin ich da auch ein bisschen zu empfindlich... Aber wenn du von null auf 100 gleich richtig loslegst und dann etliche Rutscher hast, dann fehlt dir irgendwann das Vertrauen, noch einmal einen draufzulegen. Die andern Fahrer wenden eine andere Strategie an.
Bei den letzten zwei Rennen haben die meisten Gegner am Anfang ein bisschen abgewartet, erst nach fünf, sechs Runden haben sie ihr Bestes gegeben.
Anderseits gibt es – wie gesagt – das Beispiel Lorenzo, der oft vorne weggefahren ist und nicht mehr einzuholen war.
Vielleicht ein Jorge Lorenzo in Hochform für Stefan Bradl momentan noch nicht das richtige Vorbild?
Soll das jetzt eine Frage sein?
Ja, aber der Stoner hat es auch manchmal so gemacht wie Lorenzo.
Heute haben wir allerdings eine andere Situation. Márquez ist allen Gegnern einen Schritt voraus, er ist auf einem anderen Level als alle andern.
Man hat in Le Mans gesehen, dass die Zeiten sehr eng beisammen lagen. Gut, ich bin im Rennen am Schluss eingegangen. Trotzdem war der Abstand nicht so gross. Es fehlten 11,5 sec auf den Sieger.
Deinem Teamchef Lucio Cecchinello ist aufgefallen, dass Marc Márquez die Kurven spitzer fährt als die Gegner, das hat schon Freddie Spencer gemacht. «To square off the corners», nennen das die Amerikaner. Lorenzo, Rossi, du – alle anderen fahren den runden Fahrstil, der mit abgefahrenen Reifen nicht so gut funktioniert. Márquez kann auch am Schluss das Gas noch voll aufreissen.
Ja, das ist von aussen einfach zu sagen; es ist aber auf der Strecke nicht so einfach umzusetzen. Es ist ja auch bei mir nicht so, dass ich von der ersten bis zur letzten Runde mit dem gleichen Fahrstil rumkurve. Ich versuche schon, meine Taktik und meinen Fahrstil anzupassen. Aber vielleicht habe ich in diesem Punkt noch Aufholbedarf.
Wie gesagt: Man darf die letzten zwei Rennen nicht überbewerten. In Jerez hatte ich das Problem mit dem rechten Unterarm, in Le Mans war ich einfach schwach.
Aber in Mugello habe ich 2013 das ganze Rennen einen Dreikampf gegen Hayden und Dovizioso gehabt und habe ihn am Schluss gewonnen.
Es ist nicht immer so, dass ich am Schluss zurückfalle...