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Winglets in MotoGP: Viel Wind um nichts?

Kolumne von Michael Scott
Die Diskussion um Winglets in der MotoGP-Klasse reißt nicht ab. Der Fortschritt steht Sicherheitsbedenken gegenüber. Bei einem Verbot würde aber wohl die rote Hölle losbrechen.

Es ist das große Gesprächsthema in der MotoGP-Klasse. Wie Schmetterlinge, die sich aus ihrem Kokon befreien, entfalten nun auch die früher ebenmäßigen und abgerundeten Verkleidungen der MotoGP-Bikes ihre Flügel.

Flügel an allen möglichen Stellen, in allen möglichen Winkeln und in allen Möglichen Formen. Der Rekord, was die Anzahl der Flügel betrifft, liegt derzeit bei Honda und Suzuki, die bereits drei Wings auf jeder Seite testeten. Oder kam ihnen Ducati zuvor? Die großen roten Maschinen waren schon oft als Doppeldecker mit zusätzlichen Flügeln an der Nase des Bikes unterwegs. Zu Ehren der Luftfahrttradition sollten wir die Letzteren wohl besser «Canards» nennen. Dieses Wort hat mehr als eine aussagekräftige Bedeutung [Anm.: Zeitungsente].

Sicherlich ist Ducati für die ganze Sache verantwortlich. In der Vergangenheit gab es allerdings bereits ein paar private Exzentriker. In den 70er-Jahren gestaltete der ehemalige Rhodesier Colin Lyster einen großen Wing für eine 450er-Honda – riesig, beweglich und weit über dem Hinterrad montiert – in den Tagen, als Wheelies noch eines der geringsten Probleme waren. Das Suzuki-GP-Team testete dann in den 1980ern kleine seitliche Flügelchen.

Doch die aktuelle aerodynamische Revolution wurde von Ducati schon 2010 losgetreten, als die Desmosedici von Stoner und Hayden an den Flanken der vorderen Verkleidung kleine Stummel erhielten. Es war eines der Ergebnisse von einigen Jahren Arbeit mit dem Formel 1-Aerodynamik-Experten Alan Jenkins.

Es gab viele Diskussionen um ihren Effekt, der schon aufgrund ihrer geringen Ausmaße minimal gewesen sein muss. Manche vermuteten, dass sie nur den Luftstrom durch die Kühlungsschlitze verbessern sollten. Die Fahrer äußerten sich nur ungenau.

Im letzten Jahr, der zweiten Saison von Gigi Dall’Igna bei Ducati, begannen die Winglets wirklich zu wachsen. Sie wurden mehrmals versetzt, bis die nun berühmte «Schnurrbart»-Position gefunden wurde. Manchmal waren sie sogar mit Doppeldecker-Flügeln unterwegs. Und noch immer waren die Aussagen der Fahrer vage.

Am Ende der vergangenen Saison führte Yamaha die Welle der Nachahmer an. Lorenzo, wie immer modebewusst, mochte die Flügel. In diesem Jahr ging es mit noch größeren Flügeln weiter, sie verwandelten sich vom Schnurrbart zu hängenden Teetabletts. So hat Jorge wenigstens einen Platz, wo er seine ganzen Trophäen abstellen kann.

Valentino, wie immer ein modischer Vorreiter, nahm die gegensätzliche Position ein. Obwohl er einen Unterschied feststellen konnte, war das seiner Meinung nach nicht unbedingt ein Vorteil. Und das Schlimmste: «Sie sind hässlich.»

Doch beim Jerez-GP erlag sogar er dem Charme der Winglets. War es ein Zufall, dass er sich zum ersten Mal seit dem vergangenen Juni für die Pole-Position qualifizierte und einen Start-Ziel-Sieg im Lorenzo-Stil einfuhr? Beim Test am Tag darauf war kein Bike mehr ohne Winglets zu sehen. Das schloss auch die neuen Aprilias unten in der Zeitenliste ein.

Honda wechselte von gekrümmten Flügeln an der Nase der RC213V über größere Schnurrbärte am Renntag zu den bereits erwähnten dreistufigen Wings auf jeder Seite. Nun antworteten die Fahrer nicht mehr so ungenau. Die Flügel sorgten für eine merkliche, nach unten gerichtete Kraft. Der größte Nutzen der Wings liegt also in der Kontrolle von Wheelies – vor allem am Kurvenausgang.

Da die Winglets laut Reglement nicht über den «breitesten Teil der Maschine» hinausgehen dürfen, sind sie alle relativ klein, was auch die nach unten wirkende Kraft gering hält. Der Technik-Weise Kevin Cameron schätzt, dass es sich bei geringeren Geschwindigkeiten nur um ein paar Kilo handelt. Bei mehr als 320 km/h werden es jedoch bis zu 20 Kilo.

Das ist nicht viel, aber spürbar. Wenn die Abstände gering sind, hilft eben jede Kleinigkeit. Abgesehen davon: Die Flügel sind in Mode.

Doch es gibt auch eine Schattenseite. Das S-Wort. Es bedeutet «Gefahr» – in zweierlei Hinsicht. Die Sicherheit soll für jene Piloten geringer sein, die hinter dem geflügelten Gigant fahren. Die Verwirbelungen sorgen laut einiger Fahrer für Unruhe im nachfolgenden Motorrad. Vor allem der leichtgewichtige Dani Pedrosa, wurde auf der langen Gerade von Phillip Island durch die Ducati-Bikes vor ihm fast von seiner Maschine gefegt.

Blödsinn, sagt Dovizioso. Er sei oft genug hinter seinem Teamkollegen Iannone gefahren, um sicher zu sein, dass es nur gefährlich ist, wenn man sich neben dem Italiener befindet. Er bekräftigt Ducatis Sicht der Dinge, dass die Winglet-Gegner nur auf den großen Topspeed-Vorteil der Roten neidisch sind.

Dann gibt es noch die Befürchtung, dass die Wings durch eine unglückliche Berührung wie ein Filetiermesser fungieren könnten – bei anderen oder sogar den eigenen Fahrern. Es geht nicht darum, dass sie irgendjemandem das Bein abschneiden, aber sie können sicherlich für Verletzungen sorgen. (Eine einfache Lösung: Die Wings mit Airbags ausstatten wie in den Lederkombis der Fahrer.)

Zuletzt müssen wir noch über die Kosten sprechen. Entwicklungsarbeit im Windkanal ist sehr zeitintensiv und kostspielig. Zudem sind die Erkenntnisse manchmal ziemlich ungenau.

Schon allein aus diesem Grund ist es ziemlich sicher, dass die Flügel durch das Reglement bald wohl tüchtig gestutzt oder gar gänzlich verboten werden wie in der Moto3- und Moto2-Klasse.

Doch aus anderen Gründen ist es sehr unwahrscheinlich, dass dies noch vor dem Ende dieser Saison geschieht. Der Hauptgrund: Es befinden sich acht Ducati-Bikes unterschiedlicher Jahrgänge im Feld. Bei einem Verbot würde wohl die rote Hölle losbrechen.

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