Cal Crutchlow: Die Schwachstellen der Honda
Cal Crutchlow mit Crew-Chief Christophe Bourguignon
Cal Crutchlow hat bei seinem Heim-GP in Silverstone noch nie richtig Erfolg gehabt. Im Gegenteil: Die schlechten Erinnerungen mehren sich.
Zuletzt hat ihn LCR-Honda-Teamkollege Jack Miller in der dritten Runde beim Kampf um Platz 6 aus dem Weg geräumt.
«Ja, Silverstone war im Laufe der Jahre immer ein schwieriger Grand Prix für mich. 2012 war okay; damals war ich Teamkollege von Dovizioso bei Tech3-Yamaha. Ich bin von weit hinten los gefahren und in den Top-6 gelandet. 2013 habe ich mich für die erste Startreihe qualifiziert... Ja, den Rest können wir vergessen. Ich habe bisher in Silverstone in meiner GP-Karriere fast nur Härtefälle erlebt. Eigentlich habe ich gehofft, dass sich meine triste Heim-GP-Bilanz 2015 ändern würde. Ich hatte allen Grund zur Zuversicht. In drei Tagen kann sich alles zum Guten ändern, dachte ich. Schade. Denn es kamen mehr Fans als je zuvor, der Andrang beim Heim-GP scheint jedes Jahr grösser zu werden. Ich habe mir für den diesjährigen Grand Prix einiges ausgerechnet. Ich dachte, meine britischen Landsleute können mir etwas Druck wegnehmen. Ich dachte, sie könnten gut abschneiden, sie haben es durch und durch verdient. Danny Kent hat dann seine WM-Führung in der Moto3 ausgebaut. Sam Lowes ist in der Moto2-Klasse stark gefahren, Pole-Position und dann Platz 6 im Rennen. Die britischen Fans sind auf jeden Fall auf ihre Rechnung gekommen.»
Auch im MotoGP-Rennen – wegen des sauberen Sieges von Rossi und der Ränge 6 und 7 durch Redding und Smith.
Crutchlow erklärte, er habe sich diesmal beim Heim-GP nicht stark unter Druck gefühlt, obwohl er als WM-Neunter anreiste und erst einen Podestplatz (Rang 3 in Las Termas) auf dem Konto hat.
«Ehrlich gesagt, ich fühle in Silverstone nie einen argen Druck. 2013 hatte ich in England einen schlechten Grand Prix, weil ich im Warm-up mit Marc Márquez gestürzt bin und mein Arm dann im Rennen so extrem geschwollen war. Ich glaube, ich hätte sonst 2013 aufs Podest fahren können. Einmal bin ich in Silverstone wegen kalter Reifen gestürzt, ich habe mir das Schlüsselbein gebrochen. Auch das hatte nichts mit dem Druck des Heim-GP. ?Ein Jahr später bin ich wieder gestürzt. Aber es stürzen auch Ausländer in Silverstone... Gut, man macht sich beim Heimrennen Druck, weil man seine beste Leistung abrufen will. Du willst den Zuschauern eine Freude machen und ein gutes Ergebnis erzielen, denn sie tragen deine T-Shirts und winken mit deinen Flaggen. Aber der Druck ist auch bei den anderen Rennen vorhanden. Das Team, die Zuschauer, die Motorradfirma – alle erwarten etwas von dir. Teamchef Lucio Cecchinello bringt ein Team mit 40 oder 50 Leuten zu allen Rennen. Da willst du niemanden enttäuschen.»
Natürlich ärgerte sich Cal Crutchlow über den unverschuldeten Renn-Crash vom vorletzten Sonntag. «Letztes Jahr bin ich in Silverstone einen Dreck zusammen gefahren. Ich wollte unbedingt einen Sturz vermeiden, das ist mir gelungen. 2014 war meine Silverstone-Vorstellung ein Witz; ich bin nur Zwölfter geworden. Das war vielleicht mein schlechtestes Rennen im ganzen Jahr. Aber immerhin bin ich ins Ziel gekommen.»
Hat sich Cal mit der Honda diesmal in England mehr ausgerechnet als 2014 mit der Ducati? Crutchlow: «In Silverstone gibt es Sektionen, die gut sind für die Honda und Sektionen, die gut sind für die Yamaha. Marc Márquez hat in England schon gewonnen, Dani Pedrosa auch. Das überrascht, denn in England ist es üblicherweise kalt, Dani bringt durch sein geringes Gewicht dann nicht genug Hitze in den Hinterreifen... Die Piste passt also eigentlich gut zur Honda. Ehrlich gesagt, ich dachte, auch Suzuki könnte diesmal dort gut abschneiden. Aber anscheinend haben sie auf der Gegengeraden zu viel Zeit verloren, besonders wenn es windig war. Denn sie haben im fünften und sechsten Gang nicht genug Power.»
Cal Crutchlow dachte vor einem Jahr, bei Honda könne er 2015 endlich regelmässig aufs Podest fahren, da Márquez in der WM 2014 alles überstrahlte.
«Aber es hat sich in diesem Jahr gezeigt, dass die Honda auf manchen Pisten recht gut funktioniert, auf der nächsten Strecke passt wenig zusammen», resümiert Crutchlow. «Le Mans war für Honda wirklich ein schlechtes Rennen. Katar, auch ein schlechtes Rennen für Honda. In anderen Jahren war Honda auf diesen Pisten ganz vorne dabei. Man weiss momentan im vornherein nie, ob die Honda gut funktioniert. Die Sorge lautet immer: Bringen wir genug Temperatur in die Reifen? Deshalb schärfen uns die japanischen Ingenieure immer ein: Fahr´ das ganze Wochenende keine langsame Runde.´ Denn sobald du Gas rausnimmst, lässt die Hitze im Reifen nach, jeder stürzt dann in der nächsten Runde. Das gilt für den Hinterreifen genau so wie für den Vorderreifen. Du musst schon in der Out-lap am Limit fahren. Sonst steckst du in der Scheisse.»
Die extra-weichen Hinterreifen würden das Problem vielleicht lösen. «Sie würden das Temperaturproblem lösen. Ja. Aber damit können wir keine Renndistanz fahren», weiss Cal. «Sie wären nach fünf Rennrunden am Ende. Wir nehmen auch vorne immer den härtesten Reifen, denn wir wollen so hart und spät wie möglich bremsen. Und dann bremsen wir so lang wie möglich in die Kurven hinein. Bei Honda sitzen wir alle im gleichen Boot. Wir müssen uns mit diesen Problemen anfinden.»
Vor dem Grand Prix hatte Crutchlow seinem Teamkollegen Jack Miller noch gut zugeredet und ihm gute Ratschäge erteilt. «Ich fürchtete viele Stürze in Turn 8, weil dort die Reifen vorher auf der Gegengeraden abkühlen. In Turn 7 erhitzen sich die Reifen dann auf der rechten Seite, aber nicht ausreichend auf der linken. Deshalb passieren in Kurve 8 in Silverstone so viele Crashes. Ich habe Jack gesagt: 'Hör zu, fahr im Training einfach viele Runden. Lass dir den Tank füllen und fahre, bis das Motorrad stehenbleibt.' Er fährt gut. Seine Rundenzeiten können sich im Vergleich zu den Honda-Zeiten von 2014 wirklich sehen lassen. Aber alle haben sich enorm gesteigert! Und besonders Silverstone ist eine Piste, auf der du viele Runden mit der MotoGP-Maschine brauchst.»