Hannes Arch: Die zweite Luft
«Abschalten, das sagt sich so leicht. Wenn ich abschalte, muss ich gleich drei Hannes Arch abschalten: den Piloten, den Manager und den Athleten. Ich bin ja nicht nur für mich verantwortlich, sondern für das gesamte Team. Die Business-Seite des Red Bull Air Race ist von außen leicht zu unterschätzen. Dazu kommt die öffentliche Funktion: Der Fan, der am Rennwochenende ein Autogramm von mir will, will nur dieses eine Autogramm, und das ist auch völlig okay. Für mich ist es vielleicht schon das hundertste. Dabei zählt im Endeffekt nur das Rennen. Rennen zu gewinnen ist mein Job.
Ablenkungen sind per se schlecht und können in unserem Fall sogar gefährlich sein. Trotzdem geht es nicht ohne. Du musst das alles unter einen Hut kriegen, und der Druck lässt eigentlich nie nach. Er wird in unserem Sport zum Dauerzustand. Natürlich kannst du dich im Idealfall über die Energie, die dir die Fans geben, aufladen, aber das funktioniert auch nur bis zu einem gewissen Moment. Irgendwann brauchst du eine Pause.
Wenn es so weit ist, gehe ich in die Berge. Die Ruhe dort zwingt dich, loszulassen. Es gibt keinen Handy-Empfang, du spürst wieder deinen Herzschlag, deine Muskeln, die Luft, die Steine und den Fels unter dir. Diese Tage sind sehr heilsam, weil sie die extreme Welt des Red Bull Air Race wieder erden.
Einmal im Jahr ist es nötig, völlig vom Gas zu gehen und die Systeme für ein paar Wochen runterzufahren. Normalerweise mache ich das rund um Weihnachten auf Hawaii. Das ist ein Ort, an dem du gar nicht hektisch sein kannst.
Wäre ich ein Motor, wäre ich am Berg ein klassischer amerikanischer V8 mit viel Kraft und Ausdauer. Beim Red Bull Air Race werde ich eher zur Dragster-Turbine, die in eineinhalb Minuten ihre ganze Kraft rausschießt.
Du bist furchtbar gespannt, extrem schnell und wahnsinnig präzise. Vielleicht ist genau das der Grund, warum ich kein Sportwagenfahrer bin. Die Geschwindigkeit, auch die Querbeschleunigung auf der Straße können mich als Piloten nicht reizen, und ein Auto zur Selbstdarstellung brauche ich nicht, habe ich nie gebraucht. Mein erstes Auto war ein alter Citroën, danach wurde ich zum Busfahrer, des Kletterns wegen. Damals habe ich auch in meinen Bussen geschlafen.
Heute fahre ich privat einen Mazda CX-5, ein sehr praktisches, geräumiges und auch unauffälliges Auto, was bei meiner Fahrweise definitiv Vorteile hat. Dass man sich pro Jahr eine gewisse Summe für Strafmandate zur Seite legen muss, ist einfach so. Wobei sich das mit sinkender Kilometerleistung deutlich reduziert hat, einfach weil ich alles, was geht, mit meinem Hubschrauber fliege. Salzburg-Wien oder Salzburg-München auf der Autobahn, da schlafe ich ein. Und wenn ich schon fahren muss, dann sind mir eine gute Sound-Anlage und eine exzellente Freisprecheinrichtung die wichtigsten Extras.
Dabei fahre ich gern Auto, es passt halt meist die Situation nicht. So wie hier an der Adria ist es natürlich perfekt: Super Wetter, super Straßen ohne Verkehr, die Saison ist vorbei, und ich komme langsam runter – und der Mazda MX-5 ist das ideale Auto dafür. Ein Roadster, aber kein Angeber-Auto. Ein Cabrio, das sogar mir als Motorradfahrer Spaß macht. Ein Auto, bei dem du nicht mühsam Knöpfe drücken musst, um dann warten zu dürfen, wie irgendwelche Elektromotoren das Verdeck auf- oder zumachen, sondern wo du einen Hebel entriegelst, das Verdeck wie eine Kapuze nach hinten wirfst und losfährst.
Wenn sich neugierige Menschen um die Unversehrtheit meiner Frisur im Cabrio Gedanken machen: Die kann ich beruhigen. Meiner Frisur kann nicht einmal ein Helm etwas anhaben, geschweige denn der Fahrtwind. Ich weiß das deswegen, weil ich viele Helme trage: Im Flugzeug natürlich, aber ich fahre auch viel Motorrad, im Moment eine KTM Adventure und zwischendurch immer wieder einmal etwas Kleines, Wendiges von KTM.
Es heißt ja, dass Motorrad- und Cabriofahrer zwei unterschiedliche Spezies Mensch sind. Bei mir geht sich das problemlos nebeneinander aus. Cabrio fahren ist halt was anderes, und für mich heißt es nicht Sport und Speed, sondern Entspannung. Darum auch Mazda MX-5: Du sitzt gut drin, bist aber zu nichts verpflichtet. In diesem Auto hetzt dich keiner, was der Entspannung sehr zuträglich ist. Ich finde, dass der Motor mit seinen 131 PS völlig ausreicht, weil das Getriebe so knackig ist, dass du gern schaltest und so ohnehin ständig im richtigen Gang unterwegs bist.
Dazu passt natürlich auch die Gegend an der Adria. Ich war als Kind vermutlich schon einmal in Triest, kann es aber nicht mehr mit Sicherheit sagen. Der Stopp des Red Bull Air Race 2015 in Rovinj gleich nebenan gehört zu meinen Lieblingsrennen neben dem Heim-Event in Spielberg. Mir kommt ja oft vor, dass wir Österreicher nicht nur geografisch zwischen Deutschland und Italien oder Slowenien liegen. Auch unsere Mentalität spiegelt das wider. Vor allem das alte Triest mit seiner reichen – auch österreichischen – Geschichte lädt zum Träumen ein, zu einer Spazierfahrt der Gedanken. Da kriegst du die zweite Luft, wie wir Sportler sagen, es geht plötzlich wieder, und zwar gut. Ich sollte das vielleicht hie und da während der Saison machen, um zwischendurch die Akkus aufzuladen.
In meiner Phantasie sieht der perfekte Tag mit einem MX-5 an der Adria so aus: In der Früh fliege ich mit dem Heli aus Salzburg nach Portorož, wo das Auto schon auf mich wartet. Dann fahre ich mit meiner Freundin Miri ein, zwei Stunden in der Gegend herum. Am Meer entlang natürlich, aber auch im Hinterland, der lässigen Straßen wegen. Dann gehen wir auf einen Kaffee und essen vielleicht etwas Süßes dazu, ein zweites Frühstück. Dann wieder ein bisschen Autofahren, aber nicht zu viel, eine halbe Stunde vielleicht bis in eine einsame Bucht. Das müsste wegen der Einsamkeit in der Nebensaison sein, aber schon noch so sommernah, dass man auch baden kann. Wenn wir dann wieder trocken sind, fahre ich nach Triest rein, und wir essen in einem schönen Lokal Spaghetti, ganz klassisch. Dann geht es mit dem Mazda, Dach offen selbstverständlich, wieder zum Heli zurück, ich lasse den Autoschlüssel lässig am Flughafen fallen und steige mit dem Heli im Abendrot auf. Klingt in Summe nach einem exzellenten Plan.»
Lesen Sie in der Februar-Ausgabe des «The Red Bulletin» (ab 12. Januar erhältlich) über Hannes Archs Methode, vor der neuen Saison des Red Bull Air Race wieder Kraft zu tanken, über die Erfolgsrezepte der Mega-DJs, den Survival-Guide für Bären-Attacken und vieles mehr.
Für mehr faszinierende Bilder besuchen Sie die Website von Fotograf Greg Funnell. Er hatte bereits Stars wie Colin Firth oder Jeff Bridges vor der Kamera.