Marco Melandri: «Titelverlust 2012 war meine Schuld»
Beim Saisonauftakt der Superbike-WM 2017 auf Phillip Island zog sich Rückkehrer Marco Melandri bisher beachtlich aus der Affäre. Der 34-jährige Italiener sicherte sich am Freitag im Qualifying den fünften Rang. Melandris Vergangenheit war sehr bewegt. Mit 15 Jahren und 324 Tagen wurde er 1998 durch seinen Sieg in der 125-ccm-Klasse in Assen zum bis dahin jüngsten GP-Sieger aller Zeiten. Melandri hat in seiner Karriere viel gewonnen, musste jedoch auch schwere Rückschläge einstecken.
Melandris Erfolge: 41 Rennsiege in der MotoGP- und Superbike-WM, darunter 22 GP-Siege, ein Weltmeistertitel in der 250-ccm-Klasse 2002 mit Aprilia. 111 Mal stand Marco Melandri in der MotoGP- und Superbike-WM auf dem Podest.
Doch oftmals zeigte sich, dass Erfolg für Melandri ein Balanceakt war. Und es war nicht immer seine Schuld. Mit Kawasaki, Yamaha, BMW und Aprilia zogen sich alle Hersteller, für die Melandri antrat, aus der jeweiligen Weltmeisterschaft zurück. 2015 kehrte Melandri mit Aprilia in die MotoGP-Klasse zurück – aber nicht aus freien Stücken. 2016 bestritt Melandri keine Rennen. Als alles vorbei zu sein schien, engagierte ihn Ducati, der Hersteller, mit dem er 2008 eine stürmische Beziehung pflegte. Und nun tritt er an der Seite von Chaz Davies zu seiner 20. Rennsaison an.
Bist du aufgeregt?
Ich bin eher zufrieden als aufgeregt. Nervosität spüre ich derzeit nicht, ich bin nur glücklich, denn ich bin bereit für die Saison. Ich habe ein Motorrad, das richtig für mich ist und habe mich richtig drauf vorbereitet. Zudem bin ich in einem Team, das arbeitet und Herausforderungen mit derselben Motivation angehen will wie ich.
Du musst doch zumindest ein bisschen angespannt sein?
Nein, bin ich nicht. Ich weiß, wenn ich das mache, was ich kann, und das Fahren genieße, dann werden die Resultate kommen. Welche Resultate? Das werden wir am Samstag sehen. Anspannung entsteht nur, wenn du nach einer Position strebst, die nicht in deiner Reichweite liegt. Mein Ziel ist es nun, schnell zu sein und Spaß zu haben.
Reicht es aus, schnell zu sein? Du bist schon mehr als einmal daran gescheitert, einen zweiten WM-Titel zu sichern.
2012 war es meine Schuld, dass ich den Superbike-Titel verloren habe, aber wenn der BMW-Boss drei Rennen vor dem Saisonende zu dir kommt und dir sagt, dass am Ende des Jahres alle nach Hause geschickt werden, dann zerstört das die Atmosphäre in der Box.
Ich fühlte mich verantwortlich und machte Fehler, die ich vorher noch nie gemacht habe. Doch wir können die Vergangenheit nicht ändern. Ich denke nicht mehr darüber nach.
Ärgert es dich mehr, dass du den 125-ccm-Titel 1999 an Emilio Alzamora verloren hast, der nun Marc Márquez’ Manager ist?
Naja, meiner Meinung nach kannst du den Titel nicht nur dadurch gewinnen, dass du schnell bist, auch die Umstände sind wichtig. In diesem Jahr 1999 hingen einige Dinge schief, aber ich hatte die Chance auf den Titel und verlor ihn um nur einen Punkt.
Heute macht Emilio einen großartigen Job, aber nicht als Manager von Márquez, das ist bei einem Star wie Marc einfach, aber Alzamora macht einen großartigen Job mit dem Nachwuchs. Er hat ein Team mit jungen Talenten, seine Qualitäten liegen in seinem jetzigen Tätigkeitsbereich.
Du bist einer der wenigen Fahrer, die nie aufhören wollen. Biaggi fuhr mit über 40 noch, Rossi ist 38 und du bist fast 35.
Ich fahre gerne Rennen, aber nur wenn alles funktioniert. Ich arbeite gerne mit Menschen, die auch gerne mit mir arbeiten. Wenn das nicht der Fall ist, gebe ich nichts zurück. Ich hatte die Bescheidenheit aufzuhören, wenn etwas nicht funktionierte.
Ich denke, ich bin der einzige Fahrer, der eine Jahresgage abgelehnt hat, weil ich erkannte, dass das Bike nicht zu mir passen würde. Ich beziehe mich auf 2009 mit Ducati in der MotoGP-Klasse. Der Kampf und die Jagd auf den Titel muss eine Konsequenz sein, nicht der Grund, um anzutreten. Ich weiß, dass ich viel zu geben habe, aber ich brauche dafür die richtigen Umstände.
Aus diesem Grund hast du 2015 aufgehört?
In diesem Jahr machte ich einen Schritt zurück, um zwei nach vorne zu machen. Wenn ich Rennen gefahren und Kompromisse eingegangen wäre, dann wäre ich jetzt nicht hier. Es war ein siegreiches Blatt und kein Glücksspiel. Ob ich durch die Unterbrechung den Anschluss verloren habe? Das werden wir im ersten Rennen sehen.
Viele können nicht verstehen, dass du 2015 in die MotoGP-Klasse zurückgekehrt bist, um im Anschluss deine Karriere zu unterbrechen.
Tatsache ist, dass sie mich zu diesem Wechsel drängten, aber sie überzeugten mich nicht. Welche Alternative hatte ich zu dieser Zeit, was hätte ich tun sollen? Wenn ich zuhause geblieben wäre, hätte ich auch nichts anderes tun können. Als ich dann zurück in der MotoGP-Klasse war, gab es zu viele Dinge, nicht zu mir passten. Ich war nicht faul, ich konnte einfach nicht fahren. Doch ich will nicht über die Vergangenheit sprechen. Ich denke lieber über die Gegenwart nach.
Bist du nun so glücklich wie seit Jahren nicht mehr?
Nein, mein glücklichster Moment war, als Manuela mir meine Tochter schenkte und ich Vater wurde, als Martina geboren wurde. Jeder, der das erlebt hat, weiß, dass das die einzige Sache ist, die im Leben zählt. Was den Rennsport betrifft, wird 2017 wohl mein glücklichstes Jahr sein, denn ich habe Spaß.
Welcher war dein schlimmster Moment?
Als ich wegen der Entscheidungen anederer zuhause saß. Du willst zumindest die Genugtuung, deine eignen Fehler gemacht zu haben.
Was wirst du denken, wenn du in der Startaufstellung stehst? Gibt es einen Rivalen, bei dem zu es liebst, ihn zu hassen?
Nein, da gibt es keinen bestimmten. Ich lebe bei den Rennen von Tag zu Tag. Ich sehe, wer nah an mir dran ist, das ist dann der Gegner, den es zu schlagen gilt.
Ist Alberto Vergani von Nolan und x-lite nur dein Manager oder auch dein bester Freund?
Lass' mich etwas Sentimentales sagen – Vergani und mich verbindet eine sehr enge Freundschaft. Er hat verstanden, dass die menschliche Beziehung für mich weit über die finanzielle Seite hinausgeht. Wir haben erkannt, dass uns dieselbe Mentalität verbindet. Darum kommen wir so gut miteinander aus.
Deine Rückkehr überraschte manche Fans. Denkst du, dass Casey Stoner möglicherweise zurückkehren könnte?
Er hat bewiesen, dass er noch immer schnell ist. Aber ich weiß nicht, wie er jetzt zum Rennsport steht. Vielleicht weiß er das selbst nicht genau. Aber ich werde die Gerüchte den Journalisten überlassen.
Du hast gesagt, dass du das Fahren noch immer liebst. Gibt es ein Motorrad, das du gerne noch einmal fahren würdest?
Das ist schwierig zu sagen, weil ein Motorrad immer ein Kompromiss aus Motor, Rahmen und Reifen ist. Ich könnte sagen, eine Fünf-Zylinder Honda.
Die heutige Traktionskontrolle und unterschiedlichen Hilfen sorgten für einen neuen Fahrstil. Die Panigale erinnert mich an diese Honda, denn sie überlässt das Fahren dem Fahrer. Die Elektronik hilft, aber du musst das Bike selbst kontrollieren.