HP Koepchen: Wo Stuck und Heyer das Siegen lernten
HPK, so lautete das Kürzel von Hans-Peter Koepchen, war der ideale Teamchef für junge Talente. Technisch und strategisch top-fit, hatte er die Gabe, jenes wertvolle Wissen zu vermitteln, das er sich als gefürchteter Abarth- und BMW-Tourenwagenpilot über Jahre selbst angeeignet hatte. Überdies etablierte er sich auch noch als höchst erfolgreicher BMW-Motoren-Tuner im rheinischen Willich.
Genau die richtige Adresse für unsere Buben, werden sich die Väter von Hans Joachim Stuck (19) und Hans Heyer (27) um 1970 gesagt haben. So wurden die beiden bei Koepchen-BMW Teamkollegen und eilten alsbald von Sieg zu Sieg. Stuck holte sich Rüstzeug und Routine für seine spätere BMW-Profilaufbahn ebenso hier wie Kart-Europameister Heyer für seine weitere Karriere bei Ford.
Führerschein und Lizenz des jungen Stuck waren noch druckfrisch, da gab der Lange auf der Nordschleife schon gnadenlos Vollgas. Fans berichteten begeistert von furchterregenden Sprüngen und wilden Drifts, wie man sie in dieser Form auf der Nordschleife nur selten gesehen hat.
Die Euphorie steigerte sich noch, als an gleicher Stelle Stucks waghalsige Darbietungen gleich 24 Stunden lang zu bestaunen waren. Im Koepchen-BMW 2002 gewann er 1970 zusammen mit Clemens Schickentanz die erste Auflage des heute so berühmten Ring-Klassikers. «Und das», so erinnert sich Koepchens Chef-Schrauber Werner Frowein grinsend, «obwohl der Clemens ständig ins Auto gekotzt hat.»
Jener Frowein übrigens, der später zum technischen Kopf der innovativen Audi-Tochter «quattro GmbH» in Neckarsulm berufen wurde.
Sein spektakulärer Fahrstil machte Stuck überall zum Publikumsliebling. Was er mit dem BMW aufführte, war gigantisch. Nach dem Motto: quer, querer, am quersten. Obendrein wurde viel gelacht, weil Strietzel ständig neuen Unfug ausheckte.
Nur Helmut Kelleners, ebenso routinierter wie ernsthafter Stammpilot mit älteren Rechten in Koepchens Stall, zeigte sich leicht pikiert. Aber das ist wohl so, wenn einer neu ins Team kommt, gleich allen davonfährt und obendrein auch noch Leichtigkeit, gute Laune und Blödsinn im Gepäck hat.
Als Hans Heyer 1970 aus dem Kartsport als Auto-Frischling in die Riege der Rundstrecken-Routiniers wechselte und am Steuer eines Koepchen-Kunden-BMW sein Debüt in Zolder gab, kam es gleich zu geheimnisvollen Geschehen um den Mann mit dem Tirolerhut und seinem Auto.
Weil die zwei Koepchen-Mechaniker nun gleich fünf BMW 2002 (Stuck, Kelleners, Struckmann, Heyer und der Autor dieser Geschichte) zu betreuen hatten, kam bei den Stammpiloten Unruhe auf.
Doch der Teamchef beruhigte die Gemüter mit dem Hinweis, dass «der Heyer nur einen älteren Reservemotor von uns hat, noch viel lernen muss und außerdem nach dem Training ja auch noch ganz hinten steht».
Offenbar hatte Heyer aber über Nacht schneller gelernt, als so manchen lieb sein konnte. Denn nach dem Training verschwanden Heyers Zugwagen, Anhänger und BMW in die technisch bestens ausgestatteten Gemächer seines Straßenbau-Unternehmens in Wegberg bei Mönchengladbach
Die Zeit von Samstag auf Sonntag bis zum Start des Rennens hatte der technisch pfiffige Neuling genutzt, um das Auto kurzerhand einer «großen Inspektion» zu unterziehen. Koepchen wusste nicht so recht, was er zur Eigen-Initiative seines Gaststarters sagen sollte. Und als der dann auch noch wie entfesselt von ganz hinten durchs Feld stürmte, machte sich allgemeines Erstaunen breit.
Nach wenigen Runden tauchte der Neue schon im Spitzenpulk auf, kassierte einen nach dem anderen und im Finish auch noch Stuck. Der Debütant siegte auf Anhieb in seinem ersten Versuch und ließ ratlose Teamkollegen zurück.
Während Heyer bei der Siegerehrung frech grinste, zog Vater Stuck Teamchef Koepchen empört zur Seite: «Das war aber so nicht besprochen, mein Sohn ist doch die Nummer 1.»
Daraufhin machte sich HPK mit Stuck sen. im Schlepptau auf zu Heyer und verpasste ihm einen lautstarken Anschiss, der sich etwa so anhörte: «Wie kannst du es wagen, den Stuck als unseren Teamleader zu überholen!»
Als danach allerdings die Luft wieder rein war, hörte sich das schon ganz anders an. «Gut gemacht, Hans», lobte Koepchen feixend, «wenn du willst, kannst du bei uns gerne weiterfahren.»
So gehörte auch Heyer schon nach seinem ersten Autorennen zum festen Stammfahrer-Personal bei Koepchen. Damit konnte das Team neben Stuck, Kelleners und Struckmann auf noch einen Siegfahrer in einem der weiß-blau lackierten BMW zurückgreifen.
Im weiteren Verlauf erlernte der junge, trickreiche Hans Heyer, der am 16. März 82 Jahre alt wurde, schnell auch noch den letzten Rest jener Schlitzohrigkeit, die ihn in den nächsten 20 Jahren seiner Profi-Karriere begleiten sollte. Und wie bei Stuck, der kommenden Januar 75 wird, begann auch für Heyer mit dem Koepchen-Engagement eine der großen deutschen Erfolgsgeschichten im Automobil-Rennsport.
Übrigens – auf die Frage, wie denn beim ersten Rennen in Zolder der im Training so lahme BMW 2002 von Samstag auf Sonntag auf wundersame Weise um so viel schneller wurde, verwies er immer nur unverdrossen auf die «große Inspektion». Was in den Heyer-Hallen damals über Nacht wirklich geschah, bleibt bis heute sein gut gehütetes Geheimnis.
Trotz aller Erfolge und Siege war das BMW-Team von Hans-Peter Koepchen wirtschaftlich mal mehr, mal weniger verwundbar. Für die Prestigeduelle mit den Dauerrivalen Schnitzer und Alpina stand nur ein vergleichsweise bescheidener Etat zur Verfügung. Erlöse aus dem Tuningbetrieb stopften zwar so manches Finanzloch des Rennteams, aber die fiskalische Lage blieb immer angespannt.
So konnte sich das Team neben zwei Motoren-Leuten (einer war Enrico Lotterer, Vater des späteren Rennprofis André Lotterer, der andere Werner Frowein) nur zwei Motoren-Ingenieure für die bis zu fünf Autos leisten. HPK war zwar strategisch und technisch ein Genie, aber dafür haperte es bei ihm im kaufmännischen Bereich.
Irgendwann begann sich dann auch der langsame Niedergang abzuzeichnen. Zuerst zerfiel der Rennstall, dann musste auch der Tuning-Betrieb aufgegeben werden. Das Ende des großen, genialen Teamchefs Hans-Peter Koepchen war grausam und erschütterte die PS-Branche damals zutiefst.
Nahezu mittellos, ertränkte er seinen Kummer immer öfter im Alkohol. Ein Engagement bei Toyota Deutschland brachte nur kurzzeitig eine Verbesserung der Lage. Zwar versuchte vor allem Hans Heyer unermüdlich, seinem alten Teamchef und frühen mit Geld und Zuwendung zu helfen. Doch der Absturz des nun auch gesundheitlich schwer angeschlagenen Hans Peter Koepchen war trotz aller Bemühungen seiner Freunde nicht mehr aufzuhalten.
Seine letzten Jahre verbrachte der einstmals so erfolgreiche Teamchef als schwerkrank in einem Pflegeheim am Rande des Eifelstädtchens Blankenheim. Dort ist er Ende Oktober 1999 kurz nach seinem 60. Geburtstag einsam und verarmt verstorben. Was für ein trauriges Ende einer einstmals großen Erfolgsgeschichte.