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Wegen Schulden: AMG will MV-Agusta-Boss entmachten

Kolumne von Ivo Schützbach
Um die Zukunft der Traditionsmarke MV Agusta wird gerungen. Firmenchef Giovanni Castiglioni und Teilhaber Mercedes-AMG haben grundsätzlich unterschiedliche Vorstellungen.

Seit Dezember 2015 werden im MV-Agusta-Werk in Varese kaum noch Motorräder produziert. Weil es an Kapital fehlt und mehrere Zulieferfirmen über unbezahlte Rechnungen klagen, wurden seither wegen Ersatzteilmängeln nur noch bereits in der Pipeline befindliche Motorräder fertiggestellt, ist bei MV Agusta zu hören. Es sollen im Dezember 200, im Januar 300 und im Februar 200 Stück gewesen sein.

Schon das Jahr 2015 verlief für MV Agusta geschäftlich wenig erfolgreich. Nach eigenen Angaben wurden 9000 Motorräder verkauft, in Wirklichkeit dürften es um die 8500 Exemplare gewesen sein.

Am 31. Oktober 2014 gab Autohersteller Mercedes-AMG die Übernahme von 25 Prozent von MV Agusta bekannt. Diese Entscheidung haben Firmenchef Giovanni Castiglioni und AMG seither wohl mehrfach bereut.

Castiglioni will seine Firma weiter wie ein Alleinherrscher führen. Er umgibt sich gerne mit Ja-Sagern. Bei Mitarbeitern, Händlern und Geschäftspartnern ist zu hören, dass sich Castiglioni wenig für das Motorrad-Business interessiere, dass er zu selten in der Firma sei und nicht zu allen wichtigen Meetings erscheine. Ihm fehle die Motorradbegeisterung seines leidenschaftlichen Vaters Claudio, wird ihm vorgeworfen.

Vom Expansionskurs des deutschen Partners ist der italienische Lebemann nicht begeistert. Einige Manager unterstellen ihm sogar, er habe deswegen kalte Füße bekommen.

Die vom Mehrheitsaktionär Castiglioni gewünschte Neuausrichtung der Firma mit einem geringeren Wachstum führte dazu, dass in vielen Bereichen große Einsparungen vorgenommen wurden. Im Rahmen dieser Einsparungen wurde der Personalstand am Firmensitz in Varese reduziert; die meisten Country-Manager mussten das Unternehmen verlassen, darunter auch der deutsche.

Das Management bei AMG weiß, dass MV Agusta bei einem Absatz von weniger als 10.000 Motorrädern pro Jahr nicht lebensfähig ist, weil die Investitionen für diese Größenordnung zu beträchtlich sind. Das von AMG im Oktober 2014 in die Firma gebrachte frische Kapital wurde dem Vernehmen nach überwiegend zur Schuldentilgung verwendet. Zulieferfirmen klagten schon damals über die Zahlungsmoral des Traditionsunternehmens, welches 1945 gegründet wurde.

Heute werden Verbindlichkeiten von 40 bis 80 Millionen Euro kolportiert. In Deutschland ist zu hören, Mercedes-AMG habe Castiglioni symbolisch einen Euro als Kaufpreis für die restlichen 75 Prozent der Firmenanteile angeboten. Ein Prozent Geschäftsanteil pro eine Million Schulden erscheint für Experten realistisch. Bei diesem geschäftlichen Szenario müsste Castiglioni die Firma verlassen. Sein Abgang würde mit einem zweistelligen Millionenbetrag entschädigt, ist zu hören.

Gekränkt soll Castiglioni Mercedes-AMG angeboten haben, deren 25 Prozent zurückzukaufen. Dann hätte er aber für den 15-Millionen-Euro-Kredit bei der Banca Popolare di Milano geradestehen müssen. Da er dieses Risiko nicht eingehen will, sucht Castiglioni – bislang erfolglos – nach weiteren Investoren.

Rennteam nicht betroffen

Das Rennteam Reparto Corse in der Superbike- und Supersport-WM ist von diesen Widrigkeiten nicht betroffen, da es als eigenständige Tochterfirma komplett ausgelagert wurde und sein Steuerdomizil in der Schweiz hat. Dieses Geschäftskonstrukt ist weit verbreitet, um Geld aus Italien in die Schweiz transferieren zu können.

2015 hat Reparto Corse vier Millionen Euro verschlungen, was für viele Mitarbeitende bei MV Agusta nicht mit dem propagierten Spargedanken zusammenpasst. Heute ist im Paddock zu hören, dass sich das Team finanziell von Rennen zu Rennen rettet, auch von offenen Gehältern ist die Rede. Ein Augenzeuge berichtet sogar, das Team habe mehr als 30 Motorräder von MV Agusta erhalten, um diese zu verkaufen und so die Teamkasse aufzubessern. Beweise für so ein nicht gerade alltägliches Gebaren liegen nicht vor.

Inwiefern die Kooperation zwischen MV Agusta und Forward Racing dem Team hilft, lässt sich schwer beurteilen. Zwar arbeiten dieses Jahr einige ehemalige Forward-Leute für Reparto Corse, das erhoffte MotoGP-Know-how haben sie aber nicht mitgebracht.

Der Traum eines Zwei-Mann-Werksteams in der Superbike-WM ist jedenfalls geplatzt. Im vergangenen Herbst versuchten Castiglioni und Forward-Boss Giovanni Cuzari Marco Melandri als zweiten Fahrer neben Leon Camier zu etablieren. Der Einsatz einer zweiten F4RR hätte 400.000 Euro gekostet und Melandri hätte gratis fahren müssen.

Wie wir heute wissen, war dies ebenso ein Hirngespinst wie das Gerede von einem Start in der MotoGP-WM 2017 oder 2018 und die Lieferung der Moto2-Einheitsmotoren in der Weltmeisterschaft ab 2019.

MV Agusta hat in den GP-Klassen 125, 250, 350 und 500 ccm nicht weniger als 38 Fahrer- und 37 Konstrukteurs-WM-Titel gewonnen.

In der Supersport-WM gehören sie seit dem ersten Podestplatz von Roberto Rolfo am 26. Mai 2013 in Donington Park zu den Stammgästen auf dem Podium.

Von 2005 bis 2009 wurden im Superstock-1000-Cup 4 Siege, 13 Podestplätze, 7 Pole-Positions und sechs schnellste Rennrunden eingefahren.

In der Superbike-WM blieb MV Agusta 2004 und 2005 punktelos. Der Österreicher Christian Zaiser holte 2007 für MV mit Platz 15 in Misano den ersten Punkt in der Superbike-WM. Leon Camier sorgte am 16. April 2016 mit Rang 4 in Assen für das bis heute beste Ergebnis.

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