Max Biaggi als Teamchef: Was an der Story dran ist
Mit nunmehr 44 Jahren noch Weltklasse, das sind nur wenige Ausnahmeathleten. Max Biaggi, ein sechsfacher Weltmeister, ist ein solcher, wie er mit seinen beiden sechsten Plätzen in Misano bewiesen hat. Im zweiten Rennen verlor er nicht einmal 6 sec auf Sieger Jonathan Rea (Kawasaki) und fuhr mit seiner RSV4 RF auf Augenhöhe mit den Aprilia-Werksassen Leon Haslam und Jordi Torres.
Ende 2012 war der Römer nach seinem zweiten Superbike-Titel zurückgetreten, jetzt juckt es ihn wieder. Nach Misano wird Biaggi auch Anfang August die Rennen in Sepang bestreiten. SPEEDWEEK.com erklärte er seine Beweggründe im Exklusiv-Interview.
Wenn man als Fahrer fit bleibt und keine Rennen mehr fährt, fällt einem das schwer?
Ein Stück weit ja. Fit zu bleiben fordert Opfer. Wenn ein Sportler aufhört, dann hört auf zu trainieren. Tut er das nicht, macht er weiter. Ich habe weiter trainiert, weil es mir Freude macht, wegen sonst nichts. Ich wollte körperlich und geistig fit bleiben, ich will keine 20 Kilogramm zunehmen.
Eine Zutat, um ein guter Rennfahrer zu sein, ist fit zu sein. Man muss aber auch schnell sein, die Automatismen auf dem Bike müssen intakt sein. Diese zu erhalten ist nicht so einfach. Ich habe vor zweieinhalb Jahren aufgehört. Während eines Rennwochenendes treten Schwierigkeiten auf, die sich nicht einüben lassen.
Hast du Aufmerksamkeit vermisst, die du als Rennfahrer bekommst?
Aufmerksamkeit ist gleichbedeutend mit Druck. Es kommt auf die Betrachtungsweise an. Das Rennen in Misano ist in Italien, ich bin Italiener, dort werde ich leicht in Beschlag genommen. Ich habe aber genügend Erfahrung, um damit klarzukommen. Man kann aber nicht lernen, wie man mit jeder einzelnen Situation klarkommt. Die letzten drei Jahre habe ich vergessen, wie stressig dieser Job ist. Meine Landsleute üben enormen Druck auf mich aus. Dieser Job ist okay – aber nur für eine Woche.
Reden wir über Erfolg: Wie viel geht auf die körperliche Verfassung eines Rennfahrers zurück, wie viel auf den Kopf?
Körper und Kopf hängen zusammen. Wenn du trainierst, wenn du über dein Limit gehst, dann gibt dir der Kopf die Stärke dafür. Nicht die Muskeln sorgen für Wunder, sondern der Kopf. Der Kopf befehligt den Rest des Körpers.
Gibt es etwas im Leben, das die Gefühle ersetzen kann, die ein Rennfahrer erlebt?
Als ich zurück auf das Motorrad stieg, war das sehr emotional. Als Rennfahrer steht man im Mittelpunkt. Zuerst in deinem Team, die sechs oder acht Leute um dich herum erwarten, dass du gute Leistungen bringst. Wenn du Weltmeister bist, bekommst du auch von der Öffentlichkeit Aufmerksamkeit. Das war aber nicht der Beweggrund für meine Rückkehr. Dabei ging es mehr um eine Wette mit mir selbst.
Hast du das Misano-Wochenende genossen oder hat es dir lediglich Befriedigung verschafft?
Der Freitag war super-emotional, das war DER Tag. Am Samstag musste ich mehr ans Limit gehen, im Qualifying musste ich alles geben, das war schwieriger und stressiger. Die Rennen am Sonntag sind ein weiterer Schritt in diese Richtung.
Für das zweite Rennen machte ich mir Sorgen wegen meiner körperlichen Verfassung. Zwischen den Läufen ist nur eine Stunde Pause, das hatte ich vergessen. Früher waren es mal drei Stunden. Ich musste mir überlegen, wann ich etwas essen kann. Ich besorgte mir dann einige Power-Riegel von einem Freund, der Radrennen fährt – ich hatte genügend Energie.
Kannst du dir vorstellen, Teamchef oder Teammanager zu werden? Italienische Medien spekulieren regelmäßig in diese Richtung.
Selber ein Team zu besitzen kann ich mir kaum vorstellen. Das Misano-Wochenende war phantastisch – als Fahrer. Ich hatte einen Grund, um von meinem Haus zur Rennstrecke zu fahren. Als Journalist, Sponsor oder Teamchef reist du das ganze Jahr, das Wochenende ist sooo lang. Nach den zwei Rennen hatte ich als Fahrer mehr Energie als zuvor. Die letzten zwei Jahre habe ich einen anderen Job gemacht für Mediaset, das ist sehr hart. Das Adrenalin ist nicht dasselbe.