Exklusiv: Pramac-Ducati plant 2016 mit Stefan Bradl
Octo-Pramac-Ducati-Teambesitzer Paolo Campinoti signalisierte vor sechs Wochen in Assen deutlich sein Interesse an Stefan Bradl für die Saison 2016. Schon damals zeichnete sich ab, dass der Kolumbianer Yonny Hernandez voraussichtlich ersetzt wird, während der eindrucksvoll agierende Danilo Petrucci (zuletzt Startplatz 5 in Indy als bester Ducati-Pilot) auch für die nächste Saison im Pramac-Team bleiben wird.
Bei der Dutch-TT in Assen ?kam es zu einem ersten Gespräch zwischen Bradl, Campinoti und Teammanager Francesco Guidotti, der Bradl aus seiner Zeit im KTM-Werksteam (125 ccm, 250 ccm) kennt und dessen Bruder Giacomo Crew-Chief von Hernandez ist.
Beim Misano-Test nach dem Sachsenring-GP liess Francesco Guidotti gegenüber SPEEDWEEK.com die Katze aus dem Sack. «Bradl ist bei uns eine Option für 2016», stellte er fest.
Bis dahin galten alle Gespräche als vertraulich, denn Yonny Hernandez (jetzt WM-Dreizehnter) sollte nicht verunsichert werden.
Doch Forward-Yamaha-Teambesitzer Giovanni Cuzari hatte ?auf dem Sachsenring vom Interesse Paolo Campinotis an Bradl ?Wind bekommen, gekränkt reagiert und diese Verhandlungen erstmals öffentlich gemacht.
Zu diesem Zeitpunkt war Pramac-Ducati für Bradl zwar die erste Adresse und Wunschpartner Nr. 1 für die Saison 2016, aber er machte sich keine Illusionen: Es standen auch Crutchlow, Pol Espargaró, Bradley Smith und Moto2-Aufsteiger wie Johann Zarco ?vor der Pramac-Ducati-Türe.
Dann erschien der Audi-Vorstandsvorsitzende Rupert Stadler am Sonntag beim GP von Deutschland, er ist auch für Ducati verantwortlich. Dem deutschen Topmanager ist bewusst, dass ein Event wie der Sachsenring-GP einen deutschen MotoGP-Fahrer braucht. Auch Stanislaw Tillich, CDU-Regierungschef des Freistaats Sachsen, bekräftigte gegenüber Stadler diese Meinung.
?Stefan Bradl: Ducati war immer ein Thema
Bradl war schon im Juli, August und September 2012 als Kandidat für das Ducati-Werksteam im Gespräch, damals führte noch Ducati-CEO Gabriele Del Torchio die Verhandlungen. 2013 schaltete sich auch der damalige Audi-Vorstand Wolfgang Dürrheimer in die Verhandlungen ein. Die Audi Group hatte Ducati im Frühjahr 2012 für rund 740 Millionen Euro gekauft. Aber Audi-Vorstand Dr. Ulrich Hackenberg betonte im März 2014: «Wir reden Ducati bei der Fahrerwahl nicht drein. Denn Audi hat keine Motorrad-Kompetenz.»
Bradl hielt damals das LCR-Honda-Paket ohnedies für schlagkräftiger und setzte auf die Karte HRC – er sollte sich nicht täuschen.
Für 2015 stand Stefan Bradl auf der Kandidatenliste von Paolo Campinoti, der in Stuttgart gearbeitet hat, perfekt Deutsch spricht und sein Geld mit der Erzeugung und dem Verkauf von Generatoren verdient. Doch das Interesse von Pramac wurde erst im August konkret, als Bradl bereits mit Forward Yamaha einig war.
Inzwischen ist die Kandidatenliste bei Pramac-Ducati für 2016 überschaubarer geworden. Pol Espargaró hat bei Yamaha unterschrieben, Bradley Smith wird ebenfalls bei Tech3 bleiben, mit einer Unterschrift ist bis zum Silverstone-GP (30. August) zu rechnen. Und Cal Crutchlow, der 2014 als hochbezahlter Ducati-Werksfahrer (man sprach von 2,5 Millionen pro Saison) eine Saison lang Rufschädigung betrieben hat, gilt bei Ducati als schwer vermittelbar, auch wenn er es gern anders darstellt.
Deshalb ist in Indianapolis klar geworden: Stefan Bradl ist auf der Wunschliste von Ducati und Pramac-Chef Campinoti an die erste Stelle vorgerückt.
Das Team plant für die Saison 2016 intern bereits mit dem Fahrerduo Danilo Petrucci (5. Startplatz in Indy, Platz 10 im Rennen, elfter WM-Rang) und Stefan Bradl. Pramac wird für beide diesjährige Ducati-GP15-Maschinen erhalten.
Ducati hat in den letzten Jahren jeweils einen Pramac-Fahrer mit einem Vertrag direkt ans Werk gebunden: 2014 war es Andrea Iannone, 2015 Yonny Hernandez. Ob auch Bradl einen Werksvertrag erhalten soll, liess sich bisher nicht ermitteln.
Bradl wäre der erste Deutsche seit Alex Hofmann im Pramac-Ducati-Team: Der Eurosport-Kommentator wurde allerdings im September 2007 frühzeitig entlassen.
Stefan Bradl, für die letzten neun Rennen 2015 beim Aprilia Racing Team Gresini unter Vertrag, hat von Pramac und Ducati bisher keine Nachrichten zum Stand der aktuellen Entwicklungen erhalten. «Ich habe mich in Indianapolis bei Pramac-Teammanager Guidotti erkundigt», schilderte der Bayer. «Aber er konnte oder wollte nichts Konkretes erzählen.» Dann fügte Bradl bei: «Vielleicht hat mich Ducati-Renndirektor Gigi Dall'Igna deshalb beim Frühstück in Indy so freundlich begrüsst...»
Dall'Igna war Rennchef bei Aprilia, als Bradl 2008 in Brünn und Motegi seine ersten beiden GP-Siege auf einer 125er-Aprilia feierte.
Pramac: Seit 2005 Kundenteam von Ducati
Eines ist klar: Bei Pramac-Ducati würde Bradl 2016 ein Team und Material vorfinden, mit dem er sich jederzeit Hoffnungen auf Top-Ten-Plätze machen kann, auch wenn Ducati 2016 die Open-Vorteile (weichere Hinterreifen, keine Testbeschränkungen, Motorenentwicklung nicht eingefroren, zwölf Motoren) verliert.
Ducati muss 2016 nach zwei Privilegien-Jahren wieder unter identischen Voraussetzungen gegen Honda und Yamaha kämpfen: 22 Liter, sieben Motoren, Einheits-Elektronik, Motorenentwicklung ab dem ersten Rennen eingefroren.
Und: Die Kundenteams müssen die ganze Saison mit jener Spezifikation fahren, mit der sie in Katar in die Saison starten. Das heisst: Pramac kann ?bei Petrucci oder Bradl während der Saison von der GP15 nicht auf die GP16 umsatteln. Zumindest nicht nach dem derzeitigen Stand der künftigen Technik-Vorschriften, die aber noch nicht in Stein gemeisselt sind.
Kaum ein Kundenteam in der MotoGP-WM hat eine engere Bindung an ein Werk als Pramac: Seit 2005 tritt Pramac mit einem eigenen Ducati-Rennstall in der Weltmeisterschaft auf. Vorher gab es eine Kooperation mit Japan Italy Racing (JiR) und Honda.
Pramac ist ein Energie-Konzern und Stromerzeuger mit 200 Millionen Euro Jahresumsatz. Für die Generatoren existiert ein weltweiter Vertrieb mit 15 Niederlassungen in Amerika, Afrika, China und vielen europäischen Ländern.
Pramac tritt 2015 auch als Hauptsponsor und Namensgeber des GP von Australien auf Phillip Island auf.
Pramac-Ducati erreichte in der MotoGP-WM 2007 durch Alex Barros in Mugello Platz 3, dazu zwei weitere Podestplätze 2008 mit Toni Elias (jeweils Platz 3) in Brünn und Misano. Andrea Iannone schaffte 2014 bei Pramac den zehnten WM-Rang.
Stefan Bradl verhält sich abwartend. Denn bisher hat er für die nächste Saison nichts Konkretes in der Hand. Ducati und das Pramac-Team wollen die Karten noch nicht auf den Tisch legen.
«Mir ist in den letzten Wochen klar geworden, dass ich 2016 wirklich nur in der MotoGP-WM fahren werde, wenn ich bei allen Rennen berechtigte Chancen auf Top-Ten-Plätze habe», stellte der WM-Neunzehnte fest, den die problematische erste Saisonhälfte bei Forward-Yamaha (Teambesitzer Cuzari seit 13. Juli in Haft) zermürbt hat. «Wenn das nicht klappt, fahre ich lieber in der Moto2 und kämpfe dort um Podestplätze.»