Team Italien: Wie Cairoli (KTM) wahren Sportsgeist zeigte
Das Teamergebnis beim Motocross der Nationen hängt maßgeblich vom Fahrer der MX2-Klasse ab. Das Problem: Die MX2-Piloten müssen gegen die leistungsmäßig überlegenen MXGP-Maschinen (meist 450cc oder 350cc) und gegen die Open-Klasse (ebenfalls MXGP-Bikes) antreten und saufen im Fahrerfeld unter Bedingungen wie im Sand von Lettland erbarmungslos ab.
Je nach Strecke kann sich das Leistungsdefizit also unterschiedlich auswirken. Im Sand vom Kegums ist Leistung notwendig. Auf Hartboden wie im Talkessel kann das anders sein.
Team Italien hatte, ähnlich wie Deutschland mit der ursprünglichen Besetzung (Nagl, Ullrich, Schiffer) das Problem, mit Antonio Cairoli, Philippaerts und Guarneri drei starke MXGP-Piloten zu haben, aber keinen konkurrenzfähigen MX2-Fahrer.
Das Leichtgewicht Antonio Cairoli musste die schwere Bürde auf sich nehmen, die schwächere Maschine zu pilotieren. Seine Fahrt war beeindruckend: Trotz offensichtlichen Leistungsdefizits, fuhr der achtfache Weltmeister im ersten Rennen phänomenal! Er prügelte seine kleine 250er mit nahezu permanentem Vollgas außen um die Kurven, um genügend Schwung für die Rhythmuspassagen und die Sprünge mitzunehmen. Er scrubbte wie kein anderer und flog über die Sprünge, um sein klares Leistungsdefizit auszugleichen!
Antonio Cairoli ist ein Sportler, der seinesgleichen sucht! Während Andere ihr Heimatland im Stich lassen, riskiert Antonio Cairoli alles, um für sein Team Italien da zu sein! Der Sizilianer muss niemandem mehr etwas beweisen.
Das ist wahrer Sportsgeist!
Cairoli zeigte in Kegums Größe, wie geschaffen für die «Olympischen Spiele des Motocross»! Bravo Antonio!
Wann haben wir in dieser Saison von Cairoli Fehler gesehen? Der Sizilianer ist einer der besten technischen Fahrer, die es jemals gab. Konsistenz und technische Brillanz sind seine absoluten Stärken!
In Kegums musste er nun aber volles Risiko gehen, um an die Spitze zu kommen. Und er schaffte das Unmögliche: Er überholte den Belgier Jeremy van Horebeek, selbst ein ausgewiesener Sandspezialist und ... mit der 450er Yamaha unterwegs!
Er nahm eine Rhythmus-Passage mit zu viel Risiko und zu viel Schwung, sprang zu weit an den Gegenhang und stieg heftig über den Lenker ab. Zunächst konnte er weder aufstehen noch gehen: Ausfall für das italienische Team, gleich im ersten Rennen. Nach ein paar Minuten humpelte der KTM-Star zurück an die Box.
Er hatte sich genau das rechte Knie angeschlagen, welches er sich 2008 in Südafrika schwer verletzte.
Die kurze Pause zwischen den Rennen nutzte das Team, sein angeschwollenes Kniegelenk mit Eispaketen zu kühlen. Was nach den ersten Bildern unmöglich erschien, trat ein: Cairoli erschien mit Schmerzen zum zweiten Rennen. Trotz dieses gewaltigen Handicaps rettete er sich auf Platz 19 ins Ziel!
Rang 6 für Italien, nur einen Punkt hinter Deutschland, war der mehr als verdiente Lohn einer beeindruckenden Vorstellung des kleinen Sizilianers und des gesamten italienischen Teams, die ansonsten eine solide Leistung ablieferten.
Eine echte Sternstunde des Sports!
An die Nachwirkungen seines Abflugs wird sich Cairoli wohl noch eine Weile erinnern müssen: Die Ärzte erteilten ihm ein dreiwöchiges Fahrverbot.
Cairoli sieht es gelassen. Er hat es für sein Land getan.