Dieter Quester: Fahren nach Buch bringt nur Fluch
Es war 1987, als mich Fritz Fruth, unser Pressemann von BMW Austria, in sein Salzburger Büro einlud. Ich sollte dort, noch vor dem Tourenwagen-Rennen auf dem damaligen Österreich-Ring, den legendären Dieter Quester kennenlernen.
Wir kamen schnell ins Gespräch, ich erinnerte mich noch dunkel an seine Formel-2-Zeit. Damals hatte ich, als Schüler per Autostopp angereist, mit gierigen Augen am Zaun des Fahrerlagers in Hockenheim stehend, seine Kämpfe im Motodrom mit François Cevert, Clay Regazzoni und Vittorio Brambilla verfolgt.
Auf meine Frage an den Wiener, wie er denn zu BMW gekommen sei, begann Dieter vielsagend zu schmunzeln. «Eigentlich war es aus Liebe zu einer jungen Dame, die ich per Zufall in Velden am Wörthersee kennen gelernt hatte – Juliane von Falkenhausen. Ihr Vater, ein nobler Freiherr, war Leiter des BMW-Motorenversuchs und Chef der Rennabteilung, hatte selbst erfolgreich Motorsport betrieben. Ich versuchte alles, um diese Juliane zu treffen, und schon bald ging ich bei ihren Eltern in München ein und aus.»
Natürlich hatte Alexander von Falkenhausen die Renn-Ambitionen des jungen Österreichs schnell erkannt, Quester war damals frisch gebackener Eigentümer eines neuen BMW 1800 TISA, ein ehemaliges Werksauto mit 160 PS. Privat fuhr er damit erste Rennen in seiner Heimat, denn der Sohn des damals größten Baustoffhandels in der Alpenrepublik hatte mit der Arbeit im elterlichen Betrieb nichts am Hut, wie sein Vater immer betonte: «Der Dieter kommt nur zum Tanken und zum Telefonieren in die Firma.»
Quester wollte aber Werkspilot bei BMW werden, wie sein großes Idol Hubert Hahne. Schließlich stimmte sein Schwiegervater, Dieter hatte Juliane mittlerweile zum Traualtar geführt, diesem Traumziel zu. Allerdings mit der Vorgabe, dass der Nachwuchsfahrer auf dem Nürburgring mit einem Trainings-Auto dort verschiedene Stabilisatoren und Stoßdämpfer testen sollte.
Also fuhr Quester los, neben sich auf dem Beifahrersitz einen Mechaniker aus dem Werk, im Kofferraum besagte Ersatzteile, die Nordschleife war exklusiv gemietet. Alles war vorbereitet, Dieter selbst aber nur unzureichend.
«Ich war noch nie dort gefahren, hatte aber gute Streckenkenntnis vorgegaukelt, kannte den Ring nur aus einem Buch, das ich mir zuvor gekauft hatte. Doch im Überschwang der Gefühle, erstmals in einem Werksauto zu sitzen und meiner Angebeteten imponieren zu können, fuhr ich wie ein Verrückter los, ohne den Verlauf der Piste zu kennen. Zum Glück hatte ich den Mechaniker an den Boxen zurück gelassen, denn schon die erste Runde war auch die letzte – kurz vor dem bekannten Brünnchen war ich in einer Linkskurve viel zu schnell, flog von der Piste. Dabei wickelte ich mein Auto komplett in den Drahtzaun neben der Strecke, kam im Hochwald endlich zum Stehen.»
Nicht nur sein Traum war geplatzt, auch sein Mut war dahin. Und so bat er den Mechaniker, mit Alexander von Falkenhausen in München zu telefonieren. Während sein Schwiegervater versuchte, Details über das Verhalten der neuen Teile zu erfahren, musste der Kollege kleinlaut gestehen, das schöne Auto sei hin, Quester aber zum Glück unverletzt.
Sie ließen den Schrott bergen und fuhren per Bahn zurück nach München, erstmal gab’s natürlich keinen Werksvertrag. Dieter aber gab nicht auf: Er startete wieder mit seinem privaten BMW, wurde immerhin Österreichischer Staatsmeister und gewann sogar den BMW-Sportpokal.
Jetzt, 1967, war der Weg endlich frei für den Vertrag als BMW-Werksfahrer neben Hubert Hahne. Doch auch bei seinem ersten Rennen für die Münchner Firma, mit dem so genannten Monti-Berg-Spyder und dem damals revolutionären 16-Ventil-Apfelbeck-Motor, war Dieter nicht vom Glück verfolgt: Schon in der ersten Kurve des Alpl-Bergrennens stand ihm ein Mast im Weg.