Cal Crutchlow: «Die besten Emotionen meiner Karriere»
Im Rennen: Cal Crutchlow (35) pirscht sich an Andrea Iannone heran
Cal Crutchlow bescherte den Briten den ersten GP-Sieg in der «premier class» (500 ccm/MotoGP) seit Barrys Sheenes Suzuki-Triumph im Jahr 1981 in Anderstorp/Schweden.
Zweimal hatte Cal Crutchlow schon einen zweiten Platz ergattert, 2013 auf der Tech3-Yamaha und 2016 auf der LCR-Honda, jeweils auf dem Sachsenring.
Eigentlich sah nach dem Warm-up Scott Redding wie der siegreiche Brite aus, aber der Pramac-Ducati-Pilot landete mit zerstörten Reifen nur auf Rang 15.
LCR-Honda-Teambesitzer Lucio Cecchinello betreibt seit 2006 ein MotoGP-Team mit Honda, er begann damals mit Casey Stoner und setzte dann Fahrer wie Carlos Checa, Randy de Puniet, Toni Elias, Stefan Bradl, Jack Miller und Cal Crutchlow ein.
Crutchlow, seit 2. August Vater eines Töchterchens namens Willow, hatte nach Platz 11 am Freitag noch lauthals über Honda gewettert: «Sie müssen die Realität erkennen.»
Und jetzt hat er seinen ersten MotoGP-Triumph in der Tasche, nachdem er in Assen noch etwas eifersüchtig den Sieg seines Kumpels Jack Miller beobachtet hatte. «Ich war schon in Assen auf der auftrocknenden Piste sehr schnell. Aber leider bin ich dort beim Re-Start in der ersten Runde runtergeflogen», erinnert er sich.
Es war der zweite MotoGP-Sieg eines Honda-Kundenteams in der Saison 2016, vorher hatte seit Toni Elias im Jahr 2006 in Portugal kein Fahrer aus einem Satellitenteam in der Königsklasse gewonnen.
Nach dem ersten Briten-Sieg nach 35 Jahren strahlte Cal Crutchlow, die Genugtuung war ihm anzusehen. «Ich bin sehr sehr happy, es hat lange genug gedauert... Ich war schon ein paarmal knapp dran, auf dem Sachsenring und auf anderen Pisten. Klar, wir haben ein trickreiches Rennen gewonnen. Trotzdem ist das ein großartiger Sieg. Doch ich habe am Startplatz die perfekte Reifenwahl getroffen. Ich dachte: Wenn ich hinten den harten Reifen nehme, muss ich vorne auch den harten reinstecken lassen. Ich war der Ansicht, mit der Honda würde es schwierig werden, hinten und vorne unterschiedliche Mischungen zu nehmen.»
«Ehrlich gesagt, jetzt beherrschen mich die besten Gefühl der Welt. Denn der Samstag war ein Desaster, denn ich habe im FP4 ein Motorrad komplett zerstört. Ich glaube nicht, dass außer dem Motor noch ein nennenswertes Teil brauchbar war, nachdem das Bike 6,5 Meter hoch durch die Luft flog und dann auf der Ambulanzfahrbahn heftig aufschlug. Ich musste mich bei meinem Team entschuldigen und bei Honda. Das Team hat emsig geschuftet, um mir für heute ein neues Bike aufzubauen. Es ist angenehm, das Team für diese Mühsal entschädigen zu können.»
«Es war ein langes Rennen... Und es fühlte sich noch länger an, wenn man Lucio jede Runde von der Boxenmauer hängen sieht. Er ist auf und ab gesprungen. Ehrlich gesagt: Wenn ich meinen Zeigefinger vom Lenker hätte nehmen können, dann hätte ich ihm gedeutet, er solle von der Boxenmauer verschwinden, geh zurück in die Box und nimm dir einen Kaffee oder sonst was. Denn die Aufregung war umsonst. Ich habe mich mit meinen Gegner gespielt... Ich hatte sooo viel mehr Grip als die anderen, die eine andere Reifenwahl getroffen hatten. Ich bin spazieren gefahren... Ich hatte die richtige Wahl getroffen und wusste: Das Rennen wird mir in die Hände spielen, ich werde am Schluss überlegen sein. Doch die ersten fünf Runden waren wirklich schwierig, nicht beim Vorderreifen, aber hinten auf der linken Seite. Es war sehr schwierig, Hitze in den Reifen zu bekommen.»
Der Brünn-GP war ein prächtiger Sonntag für Great Britain: Sieg für den Schotten McPhee in der Moto3, Platz 3 für Sam Lowes in der Moto2, dann Sieg für Cal Crutchlow.
«Ja, ich freue mich für John. Er hat jahrelang hart gearbeitet und hatte nicht immer die besten Bikes. Und ich habe mit Sam Lowes gesprochen. Er hat mir erzählt, dass er in den letzten sechs Jahren kein einziges Regenrennen sturzfrei überstanden hat. Er ist gestürzt und hat sich wieder aufgerappelt.. Aber er ist nie ohne Sturz durchgekommen. Heute ist es ihm endlich gelungen», grinste Cal. «Er hat heute einen guten Job gemacht. Ein unglaublicher Tag für die britischen Fahrer. Und es ist wunderbar, jetzt mit diesem Hype nach Silverstone zu fahren. Carmelo Ezpeleta hat mich daran erinnert, dass es 35 Jahre her ist, seit Barry Sheene gewonnen hat. Und es ist schon ein etwas sehr, sehr Nettes, überhaupt mit Barry Sheene in einem Satz erwähnt zu werden. Und der Sieg kam zum idealen Zeitpunkt für die Fans in Silverstone.»
Cal bedauerte nur, dass seine Frau Lucy daheim bei der Tochter bleiben musste. Crutchlow: «Das erste, was ich heute gefragt wurde: Welche Emotionen bringt dir dieser Sieg? Ich habe geantwortet: Ich habe seit sechs Jahren kein Motoradrennen mehr gewonnen, nur ein paar Radrennen. Die Emotionen bei einem Sieg sind anders... Die größten Emotionen meines Leben habe ich vor drei Wochen mitgemacht, als Willow zur Welt gekommen ist. Man kann das nicht mit den Gefühlen im Rennsport vergleichen. Aber ich habe heute den besten Tag meiner Rennkarriere erlebt und die besten Emotionen meiner Rennkarriere. Jetzt hoffe ich, dass ich diesen Sieg bald wiederholen kann.»