Bautista: Die erstaunliche Analyse von Werner Daemen
Werner Daemen ist eine der sachlichsten Personen, die man im Fahrerlager treffen kann. Der ehemalige Rennfahrer, heutige IDM-Teamchef und Manager von Markus Reiterberger wird selten emotional, seine Analysen sind objektiv, fundiert und verständlich.
Für SPEEDWEEK.com nahm der Belgier Seriensieger Alvaro Bautista aus dem Ducati-Werksteam unter die Lupe, der Spanier gewann die ersten neun Rennen des Jahres in Folge.
«Ich bin immer an der Rennstrecke, um mir Reiterberger und Sykes anzusehen», erzählte Daemen. «Die Ducati ist unheimlich schnell, Bautista hat immer die besten Topspeed-Werte. Das liegt auch an seiner Statur, er ist klein und aerodynamisch. Hinzu kommt, dass er fast keine Fehler macht und das Motorrad immer an seiner Grenze fährt. Ihm an der Strecke zuzusehen, ist beeindruckend. Er bremst etwas früher als sein Teamkollege Chaz Davies und geht über beide Räder rutschend in die Kurven, wie ein Supermoto-Fahrer. Dann stellt er das Motorrad früh auf, damit er die Leistung des Motors in der Beschleunigung optimal ausnützen kann. Er beschleunigt außerdem mit deutlich weniger Schräglage. Wenn die anderen im Scheitelpunkt zum Beispiel 55 oder 60 Grad Schräglage haben, dann hat er vielleicht 50 – viel weniger. Dadurch kann er zwei oder drei Meter früher ans Gas als alle anderen. Und macht das Runde für Runde. Ich habe nicht einmal gesehen, dass er einen Fehler gemacht hat. Im Ducati-Team ist zu hören, dass er nicht anders fahren kann. Wenn er vorne liegt und Geschwindigkeit rausnehmen könnte, dann tut er das nicht, weil er das Bike in seinem Stil nur bewegen kann, wenn er am Limit ist.»
«Das Driften und den Speed hat er aus der MotoGP-WM mitgenommen», hielt der 47-Jährige fest. «Mich wundert, dass er den Hinterreifen nie eckig bremst. Wenn du jede Kurve andriftest, dann bleibt das Rad normal irgendwann stehen. Aber das Hinterrad von Bautista dreht sich in der Anbremsphase immer, er hat so viel Talent, dass es nie blockiert. Er hat unheimlich viel Fingerspitzengefühl, so fährt man an der Grenze.»
Ist die Konsequenz daraus, dass alle Superbike-Piloten ihren Fahrstil umstellen und wie Bautista fahren müssen? «Das weiß ich nicht», grübelte Daemen. «Rossi sagt, dass er bis 2012 seinen eigenen Stil fuhr, dann sah er, wie die jungen Piloten fahren und hat davon gelernt. Er hat den Stil von Marquez oder Dovizioso nicht voll adaptiert, aber er ging in diese Richtung. Die Superbike-Fahrer auf einem Reihenvierzylinder müssen Bautistas Stil nicht kopieren, aber wenn das erfolgreich ist… Chaz Davies hat in Aragon damit begonnen, Bautistas Stil zu fahren. Aber wenn er eine Kurve zehnmal fuhr, dann brachte er es dreimal gut hin und siebenmal nicht. Bei Bautista sind zehn von zehn Kurven perfekt. Ducati weiß mit der Erfahrung aus der MotoGP-WM, dass man die V4R fahren muss wie Bautista, um die Motorleistung voll nützen zu können. Um dieses Konzept perfekt umsetzen zu können, braucht es aber auch einen sehr talentierten Rennfahrer, der das Kurve für Kurve und Runde für Runde so machen kann. Man sieht das auch bei Scott Redding, der ebenfalls aus der MotoGP-Klasse kommt, der in den BSB-Tests mit der V4R sehr gute Rundenzeiten fuhr und mit dem Bike gut klarkommt.»