Stefan Bradl: «Ein Wechsel wird mir gut tun»
Noch vor seinem Abflug am Mittwoch zum zehnten WM-Lauf in Indianapolis will Stefan Bradl einen neuen Vertrag unterzeichnen und sich damit Klarheit über die Saison 2015 verschaffen.
Er steht in aussichtsreichen Verhandlungen mit Forward-Yamaha und hat auch ein verlockendes Angebot von Aprilia Racing vorliegen. Dort wäre er Werksfahrer beim grössten Zweiradhersteller Europas und Bestandteil eines langfristigen MotoGP-Projekts für die zwei oder drei Jahre. Aber: Top-Ten-Plätze wären 2015 wohl schwierig zu erreichen.
Der WM-Neunte will aber zuerst noch die Saison 2015 retten – und mit dem LCR-Honda-Team zeigen, was in ihm steckt.
Am Speed fehlt es nicht. Bradl stand bei den letzten drei Rennen zweimal auf dem vierten und einmal auf dem dritten Startplatz.
Stefan, die Sommerpause war wohl von vielen Diskussionen und Verhandlungen geprägt. Du willst dich in den nächsten Tagen entscheiden.
Ja, es geht jetzt auch darum, das Transfertheater abzuhaken und die Saison noch gut zu beenden. Wir sind bei LCR eine gute Truppe. Ich möchte in der zweiten Saisonhälfte noch gute Ergebnisse zeigen. Wenn wir auf den WM-Stand schauen, haben wir noch etwas gutzumachen.
Du bist WM-Neunter. Auf den sechsten WM-Rang von Aleix Espargaró fehlen 21 Punkte. Ihn einzuholen, ist machbar?
Das ist nicht unrealistisch und das ist mein Ziel. Daran muss man sich orientieren.
Hat das Verhältnis zu Teamchef Cecchinello durch die Diskussionen in den letzten zwei Wochen gelitten?
Nein, ich denke, wir sind beide professionell miteinander umgegangen. Wir haben fast jeden zweiten Tag miteinander kommuniziert, per Telefon, E-Mail oder SMS. Ich denke, er hat als Ex-Rennfahrer Verständnis für meine Situation.
Die Teams haben das Recht, Verträge nicht zu erneuern. Die Fahrer auch.
Ich rechne Lucio hoch an, dass er alles getan hat, um mir einen Teamplatz anbieten zu können, obwohl die letzten zwei wichtigen Rennen schief gegangen sind.
Ausserdem werden wir die letzten zwei, drei hektischen Wochen irgendwann ausblenden. Wir werden im Rückblick auf die letzten zweieinhalb gemeinsamen Jahre feststellen, dass wir eine tolle Zeit und ein super Verhältnis hatten, Tag und Nacht, auf und neben der Piste.
Daran wird sich absolut nichts ändern. Das LCR-Team ist mir sehr ans Herz gewachsen. Die ganze Mannschaft macht mir sehr viel Freude. Es hat sich halt jetzt so ergeben, dass wir Ende des Jahres getrennte Wege gehen werden.
Ich glaube, dass mir ein Wechsel nach drei Jahren trotzdem gut tun wird. Eine neue Herausforderung kann nie schaden.
Aber das wird sich erst hinterher richtig beurteilen lassen.
Ich freue mich auf die neue Herausforderung 2015. Zuerst geht es aber darum, die 2015er-Saison anständig zu beenden.
Bei HRC bist du immer an Marc Márquez gemessen worden. Falls du zu Forward-Yamaha gehst, wirst du weniger Druck haben?
Ich würde dort 2015 in erster Linie an den diesjährigen Leistungen von Aleix Espargaró gemessen. Die sind ja erstaunlich gut.
Druck hat man immer. Ich hätte bei Forward sicher kein Factory-Bike mehr, aber trotzdem ein schlagkräftiges Paket.
Aber es wird eine andere Situation für mich sein. 24 statt 20 Liter Sprit, zwölf statt fünf Motoren, weichere Hinterreifen... Dadurch wird sich ein bisschen etwas ändern. Vielleicht wird das ein Vorteil für mich sein.
Aleix Espargaró ist jetzt WM-Sechster. Du traust dir 2015 ähnliche Ergebnisse zu?
Man muss jetzt zuerst einmal abwarten, wer nächstes Jahr wirklich in welchem Team fährt. Bei den Transfers erleben wir jeden Tag neue Überraschungen...
Braucht Ducati bei Pramac jetzt auch noch einen Fahrer?
Wie auch immer: Die ersten vier werden bleiben, wo sie sind, also Márquez, Pedrosa, Rossi und Lorenzo. Dahinter wird es spannend. Man muss schauen, wie stark sich Ducati verbessert. Suzuki kommt neu als Werk dazu, Aprilia auch. Die Top-Sechs 2015, das ist ein bisschen hoch gegriffen.
Bei Honda sind Aufstiegsmöglichkeiten geringer als sie bei Yamaha wären. Das Repsol-Team ist für die nächsten zwei Jahr mit Márquez und Pedrosa voll, dahinter lauern Talente wie Jack Miller, Alex Rins, Alex Márquez, lauter Honda-Zöglinge... Lorenzo geht Ende 2015 eventuell bei Yamaha weg – zu Ducati.
Damit beschäftige ich mich lieber in einem Jahr... Wenn Jorge wirklich wegginge, müsste man die beiden Tech3-Fahrer besiegen, dann könnte das Werksteam ein Thema werden. Aber Pol ist bereits in seinem ersten MotoGP-Jahr sehr schnell.
Ich befasse mich lieber mit der Gegenwart. Wir haben noch neun wichtige Rennen.
Ich will mich bei LCR-Honda würdig verabschieden. Lucios Team hat mir immer ein schlagkräftiges Paket hingestellt; ich habe immer tolles Material zur Verfügung gehabt.
Und es war nicht immer schlecht, was wir zusammen erreicht haben.
Aber im dritten Jahr hätte ich besser performen und ein paar Podestplätze erzielen müssen.
Trotzdem: Man sollte mich noch nicht abschreiben.