Mit Heineken & Chips: Holland feiert den Weltmeister
Am vergangenen Wochenende nutzte ich meinen motorsportlich ansonsten wenig attraktiven Wohnort für eine geheime Mission. Ten Kate lud per Massen-Email in ihre Werkstatt ins niederländische Nieuwleusen ein, um Supersport-Weltmeister Michael van der Mark abzufeiern. Ich war gespannt und war dabei. Hier mein Bericht:
Vier Stunden Fahrt über die A1 musste ich dennoch investieren, um im beschaulichen Ort Nieuwleusen anzukommen. Mein Unterkunft lag in unmittelbarer Nähe der Weltmeister-Werkstatt – perfekt für eine feucht-fröhliche Party. Das altehrwürdige Haus hatte schon bessere Zeiten erlebt, dachte ich so bei mir – und sollte Recht behalten. So warm der Empfang durch die Hausherren so kalt war es in der Bude. Der angebotene Kaffee wurde auf dem Weg von Küche ins Wohnzimmer bereits kalt, das lag aber nicht an der Entfernung.
Von 1908 sei das Haus, verrieten mir meine Gastgeber. Mich persönlich erinnerte das Haus ein wenig an die Rocky-Horror-Picture-Show. Statt mit Frank N. Furter hatte ich es aber mit Ben und Truus (das spricht sich mit 'ü') zu tun. Zwei herzensgute Menschen, die über 40 Jahren in diesem Gemäuern wohnen. Mit Renovierungen hatten es die beide nicht so, ausser dem Bad schien alles dem Baujahr zu entstammen. Das WC war jedoch in einem separaten Raum zu finden; ohne Heizung und mit einer langen Kette als Auslöser für die Spülung. Man muss ziehen, drei Sekunden abzählen und dann loslassen, erklärte mir Truus. Ich bin zu jung, um den Namen dieser Konstruktion zu wissen. Einfachverglasung wie sie im gesamten Haus vorzufinden war, kannte ich zuvor auch nur aus Erzählungen. Eine liebevoll verzierte Haustüre mit einer per Gestänge betätigten 'echten Klingel' , die knarzende Holztreppe und ein Wohnzimmer wie aus einem Edgar Wallace-Film verliehen dem Anwesen dennoch einen gewissen Charme. Das Zimmer wurde bezogen, ein paar Socken und die Wollmütze zusätzlich für die Nacht bereit gelegt. Ab ging es 200 Meter zu Fuss zu Ten Kate.
Apropos ten Kate: Man kennt sich in Nieuwleusen. Ben und Truus haben schon manches Fest mit ihren Nachbarn gefeiert. Neben der Werkstatt produziert ein anderer ten Kate-Sprössling High-Tech-Mobilheime. Ach ja, ich bin ja in Holland.
Das Fest war vorbildlich organisiert. Security am Eingang sorgten für einen reibungslosen Check-In. Zum Glück hatte ich meine Reservierungsbestätigung dabei, sonst wäre meine Tarnung aufgeflogen. Zuerst prüfte ich die Situation hinter dem Tresen: Vier Zapfstellen für Heineken-Bier und bestimmt zehn Helfer sollten den Ansturm des dürstenden Volkes in den Griff bekommen. Ich war beruhigt, ich war ja nicht wirklich zum Arbeiten hier. Die Werkstatt war blitzblank auf- und ausgeräumt, eine Loge für VIPs, Bühne für die Band, Beleuchtung, Garderobe... alles prima.
Nach einer Anmoderation von Diederick de Vries ging es endlich los. Ein mir Unbekannter trällerte einen Lobgesang über Michael van der Mark ins Mikro. Gar nicht mal schlecht der Song, kam auch beim Publikum gut an. Später übernahm die Band TOF und sorgte für ansprechende Unterhaltung. Die Pogo-Einlage machte ich nicht mit und suchte mir wahllos einen der vielen Stehtisch aus und lernte dabei Kees und seine Frau kennen. Der Typ kam mir seltsam bekannt vor. Wie sich herausstellte, war es der Onkel vom Supersport-Weltmeister. Kees strotzte vor stolz, auch wegen dem Unbekannter zu Beginn der Party, das war sein Sohn. Und ich musste feststellen, auch auf seine Tochter kann er stolz sein – aber mit ihren Argumenten muss er sicher gut auf sie aufpassen.
Apropos stolz: Ich konnte nicht alle Besucher sprechen, es waren sicher 2000, aber bei jedem, mit denen ich reden konnte, spürte ich den stolz, 40 Jahre nach Henk van Kessel mit Michael van der Mark wieder einen Weltmeister aus den eigenen Reihen zu haben. Und dem 22-Jährigen werden auch in der Superbike-WM grosse Taten zugetraut. Es ist zu hoffen, dass der Bursche dann immer noch so volksnah, sympathisch und zugänglich wie heute ist. Er nimmt sich auch an diesem Abend für jeden Zeit und bleibt immer freundlich.
Zu fortgeschrittener Stunde wurde es fröhlicher, mancher Niederländer anstrengender. Ein anderer Tisch. Der Typ neben mir kippte sich neben Heineken ein paar Shooters rein und wankte bedenklich. Eigentlich sei er LKW-Fahrer, meinte er lallend, aber den Führerschein musste er abgeben. Warum? Nur etwas zu viel getrunken, meinte er. Wirklich? Die Frage war nur rhetorisch gemeint. Egal, er spendierte mir zwei Bier, obwohl ich dankend ablehnte. Dann gab er mir zu verstehen, dass ich jetzt an der Reihe sei. Er deutete auf sich und seine zehn Kumpels am Nachbartisch. Da waren auch noch vier Mädels, die ebenfalls ordentlich Durst hätten. Tischwechsel...
Pata-Boss Remo Gobbi brachte aus Italien einige Party-Bomben Knabberkram mit, gegen halb zwölf verabschiedete er sich unter Applaus. Ich hielt länger durch. Um 1 Uhr endete die Musik und die Weltmeister-Party war für alle Beteiligten geschafft. Geschafft wirkte auch Kees, den ich am nächsten Morgen überraschend beim Frühstück wieder traf. Seine leicht verquollenen Augen verrieten, dass er einen netten Abend hatte. So wie ich. Nach einer Stärkung mit frisch gepressten Orangensaft und leckerem Käse (laut Truus nicht der billige für den Export nach Deutschland) ging es zurück in die Heimat. Zumindest das Bier ist dort besser.