Maverick Viñales: Die Kunst der schnellen Anpassung
«Rookie of the Year» in seinem Debüt-Jahr in der Moto3-WM, «Rookie of the Year» in seinem ersten und einzigen Moto2-Jahr und MotoGP-«Rookie of the Year» 2015. Sagt nicht, man hätte euch nicht vor Maverick Viñales gewarnt.
«Er zeigt Dinge, die ich bisher nur bei Valentino und Casey sah», sagte mir Manuel Cazeaux, als wir uns zum Gespräch über seinen Fahrer Maverick Viñales trafen. Der argentinische Techniker mit französischem Nachnamen kam Anfang 2015 von Ducati zum Suzuki-MotoGP-Projekt und wurde Crew-Chief von Viñales. Er weiß also, worüber er redet, wenn er Maverick mit Rossi und Stoner vergleicht, denn neben ihnen arbeitete er bereits in der Ducati-Box. «Ich denke, er hat die Charakterzüge, die eine sehr, sehr brillante Zukunft prophezeien.»
Nachdem er bisher mit Routiniers wie Nicky Hayden und Cal Crutchlow gearbeitet hatte, verlangte die Zusammenarbeit mit einem Rookie wie Viñales eine ganz neue Vorgehensweise. «Das ist wahr, aber man darf nicht vergessen, dass es ein doppelte Debüt war, denn es war auch ein Rookie-Jahr für das Bike. Suzukis Comeback nach drei Jahren ohne Arbeit in einer Kategorie wie der MotoGP-Klasse ist ein Synonym zu ‹von null anfangen›.»
Sich mit den Reifen und den Karbon-Bremsen nach dem Aufstieg aus der Moto2-Klasse anzufreunden, war der erste Punkt auf der Anpassungs-Agenda. Vor allem die Bremstechnik unterscheidet sich deutlich von jener der Moto2-Klasse. «Dort werden die Bremsen bis zum letzten Abschnitt der Kurve genutzt», erklärte Manuel. «Das kann man in der MotoGP-Klasse nicht machen. Der Vorderreifen hält den Stress von Bremsen und Turning zur selben Zeit nicht aus, weil die Karbonbremsen mit extremer Kraft verlangsamen. Der Fahrer muss lernen, die Bremse loszulassen, wenn er zum Scheitelpunkt kommt.»
Bremsen, Reifen und natürlich Power waren die Dinge, an die sich Maverick anpassen musste, bevor er überhaupt an Rennfahren denken konnte. «Obwohl unser Bike nicht so kraftvoll ist.» Die Elektronik wurde erst dann genutzt, als der Fahrer sich ein bisschen an die Reifen und Bremsen gewöhnt hatte. Die ersten Streckenerfahrungen mit der Suzuki sammelte Viñales also fast ohne elektronische Hilfen. Die Philosophie der japanischen Ingenieure besagt, dass der Fahrer den Motor verstehen muss, bevor man Schritt für Schritt die Elektronik aufstockt. So soll er verstehen, wo, wann und warum die Elektronik hilft oder einschreitet. Das macht Sinn, oder?
Doch dieser Prozess verlief parallel zur Weiterentwicklung der neuen GSX-RR. Das forderte von Fahrern und Ingenieuren viel Geduld. Von dieser Tugend ist bei Maverick eigentlich nicht viel vorhanden. «Maverick und sein Team wollten daher nichts überstürzen, erst verstehen und dann Schritt für Schritt vorgehen, um Risiken zu vermeiden. Die mit dieser Philosophie erreichte Entwicklung war gut.»
Viñales’ Leistungen in der ersten Saisonhälfte bestätigten Manuel Cazeaux’ Ansichten. Er schaffte es in den ersten zehn Rennen in die Punkte und beendete die Saison mit nur zwei Stürzen in Brünn und Motegi. Bei zwei weiteren Rookies sah das anders aus. Loris Baz holte nur in sieben von 18 Grands Prix Punkte, der Australier Jack Miller punktete in sechs Rennen und stürze in sieben Läufen.
Das Interessante an der Konstanz von Viñales ist, dass sie kein von ihm und dem Team beschlossenes Ziel war. «Das ist richtig. Es war mehr Mavericks Weg, die Weltmeisterschaft anzugehen. Er ist ein sehr konstanter Fahrer, der eine schnelle Pace über das gesamte Rennen hinweg halten kann.» Dies bedeutet im Fall der MotoGP-Klasse, dass der Fahrer sein Bike über das gesamte Rennen im Griff hat, obwohl sich das Verhalten der Maschine durch immer weniger Tankinhalt und die abbauenden Reifen ständig verändert. Viñales passte sich ziemlich schnell an diese Veränderungen an.
«Die Anpassung kommt durch die Veränderung des Mappings und der Gas- und Bremskontrolle für die jeweilige Situation», erklärte Cazeaux. «Man kann am Ende des Rennens nicht genauso bremsen wie am Anfang, weil der Grip nicht mehr derselbe ist. Doch auch der Reifenabbau verläuft nicht immer gleich, denn jede Strecke fordert die Reifen auf eine andere Weise.»