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Superbikes gegen MotoGP-Geschosse: Ein Vergleich

Von Sharleena Wirsing
In der MotoGP-Klasse steuern die besten Piloten der Welt die schärfsten und teuersten Zweirad-Waffen. Warum sind ihre Rundenzeiten trotzdem nicht bedeutend schneller als die der Superbikes?

Während des Jerez-Tests Ende November wurde einmal mehr deutlich, dass die seriennahen Superbike-Maschinen auf manchen Strecken mit den hochtechnisierten MotoGP-Prototypen mithalten können. Als einige Piloten der MotoGP- und der Superbike-WM in Jerez aufeinandertrafen, war das Endergebnis für manche Beobachter und Fans überraschend. Am zweiten MotoGP-Testtag mussten sich die Königsklasse-Piloten dem Superbike-Weltmeister Jonathan Rea auf der Kawasaki geschlagen geben.

Mit 1:38,721 min war Rea 0,225 sec schneller als Alvaró Bautista auf der für ihn neuen Ducati Desmosedici. An dritter Stelle folgte mit Chaz Davies auf der Panigale ein weiterer Superbike-Pilot, der 0,170 sec langsamer war als Bautista.

Zum Vergleich: Die MotoGP-Pole-Zeit beim Grand Prix im April lag bei 1:38,736 min, die schnellste Rennrunde bei 1:40,090 min. Die schnellste Rennrunde beim Superbike-Meeting in Jerez war eine 1:41,467 min von Tom Sykes. Mit den Pirelli-Qualifyer-Reifen hatte Sykes in der Superpole sogar eine 1:39,190 min in den Asphalt gebrannt.

Doch natürlich lassen sich die Zeiten aus dem April nur schwer mit denen des Superbike-Meetings im Oktober oder den Zeiten beim Test Ende November vergleichen. Die Temperaturen und Streckenbedingungen unterscheiden sich deutlich, zudem wurden die MotoGP-Bikes durch die Weiterentwicklung der neuen Einheitselektronik und der Michelin-Einheitsreifen im Verlauf der Saison 2016 immer schneller.

Pramac-Ducati-Pilot Danilo Petrucci hat nach dem Jerez-Test erklärt, warum ein 100.000 Euro Superbike mit einer MotoGP-Maschine mithalten kann, deren Wert kaum zu beziffern ist: «Unter den Reifen, die uns Michelin in diesem Jahr zur Verfügung gestellt hat, haben wir vorne zwei Optionen verwendet und eine hinten. Diese Lösungen waren harte Mischungen, sie resultierten aus den Problemen von Sepang und Las Termas. Ich erinnere mich an die Pirelli-Reifen. Ich habe sie in der CIV verwendet und als Testfahrer auf der Panigale. Die Pirelli-Qualifyer sind über eine Runde außergewöhnlich gut. Ich konnte in Jerez mit diesen Reifen nach 20 oder 22 Runden noch bis auf eine halbe Sekunde an meine Bestzeit herankommen. Die SBK-Kollegen waren nach 20 Runden 2 sec langsamer als am Beginn.»

Bei einem Vergleich der besten Rennrunden zwischen MotoGP und Superbike 2016 sind die Unterschiede deutlich erkennbar, obwohl natürlich auch hierbei bedacht werden muss, dass die Events der Superbike- und der MotoGP-WM zu unterschiedlichen Zeitpunkten stattfanden und somit auch unterschiedliche Streckenbedingungen herrschten.

Katar, 5,4 km, 16 Kurven: Beim MotoGP-Saisonauftakt erzielte Yamaha-Pilot Jorge Lorenzo mit 1:54,543 min die Pole-Position, im Rennen am 20. März fuhr er mit 1:54,927 min die schnellste Rennrunde. Beim Superbike-Saisonfinale in Katar von 28. bis 30. Oktober stand Jonathan Rea mit 1:56,356 min auf der Pole-Position. In den Rennen lag die schnellste Zeit bei 1:56,974 min von Rea. Die Zeitunterschiede: Der schnellste MotoGP-Pilot war im Qualifying 1,813 sec schneller, im Rennen waren es 2,047 sec.

Misano, 4,2 km, 16 Kurven: Jorge Lorenzos Pole-Zeit am 10. September in Misano lag bei 1:31,868 min. Die schnellste Rennrunde fuhr Dani Pedrosa mit 1:32,979 min. Die Bestzeit der Superpole am 18. Juni war eine 1:34,037 min von Tom Sykes. Im Rennen lag die schnellste Runde bei 1:35,165 vom Alex Lowes. Die Zeitunterschiede: Die MotoGP-Polezeit war um 2,169 sec schneller, die beste MotoGP-Rennrunde war um 2,186 sec schneller.

Aragón, 5,1 km, 17 Kurven: Marc Márquez stand dort mit 1:47,117 min auf der Pole-Position. Im Rennen am 25. September lag seine schnellste Zeit bei 1:48,694 min. Beim Superbike-Event von 1. bis 3. April umrundete Tom Sykes die Strecke von Aragón bei der Superpole in 1:49,374 min. Die schnellste Rennrunde war eine 1:50,421 min von Chaz Davies. Somit war die MotoGP-Pole-Zeit in Aragón 2,257 sec schneller, bei der schnellsten Rennrunde betrug der Unterschied 1,727 sec.

Phillip Island, 4,4 km, 12 Kurven: Mit 1:30,189 min schnappte sich Marc Márquez am 22. Oktober auf auftrocknender Strecke die Pole-Position. Die schnellste Rennrunde fuhr Cal Crutchlow mit 1:29,494 min. Die Superpole-Zeit von Sykes lag bei 1:30,020 min, die schnellste Rennrunde von Rea am 28. Februar bei 1:31,386 min. Damit war auf Phillip Island Pole-Zeit der Superbike-WM um 0,169 sec schneller als jene der MotoGP. Im Rennen war MotoGP-Fahrer Crutchlow 1,892 sec schneller als der beste Superbike-Pilot.

Doch warum kommt es manchmal zu so knappen Zeitabständen zwischen Superbike und MotoGP wie beim Jerez-Test? Der Vorteil der MotoGP-Maschine durch mehr Leistung wirkt sich in der Praxis wegen der besseren Fahrbarkeit der Superbike-Motoren aufgrund ihres zivileren Drehmomentverlaufs kaum aus. Außerdem sind die jeweiligen Reifen sehr wichtig.

Der Topspeed-Vorsprung von bis zu 30 km/h und die bessere Beschleunigung der MotoGP-Bikes schlagen sich in den Rundenzeiten ebenfalls kaum nieder. Denn erst in der Beschleunigungsphase am Kurvenausgang, wenn die Maschine schon fast wieder aufgerichtet ist und auf den Geraden verlieren die Superbikes an Boden.

Die Volllast-Phasen, in denen die Piloten den Gasgriff bis zum Maximum aufziehen, sind auf vielen Strecken kürzer und seltener, als es scheint. Die Superbike-Elektronik und die MotoGP-Einheitselektronik machen auch kaum einen Unterschied, sie befinden sich wohl auf einem ähnlichen Level.

Im direkten Vergleich während eines Rennens wäre es ohnehin schnell vorbei mit den Vorteilen der Superbike-Piloten. Sie könnten die bessere Fahrbarkeit bei Teillast nicht nutzen, da die MotoGP-Maschinen auf den Geraden davonziehen und den Superbikes hinter ihnen in den Kurven dann ihre Fahrdynamik aufzwingen.

Auch Stefan Bradl hat eine einleuchtende Erklärung für die starken Superbike-Zeiten beim Jerez-Test: «Das war in Jerez in der Vergangenheit auch schon so. Diesmal kam dazu, dass die Bedingungen nicht so perfekt waren. Es war kühl und teilweise nass. Die Pirelli-Qualifyer bringen eine Sekunde. Außerdem war es in Jerez nicht besonders warm. Die Michelin haben bei solchen Temperaturen vielleicht nicht denselben Grip wie die Pirelli. Michelin hat erstens keinen Qualifyer, zweitens sind das hitzebeständige Reifen mit relativ harten Compounds. Es gibt vielleicht 30 PS Unterschied, und die kommen beim gleichen Hubraum erst bei hohen Geschwindigkeiten zum Tragen. Dann fährst du halt in Aragón mit 330 km/h über die Gerade runter, mit dem Superbike mit 312 km/h. In den unteren drei Gängen bringst du die zusätzliche Leistung ohnedies kaum auf die Fahrbahn. Du hast keinen Grip, du hast Wheelspin.»

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