MotoGP-Drama: Martin verpasst WM-Auftakt

Toprak Razgatlioglu: Was hinter seiner Drohung steckt

Von Ivo Schützbach
Toprak Razgatlioglu fühlt sich ungerecht behandelt

Toprak Razgatlioglu fühlt sich ungerecht behandelt

Superbike-Weltmeister Toprak Razgatlioglu nimmt die Änderung des technischen Reglements für die Saison 2025 persönlich und weist Promoter Dorna bei jeder Gelegenheit darauf hin.

Drei Rennfahrer haben die Superbike-WM in den vergangenen zehn Jahren auf eine Weise dominiert, dass sich Promoter Dorna veranlasst fühlte, wegen ihnen das Reglement zu ändern.

Den Anfang machten Jonathan Rea und Kawasaki. Ab 2015 gewannen sie drei Titel in Folge, woraufhin 2018 erstmals in der Geschichte der 1988 etablierten Serie eine Balance-Regel unter gleichen Motorkonzepten eingeführt wurde. Das hinderte den Nordiren nicht daran, drei weitere Titel zu gewinnen, womit er sechs Jahre in Folge triumphierte – Rekord.

2022 und 2023 war Alvaro Bautista mit der Panigale V4R der Maßstab. Die Gegner beschwerten sich so lange über das Leichtgewicht aus Spanien und dessen körperlich bedingten Vorteile, dass in Ignoranz der dadurch ebenfalls vorhandenen Nachteile für 2024 ein Mindestgewicht für den Fahrer in voller Montur zusammen mit seinem Bike eingeführt wurde.

Im Vorjahr war Toprak Razgatlioglu auf der BMW eine Klasse für sich und gewann 13 Rennen am Stück – das schaffte keiner vor ihm. Nach dem Titelgewinn, dem ersten von BMW in einer Motorrad-Solo-WM in 101 Jahren Firmengeschichte, wurde das Reglement lediglich um einen Satz erweitert, doch dieser ist entscheidend.

Bis dahin durfte ein Hersteller seine zugesprochenen Super-Concession-Parts behalten, selbst wenn er ein neues Homologationsmodell bringt. Unter der Voraussetzung, dass besagtes Standardbauteil grundsätzlich im neuen Modell identisch ist. Seit 2025 gilt, dass ein Hersteller seine Super-Concessions bei der Einführung eines neuen Modells nur dann behalten darf, wenn er weiterhin berechtigt ist, Konzessionsteile zu bekommen. Sprich, wenn er erfolglos ist. Was bei BMW als Weltmeister natürlich nicht der Fall ist.

Dass die technischen Regeln nach einem Titelgewinn geändert werden, ist also kein Einzelfall – mit Kawasaki, Ducati und BMW haben das bereits drei Hersteller erlebt.

Aber wie die Regeln im Fall von BMW geändert wurden, ist ein starkes Stück. Denn erst am 20. Januar der laufenden Saison wurden sie offiziell gemacht – fünf Wochen vor WM-Auftakt. Man hat den deutschen Hersteller den ganzen Winter unter falschen Annahmen testen lassen und damit seine Saisonvorbereitungen beeinflusst.

Das Argument der Dorna, es wäre monatelang darüber geredet worden, ist nur bedingt stichhaltig. Ein Hersteller kann sein Testprogramm oder auch seine Entwicklung nicht an jede Idee anpassen, die irgendwer irgendwann äußert. Geredet und vorgeschlagen wird unter den Herstellern viel. Erschwerend hinzu kommt, dass besagte Regeländerung nicht durch die Gremien hindurch ihren normalen Beschlussprozess durchlief, sondern über den «Gott-Paragraphen» eingeführt wurde.

Dieser erlaubt es der Dorna in Absprache mit dem Motorrad-Weltverband FIM die Regeln nach eigenem Ermessen zu verändern, wann immer sie es für nötig halten. Unabhängig davon, was die Hersteller dazu sagen.

Diesen Joker zieht die Dorna nur sehr selten, aber im Fall von BMW war es so. Deshalb ist Weltmeister Razgatlioglu darüber auch so erbost. Der 28-Jährige wertet das als Angriff auf seine Person und als Abwertung seiner Leistungen – für ihn ist das schlicht respektlos.

Razgatlioglu ist einer der freundlichsten, zuvorkommendsten und höflichsten Menschen, die man sich vorstellen kann. Noch nie habe ich im Fahrerlager ein schlechtes Wort über seinen Charakter gehört. Umso schwerer wiegt es, wenn er seinem Unmut Luft macht.

Während und nach den Ducati-Festspielen auf Phillip Island war Toprak nicht mehr zu halten. Denn jetzt ist offiziell, was er Ende Januar prophezeit hat.

«Das einzige Problem ist, dass sich die Regeln geändert haben», sagte der 57-fache Laufsieger damals. «Ducati hat diesbezüglich viel Druck ausgeübt und jetzt sind die Regeln anders. Ducati ist sehr stark: Nicht nur das Motorrad, sondern auch die Marke dahinter. Ihnen fällt es leicht, alles ändern zu lassen. Jetzt hat die Ducati kein Drehzahllimit mehr, was für mich aber kein Problem darstellt. Sogar auf der Yamaha konnte ich gegen die Ducati kämpfen. Ich frage mich aber, wie Yamaha, Honda, Kawasaki und Bimota damit klarkommen, diese Motorräder sind immer noch ein bisschen zu langsam. Letztes Jahr herrschte eine gute Balance, jetzt ist Ducati aber wieder klar voraus – das ist nicht gut. Wir werden dieses Jahr viele Ducati an der Spitze sehen. Die Dorna möchte, dass wir gute Rennen haben und alle gegeneinander kämpfen können. So wie es jetzt ist, wird das aber nicht möglich sein. Ich sehe nicht, dass die anderen gegen Ducati kämpfen können.»

In Australien legte er nach: «Alle bei BMW haben hart gearbeitet. Nach der harten Arbeit wurden die Regeln geändert und alles war zerstört. Von außen betrachtet versteht man das wahrscheinlich nicht, aber für mich ist auf dem Motorrad alles anders, seit die Regeln geändert wurden.»

Nach dem ersten Rennen der Saison hielt er fest, dass die erfolgreiche Titelverteidigung dieses Jahr schwierig wird. «Wenn die Dorna Kämpfe sehen möchte, dann brauche ich mein altes Motorrad wieder», meinte der zweifache Weltmeister. «Wenn es so bleibt, wie es ist, dann wird Bulega immer allein vorne fahren. Die jetzige Balance ist nicht gut, es muss sich etwas ändern. Bulega wird auch in Europa stark sein, er ist sehr stark. Ich hoffe, alle genießen es, wie es jetzt ist.»

Die Dorna produziert bei jedem Rennen Clips für die eigene Website, die sie «Unfiltered» nennen – also ungefiltert. Dafür werden Szenen genommen, wenn die Fahrer mit den Medienvertretern vor Ort reden. Razgatlioglu nutzte diese Chance in Australien mehr als einmal, um einen eindringlichen Appell an die Dorna zu senden.

Nach seinem katastrophalen Sonntag, den er nach einem Ausflug durchs Kiesbett und einem technischen Problem mit null Punkten beendete, legte er noch eins drauf und drohte der spanischen Sportagentur: «Dieses Jahr fahren alle Ducati vorne, das ist nicht normal. Ich hoffe, dass es nicht so weitergeht, denn so genießt es keiner. Wenn es in der Superbike-WM in Zukunft so weitergeht, dann glaube ich nicht, dass ich noch hier fahren werde.»

Razgatlioglu ist sich seiner Macht bewusst, er weiß, dass er der Quotenbringer ist und viele Fans wegen ihm den Fernseher einschalten, wenn die Superbike-WM auf dem Programm steht. Mit seinem spektakulären und kämpferischen Fahrstil begeistert er wie lange keiner mehr. Während die Ducatisti das sehr erfolgreiche Australien-Wochenende gefeiert haben, rümpften sämtliche anderen Fans die Nase: Denn lediglich im ersten Hauptrennen konnte Toprak in die Phalanx der Ducati-Übermacht eindringen. Am Sonntag sahen wir ausschließlich Ducati-Fahrer in den Top-5. Entsprechend liegen auch in der Gesamtwertung fünf V4R-Piloten vorne.

Angesichts seines desaströsen Sonntags und der daraus resultierenden Frustration sandte Toprak eine klare Botschaft an die Dorna. Dass er auf der für ihn schlechtesten Strecke im Kalender auf Startplatz 2 gebraust war, im ersten Rennen Zweiter wurde und auch am Sonntag in beiden Läufen den Speed für die Top-3 hatte, ließ er dabei außer Acht.

Ergebnis Superbike-WM 2025, Phillip Island, Rennen 2:
Pos Fahrer Motorrad Diff
1. Nicolo Bulega (I) Ducati
2. Alvaro Bautista (E) Ducati + 2,603 sec
3. Andrea Iannone (I) Ducati + 3,980
4. Scott Redding (GB) Ducati + 8,043
5. Danilo Petrucci (I) Ducati + 10,009
6. Sam Lowes (GB) Ducati + 10,097
7. Andrea Locatelli (I) Yamaha + 11,083
8. Alex Lowes(GB) Bimota + 11,180
9. Yari Montella (I) Ducati + 11,202
10. Axel Bassani (I) Bimota + 11,918
11. Xavi Vierge (E) Honda + 18,472
12. Dominique Aegerter (CH) Yamaha + 18,507
13. Garret Gerloff (USA) Kawasaki + 25,853
14. Michael vd Mark (NL) BMW + 25,891
15. Ryan Vickers (GB) Ducati + 29,402
16. Bahattin Sofuoglu (TR) Yamaha + 41,810
17. Tito Rabat (E) Yamaha + 43,805
18. Tetsuta Nagashima (J) Honda + 51,209
- Remy Gardner (AUS) Yamaha
- Toprak Razgatlioglu (TR) BMW
- Tarran Mackenzie (GB) Honda
Ergebnis Superbike-WM 2025, Phillip Island, Superpole-Race:
Pos Fahrer Motorrad Diff
1. Nicolo Bulega (I) Ducati
2. Andrea Iannone (I) Ducati + 2,324 sec
3. Danilo Petrucci (I) Ducati + 4,923
4. Scott Redding (GB) Ducati + 5,312
5. Sam Lowes (GB) Ducati + 5,452
6. Andrea Locatelli (I) Yamaha + 6,891
7. Alex Lowes(GB) Bimota + 7,267
8. Yari Montella (I) Ducati + 9,748
9. Axel Bassani (I) Bimota + 10,585
10. Remy Gardner (AUS) Yamaha + 10,924
11. Xavi Vierge (E) Honda + 11,260
12. Dominique Aegerter (CH) Yamaha + 11,260
13. Toprak Razgatlioglu (TR) BMW + 14,186
14. Michael vd Mark (NL) BMW + 14,330
15. Ryan Vickers (GB) Ducati + 16,968
16. Tito Rabat (E) Yamaha + 21,796
17. Bahattin Sofuoglu (TR) Yamaha + 27,062
18. Tarran Mackenzie (GB) Honda + 42,505
19. Alvaro Bautista (E) Ducati + 1 min
- Tetsuta Nagashima (J) Honda
- Garret Gerloff (USA) Kawasaki
Ergebnis Superbike-WM 2025, Phillip Island, Rennen 1:
Pos Fahrer Motorrad Diff
1. Nicolo Bulega (I) Ducati
2. Toprak Razgatlioglu (TR) BMW + 4,811 sec
3. Alvaro Bautista (E) Ducati + 5,108
4. Danilo Petrucci (I) Ducati + 6,813
5. Scott Redding (GB) Ducati + 6,986
6. Andrea Iannone (I) Ducati + 7,548
7. Andrea Locatelli (I) Yamaha + 8,892
8. Alex Lowes(GB) Bimota + 9,588
9. Axel Bassani (I) Bimota + 11,035
10. Sam Lowes (GB) Ducati + 13,429
11. Xavi Vierge (E) Honda + 15,661
12. Dominique Aegerter (CH) Yamaha + 18,039
13. Ryan Vickers (GB) Ducati + 29,734
14. Tetsuta Nagashima (J) Honda + 42,501
15. Bahattin Sofuoglu (TR) Yamaha + 42,730
16. Tarran Mackenzie (GB) Honda + 55,663
- Remy Gardner (AUS) Yamaha
- Michael vd Mark (NL) BMW
- Garret Gerloff (USA) Kawasaki
- Tito Rabat (E) Yamaha
- Yari Montella (I) Ducati
Superbike-WM 2025: Stand nach 3 von 36 Rennen
Pos Fahrer Motorrad Punkte
1. Nicolo Bulega (I) Ducati 62
2. Alvaro Bautista (E) Ducati 36
3. Andrea Iannone (I) Ducati 35
4. Danilo Petrucci (I) Ducati 31
5. Scott Redding (GB) Ducati 30
6. Andrea Locatelli (I) Yamaha 22
7. Sam Lowes (GB) Ducati 21
8. Toprak Razgatlioglu (TR) BMW 20
9. Alex Lowes(GB) Bimota 19
10. Axel Bassani (I) Bimota 14
11. Xavi Vierge (E) Honda 10
12. Yari Montella (I) Ducati 9
13. Dominique Aegerter (CH) Yamaha 8
14. Ryan Vickers (GB) Ducati 4
15. Garret Gerloff (USA) Kawasaki 3
16. Tetsuta Nagashima (J) Honda 2
17. Michael vd Mark (NL) BMW 2
18. Bahattin Sofuoglu (TR) Yamaha 1

Diesen Artikel teilen auf...

Mehr über...

Siehe auch

Formel-1-Show in London: Fluch oder Segen?

Von Mathias Brunner
​Das war sie also, die Formel-1-Sause in der Londoner O2-Arena, vor 15.000 Fans im Rund und Millionen vor dem Fernseher und in den sozialen Netzwerken. Was hat die spektakuläre Präsentation gebracht?
» weiterlesen
 

TV-Programm

  • Sa. 25.01., 16:10, Motorvision TV
    Tourenwagen: Supercars Championship
  • Sa. 25.01., 17:10, Motorvision TV
    Tourenwagen: Supercars Championship
  • Sa. 25.01., 18:00, Das Erste
    Sportschau
  • Sa. 25.01., 18:05, Motorvision TV
    Tourenwagen: Supercars Championship
  • Sa. 25.01., 19:05, Motorvision TV
    Tourenwagen: Supercars Championship
  • Sa. 25.01., 19:15, ServusTV
    Servus Sport aktuell
  • Sa. 25.01., 20:55, Motorvision TV
    Rallye: Belgische Meisterschaft
  • Sa. 25.01., 21:05, ORF 3
    Skilegenden
  • Sa. 25.01., 21:25, Motorvision TV
    Rallycross: Belgische Meisterschaft
  • Sa. 25.01., 21:50, Motorvision TV
    Tour European Rally
» zum TV-Programm
6.851 25020749 C2502212033 | 5