Stefan Bradl: Ist Aprilia-Werksteam für 2016 besetzt?
Stefan Bradl ist froh, dankbar und erleichtert, in der Sommerpause einen Vertrag mit dem Aprilia Racing Team Gresini unterzeichnet zu haben.
Aber Aprilia-Renndirektor Romano Albesiano konnte ihm schon bei einem Gespräch auf dem Sachsenring Mitte Juli nur geringe Hoffnungen für die Saison 2016 machen.
«Wir haben einen Vorvertrag mit einem jungen Fahrer abgeschlossen», erklärte Albesiano später im Interview mit SPEEDWEEK.com.
Den Namen verriet der Aprilia-Stratege nicht, wir brachten ihn aber bald in Erfahrung: Es handelt sich um den bald 25-jährigen Engländer Sam Lowes, Supersport-Weltmeister 2013 und jetzt auf der Speed-up-Maschine Fünfter in der Moto2-WM, im April 2015 Gewinner des Texas-GP in Austin.
Sam Lowes ist unbestritten schnell, kampfstark, entschlossen und risikofreudig. Aber ob der sturzfreudige Brite mit seinem spektakulären King-of-Slide-Fahrstil der richtige Rennfahrer für das Aprilia-Werksteam ist, ein Team, das einen Entwicklungsfahrer braucht, diese Frage stellt sich Romano Albesiano nach dem Indianapolis-GP längst auch.
Ein Blick in die Statistik zeigt: Bradl ist nur ein Jahr älter als Lowes, wird aber am Jahresende schon vier Jahre MotoGP-Erfahrung (mit drei Fabrikaten) haben.
Ausserdem brachte Stefan Bradl in Indianapolis ohne einzigen Testkilometer und trotz der lädierten rechten Hand (Kahnbeinbruch Ende Juni in Assen) die bisherige Nummer 1, Alvaró Bautista, ganz schön in Bedrängnis.
Stefan Bradl wurde am Wochenende in Amerika von Aprilia sehr warmherzig empfangen. Er spürte rasch, dass ihn Aprilia gerne für 2016 behalten würde.
Aber kein Aussenstehender weiss, ob der Vorvertrag von Lowes irgendwelche Schlupflöcher zum Ausstieg für Aprilia offenlässt.
Ein Platz im Aprilia-Werksteam hätte für Bradl durchaus seine Reize. Denn im Herbst wird der neue, kompakte MotoGP-Werksmotor erstmals auf dem Prüfstand laufen, im Februar soll er dem Werksteam für die ersten Testfahrten zur Verfügung stehen, das RS-GP-Paket dürfte 2016 deutlich schlagkräftiger werden. Aprilia, bisher mit 54 WM-Titeln gesegnet, will 2016 konstant unter den Top-Ten mithalten.
Zur Erinnerung: Aprilia wollte eigentlich erst 2016 in die MotoGP-WM zurückkehren, zog dieses Comeback aber Ende Juni 2014 um ein Jahr vor und testet jetzt mit einem Mittelding zwischen Superbike und MotoGP-Maschine (das Motorgehäuse stammt vom Superbike-Serienmotor RSV4) unter Rennbedingungen.
Aprilia sucht noch ein starkes Kundenteam für die MotoGP-WM 2016. Das Power Electronics-Team von Jorge Martinez gilt als Wunschpartner. Auch dort wäre Platz für Stefan Bradl, wenn diese Zusammenarbeit zustande kommt. Mit dem Honda-Material war Martinez 2014 und 2015 alles andere als zufrieden. Das Ergebnis von Indy: 16. Nicky Hayden. 19. Eugene Laverty. Bei Aprilia wäre Martinez das Nr.-2-Team, bei Honda ist er bestenfalls die Nummer 4 hinter Repsol, LCR und Marc VDS.
Stefan Bradl kann im Moment nicht viel anderes tun als abzuwarten und sich auf die neue Aufgabe bei Aprilia zu konzentrieren.
Pramac-Ducati bleibt für ihn der bevorzugte Ansprechpartner für 2016, denn bei Aprilia Racing steht ihm vorläufig Sam Lowes im Weg.
Zwischen dem Brünn-GP (16. August) und Silverstone (30. August) wird sich die Situation klarer darstellen.
Bradl, vor zwei Wochen nach der Kündigung bei Forward nur drei Tage arbeitslos gewesen, kann jedenfalls mit einem fixen Arbeitsplatz für die Saison 2016 rechnen.