Valentino Rossi: Márquez bald wie Biaggi & Gibernau?
Max Biaggi war nach vier WM-Titeln in der 250-ccm-Klasse 1998 in die 500er-WM aufgestiegen und gewann auf Anhieb sein erstes Rennen. Dass er nie Weltmeister in der Königsklasse wurde, lag vor allem an einem Mann: Valentino Rossi. Die Duelle gegen ihn sind legendär.
Zuerst tauschten sie nur verbale Freundlichkeiten aus, auf der Rennstrecke begegneten sie sich erstmals im Jahr 2000 in der Königsklasse, damals mit 500 ccm.
Höhepunkt ihrer Rivalität war die Saison 2001. In Japan drängte Biaggi Rossi bei einem Überholmanöver neben die Strecke. Rossi kreuzte später seine Linie und zeigte Biaggi den erhobenen Mittelfinger. Beim Grand Prix in Barcelona im gleichen Jahr kam es auf der Treppe zum Podest sogar zu Handgreiflichkeiten zwischen den beiden.
«Offensichtlich hatte ich zu Biaggi nie das beste Verhältnis. Das blieb mehr oder weniger immer gleich», lachte der neunfache Weltmeister auf die Frage nach seinem einstigen Erzfeind.
Eine weitere legendäre Feindschaft entwickelte sich mit Sete Gibernau, der zunächst zu Rossis engen Freunden zählte. Streitpunkt war das Rennen in Katar 2004. «Sete und ich waren gute Freunde, doch es wurde viel schwieriger, als sich der Vorfall beim Grand Prix in Katar ereignete. Ich denke, dass er ein schmutziges Spiel spielte. Ich musste von hinten starten, stürzte und hatte dann auch ein Problem mit meinem Finger. Ich verlor viele Punkte. Von diesem Zeitpunkt wurde es schwierig.»
Was war geschehen? Rossis Yamaha-Crew ?um Jeremy Burgess hatte damals am Samstagabend auf der neuen und verdreckten Piste in Losail den Startplatz ge?reinigt, denn Rossi sollte nicht auf der Ideallinie starten, sondern auf der dreckigen Spur nahe der Boxenmauer. Die Mannschaft machte Burnouts mit einem Roller, auch mit einem Besen wurde er Asphalt ?bearbeitet.
Das widersprach aber dem Reglement. Honda und Gibernau legten bei der Race Direction Protest ein. Rossi wurde zur Strafe auf den letzten Startplatz verbannt – und stürzte danach bei seiner grandiosen Aufholjagd.
Rossi würdigte Gibernau von diesem Tag an keines Blickes mehr. Bei Pressekonferenzen kehrte er ihm den Rücken zu, selbst wenn er direkt neben ihm saß. Gibernau war ab diesem Zeitpunkt ein gebrochener Mann. Er gewann kein Rennen mehr.
«Heute gehen wir wieder freundschaftlich miteinander um», versichert Rossi. «Ich kann nicht sagen, dass wir gute Freunde sind, aber wir haben eine gute Beziehung zueinander. Mittlerweile ist es mit fast allen so. Auf der Strecke will jeder der Beste sein, aber abseits der Strecke muss man sich respektieren. So halte ich das nun.»
Auch zwischen seinem Yamaha-Teamkollegen Jorge Lorenzo und Rossi herrschte in der Vergangenheit dicke Luft. Es wurde sogar eine Trennwand durch die Yamaha-Box gezogen, um Rossis Daten zu schützen. Doch bald zeigte sich, dass Lorenzo dem «Doctor» trotzdem sehr gefährlich wird. Bevor die Situation endgültig eskalierte, wechselte Rossi wutentbrannt zu Ducati. Der Rest der Geschichte ist bestens bekannt.
Mit Casey Stoner geriet Rossi nach seinem brillanten Überholmanöver in der Cork Screw von Laguna Seca und anderen Aktionen 2008 aneinander. Diese Feindschaft mit dem missverstandenen Genie, als das sich Stoner gerne begreift, hatte sich jedoch mit dem Rücktritt des Australiers 2012 von selbst erledigt.
Es erweckte oft den Anschein, dass Rossi ein lebendiges Feindbild nutzt, um in Zweikämpfen zu ganz großer Form aufzulaufen. Wird dies auch im Titelkampf 2015 gegen Márquez und Lorenzo notwendig?
Wenn es nach Rossi geht, sollte die Beziehung zu Marc Márquez trotz harter Manöver freundlich und respektvoll bleiben. Bisher meistern dies beide mit Bravour. Trotz der bohrenden Fragen der Journalisten ließen sich Rossi und Márquez nach dem harten Kampf in Argentinien zu keinem schlechten Wort über den anderen hinreißen.
Rossi scheint älter und weiser, doch ein weiterer wichtiger Faktor spielt eine Rolle. Der Italiener sieht Márquez als einen Fahrer vom selben Schlag und vielleicht sogar als seinen legitimen Nachfolger – selbstverständlich erst nach Titel Nummer 10.