Machtkampf bei MV Agusta: Kündigung für Quadranti
Es war eine Rettung in letzter Minute, zu Beginn des Jahres 2016. MV Agusta, wieder einmal in finanzielle Schräglage geraten, wollte sein Werksteam in der Superbike- und Supersport-WM zusperren. Als Retter in der Not wurde Giovanni Cuzari präsentiert, der sich mit seinem in der MotoGP-WM gescheiterten Team Forward Racing um MV Agusta kümmern sollte. Doch Cuzari baute nur Luftschlösser, es war der seit 2015 als Teammanager agierende Tessiner Andrea Quadranti, der das Team rettete.
Nach der Saison 2018 sperrte Quadranti das Superbike-Team zu, weil MV Agusta die Produktion der F4 einstellte. Außerdem entdeckte damals die englisch-russische Investorengruppe Black Ocean, welche die Nobelmarke aus Varese vor der Insolvenz gerettet hat, auf Empfehlung von Cuzari die Moto2-WM als Werbeplattform, obwohl dort mit Einheitsmotoren von Triumph gefahren wird. Seither konzentriert sich Quadranti auf die Supersport-WM.
Von Anfang an gab es erbitterte Rivalität zwischen Cuzari und Quadranti, die mit ihren Teams beide unter «MV Agusta Reparto Corse» firmieren. Der eine im MotoGP-, der andere im SBK-Paddock. Jetzt eskalierte die Situation und MV Agusta kündigte den Vertrag mit Quadranti zum Saisonende.
Der Schweizer wird sich das nicht bieten lassen und rechtlich dagegen vorgehen. Dem Vernehmen nach werden in der Kündigung fadenscheinige Gründe genannt, unter anderen, dass MV Agusta Reparto Corse für die Rennen zu Saisonbeginn in Australien disqualifiziert wurde. Das Team hatte verbotenerweise die Verplombungen an den Motoren von Randy Krummenacher, Raffaele De Rosa und Federico Fuligni entfernt, die serienmäßigen Nockenwellen getauscht und dafür die Strafe kassiert.
Cuzari nützte die Situation, um bei MV Agusta Stimmung gegen Quadranti zu machen. Ihm kam die Trennung von Supersport-Weltmeister Krummenacher gerade Recht, die MV Agusta einige schlechte PR einbrachte. Cuzari schwebt schon länger vor, dass er als Einziger ein Team MV Agusta Reparto Corse an den Start bringen darf. Die offensichtliche Absicht des Italieners: Quadranti aus dem Geschäft drängen.
Cuzari eilt ein zweifelhafter Ruf voraus. Er wurde nach dem Sachsenring-GP 2015 für rund vier Wochen im Tessin in Untersuchungshaft gesteckt. Die Vorwürfe wogen schwer: Verdacht auf Bestechung, Steuerbetrug, Steuerhinterziehung und Geldwäsche.
Anfang Oktober 2017 wurde er vom «Tribunale di Milano» in erster Instanz zu zwei Jahren Gefängnis auf Bewährung verurteilt. Cuzari ging in Berufung, diese wurde am 19. Februar 2019 abgelehnt, womit die Verurteilung rechtskräftig ist. Der 53-Jährige musste damals außerdem die Verfahrenskosten tragen sowie eine Strafe von 4000 Euro bezahlen.
Auch die Schweizer Finanzbehörden ermittelten. Cuzaris Firma Media Action S.l.r. wurde vorgeworfen, über ihren steuergünstigen Firmensitz in Agno/Schweiz auch zwielichtige Sponsorship-Deals für andere Motorrad-GP-Teams abgewickelt zu haben. Insgesamt sollen mit Hilfe eines undurchsichtigen Systems zirka drei Millionen Euro an Steuern hinterzogen worden sein. Diese Vorwürfe wurden nie bewiesen, es gilt die Unschuldsvermutung.
Angesichts dieser Vorgeschichte mutet es ironisch an, dass Simone Corsi und Stefano Manzi im Misano-GP am vergangenen Wochenende auf ihren Moto2-Maschinen groß für die italienische Polizei warben und dies in einem Press-Release episch ausgeschlachtet wurde.