Ducati: Wackeln die Open-Privilegien für 2015?
Das Rennen auf Phillip Island: Cal Crutchlow (35) vor Pol Espargaró, Dovizioso und Rossi
Ducati Corse hätte am Sonntag beim Phillip-Island-GP dank Cal Crutchlow beinahe Platz 2 ins Ziel gebracht, aber der Brite stürzte in der letzten Runde in Turn 4.
Cal ärgerte sich doppelt. Erstens hat er dadurch seinen ersten Podestplatz in diesem Jahr verjuxt, zweitens hat er seinem britischen Rivalen Bradley Smith auf diese Weise zum ersten Podestplatz verholfen.
So richtig konnte sich Crutchlow an diesem Erfolg des jungen Landsmann nicht erfreuen. «Bradley und ich waren letztes Jahr Teamkollegen. Eines ist klar: Ein neuer Barry Sheene wird er nicht», stellte Crutchlow nüchtern fest.
Der Australien-GP 2014 hätte das beste Ergebnis für Ducati im Trockenen seit Casey Stoners Sieg hier vor vier Jahren oder zumindest seit Misano 2012 werden können. Zum Zeitpunkt des Sturzes lag Crutchlow fünf Sekunden hinter Leader Rossi. Valentino Rossi hat 2012 in Misano auch einen zweiten Platz für Ducati eingefahren, er büsste damals 4,398 sec auf Sieger Jorge Lorenzo (Yamaha) ein.
Ducati verliert bei Top-3-Ergebnissen im Trockenen schrittweise einige der Open-Class-Vorteile. Aber die Podestergebnisse in Assen (Platz 2 von Dovi) und Crutchlow (Platz 3 in Aragón) passierten im Nassen, sie zählen also in diesem Zusammenhang nicht.
Die Roten geniessen in diesem und nächstem Jahr mit den vier Factory-Status-Piloten Dovizioso und Crutchlow (Werksteam) sowie Iannone und Hernandez (Pramac-Kundenteam) die Vorzüge der Open Class, weil Ducati 2013 kein MotoGP-Rennen gewonnen hat.
Zur Erinnerung: Wenn Ducati mit irgendwelchen Fahrern drei dritte Plätze, zwei zweite Plätze oder einen Sieg erreicht, und zwar saisonübergreifend bis Ende 2015, dann wird zuerst der Tankinhalt von 24 auf 22 Liter begrenzt. Und wenn Ducati 2015/2016 insgesamt drei GP-Siege erreicht, dann gehen auch noch die weicheren Hinterreifen verloren, die den Open-Class-Piloten von Forward-Yamaha und allen anderen Open-Teams zustehen.
Das heisst: Sobald Ducati noch zwei dritte Plätze im Trockenen erreicht (wie Dovi in Austin), müssen die Italiener auf zwei Liter Treibstoff verzichten.
Ducati bekam diese Zugeständnisse und darf als Werksteam die Vorzüge der Open Class nützen, weil sie 2013 kein Rennen gewonnen haben. Sie haben also zwölf statt fünf Motoren, die Motorentwicklung ist nicht eingefroren, sie dürfen im Rennen 24 statt 20 Liter Sprit verheizen. Dazu kommen die weichen Hinterreifen und kaum Einschränkungen bei den Testvorschriften.
Ducati kann also die Power und die Drehzahl beliebig erhöhen, man muss auf den Verbrauch keine grosse Rücksicht nehmen, denn 2013 kamen die Ducati-Asse mit 21 Liter gut über die Runden.
Aber ohne rigoroses Verbrauchslimit (und wegen der zwölf statt fünf Motoren) kann Ducati die V4-Motoren hemmlungslos tunen. So kam der MotoGP-Top-Speed-Rekord von Andrea Iannone in Mugello mit 349,6 km/h zustande.
Ducati geniesst die Vorzüge aus beiden Welten – Factory- und Open-Class. Denn alle vier Fahrer (nur Barbera aus dem Avintia-Team nicht) dürfen obendrein die hauseigene Ducati-Elektronik-Software benützen, auch Yonny Hernandez auf seiner letztjährigen Ducati GP13.
Aber jetzt wurden bereits hitzige Diskussionen entfacht. In der Grand Prix Commission wird längst darüber diskutiert, ob Ducati auch 2015 wirklich alle erwähnten Privilegien erhalten soll.
Wenn Konstrukteur Gigi Dall'Igna die Desmosedici bis zum Saisonstart 2015 in derselben Geschwindigkeit verbessert wie zwischen November 2013 und heute, könnten Honda und Yamaha nächstes Jahr das Nachsehen haben.
Iannone fuhr 2014 viermal aus der ersten Reihe weg, Dovizioso fünfmal. «Dovi» sorgte in Japan für die erste Pole-Position von Ducati in vier Jahren.Dazu kommen insgesamt drei Podestplätze, davon zwei im Nassen.
Alle wünschen sich ein erfolgreiches Ducati-Werksteam. Aber die Erfolge sollten nicht ewig auf – ungerechtfertigten – Privilegien beruhen.
Wer im Fussball Misserfolg hat, steigt ab. Im Motorradsport wird Misserfolg und jahreslanges Versagen mitunter mit bekömmlichen Privilegien belohnt.