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Unvergessen: BMW-Ass Hubert Hahne wäre jetzt 90

Kolumne von Rainer Braun
​Am 28. März wäre jener Mann 90 geworden, der 1966 am Ring als erster die 10 Minuten-Schallmauer für Tourenwagen geknackt hat – BMW-Werksfahrer Hubert Hahne.

Mit einer einzigen Rennrunde hat sich Hubert Hahne, damals 31, am Nürburgring ein Denkmal gesetzt. Noch heute erinnern sich alte Jahrgänge eingefleischter Nordschleifen-Fans an jenes denkwürdige erste August-Wochenende, als die imaginäre Zehn-Minuten-Schallmauer für Tourenwagen fiel.

An die 100.000 Zuschauer waren am 7. August 1966 im Rahmenprogramm des deutschen Formel 1-Grand Prix Augen- und Ohrenzeugen, als der BMW-Werksfahrer im Rennen der Tourenwagen am Steuer eines knapp 190 PS starken 2000 TI seine schnellste Runde in 9:58,6 Minuten auf die Piste knallte. Ein Schnitt von 137,2 km/h. Ich habe dieses geschichtsträchtige Ereignis seinerzeit als Streckensprecher verkündet – es gab spontanen Applaus im vollbesetzten Start-Ziel-Bereich.

Dutzende Weltklassepiloten im Tourenwagen waren zuvor mit ihren Versuchen gescheitert, diese Bastion zu knacken. Hubert Hahne und BMW hatten am Abend und am Tag danach in Radio, Fernsehen und überregionalen Zeitungen teilweise fettere Headlines als Formel 1-Sieger Jim Clark. Mit dieser Glanzleistung untermauerte Hahne auch seine Position als einer der weltbesten Tourenwagen-Piloten der Sechziger-Jahre.

Hahne gewann nahezu alles, was es zu gewinnen gab. Rundstreckenmeister hierzulande, Europameister, Sieger bei Langstrecken-Klassikern wie 1966 den 24 Stunden von Spa mit Jacky Ickx als Partner. Hubert Hahne und BMW – das war eine einzige Erfolgsgeschichte.

Seine Markenzeichen: Abenteuerlichste Driftwinkel, gnadenlose Duelle und historische Siege. Auftritte wie ein Filmstar, Lächeln auf Kommando und eine gute Portion Stargehabe. Der «schöne Hubert», wie ihn seine Rennfahrer-Kollegen gerne nannten, kannte sich auch im Showgeschäft bestens aus.

Seine Rennfahrer-Karriere begann 1960 zunächst im NSU-Prinz. Rasch folgte sodann ein BMW 700, mit dem sich der junge Rennfahrer, damals immerhin schon 27, einem gigantischen Startfeld von bis zu 40 baugleichen 700er-BMW-Renntourenwagen konfrontiert sah. Sich hier zu behaupten, war schon eine Mammutaufgabe.

Mit guten Resultaten rückte Hahne alsbald zügig ins BMW-Werksteam vor. Und ab da gab’s kein Halten mehr – mit den silbergrauen Renn-Limousinen vom Typ 1800 TI, 1800 TISA und 2000 TI startete Hahne zur Eroberung der Tourenwagenwelt.

Schon 1964 gewann er die Deutsche Rundstrecken-Meisterschaft mit 14 von 16 möglichen Siegen. Zwei Jahre später holte er sich auch die Tourenwagen-EM.

Einziger Knick in dieser grandiosen Zeit war ein übler BMW-Testunfall im Tourenwagen auf der Nürburgring-Südschleife, bei dem er sich schwere Wirbelsäulenverletzungen zuzog und sogar vorrübergehend um die Fortsetzung seiner Karriere bangen musste.

Schon früh war den verantwortlichen Männern der BMW-Rennabteilung unter Sportchef Alex von Falkenhausen klar geworden, dass sie mit Hubert Hahne ein Juwel an Bord hatten. Wie kaum einem anderem gelang es dem Rheinländer, die BMW-Renntourenwagen in einer genialen Mischung aus Effizienz und Show am Limit zu bewegen – mit abenteuerlichen Driftwinkeln ohne jeden Zeitverlust.

Damals, als es statt Slicks nur profilierte Sport-Gürtelreifen gab, galt Querfahren tatsächlich noch als schnell. Nur können musste man es eben, und Hubert konnte es wahrlich perfekt. Er hatte eine unglaubliche Fahrzeugbeherrschung, setzte sich dabei auch in furchterregenden Nahkämpfen gegen hartleibige Dauergegner wie Sir John Whitmore und Jacky Ickx im Lotus-Cortina oder eigene Teamkollegen wie Dieter Quester durch.

Parallel zu den Tourenwagenstarts setzte BMW ihn ab 1967 auch im hauseigenen Formel 2-Programm ein – ein ebenso mutiger wie ungewöhnlicher Schritt. Denn in der Regel finden eingefleischte Tourenwagen-Piloten kaum den Weg in den Formelsport, dafür aber steigen erfolgreiche Formelfahrer irgendwann für fette Gagen in einen Renn-Tourenwagen.

Aber selbst hier stand Hahne auf Anhieb seinen Mann, schließlich musste er sich nicht nur gegen die renommierte Konkurrenz von Lotus, Matra oder Brabham durchsetzen, sondern auch gegen Superstars wie Stewart, Rindt, Bell, Pescarolo, Ahrens, Hill, Beltoise & Co. Und gegen seine eigenen Teamkollegen (wie Ickx, Mitter und Siffert) sowieso. Um diese Zeit war ein Formel 2-Startfeld von der Fahrerbesetzung her mit einem Grand Prix gleichzusetzen.

Trotz vieler Probleme mit dem BMW F2 gelang Hahne 1969 der Gewinn der Vize-EM. Aber die immer wiederkehrenden technisch bedingten Ausfälle nahmen ihm mehr und mehr den Spaß an der Rennerei.

Auch der Tod seines BMW F2-Teamkollegen Gerhard Mitter im Jahr zuvor hatte schon erste Rückzugs-Gedanken aufkommen lassen. Dazu kam 1970 auch noch der völlig missglückte Formel 1-Deal mit March, der Anwälte und Gerichte beider Seiten für längere Zeit beschäftigte.

Als beim Formel 2-EM-Lauf in Enna 1970 wieder mal sein Motor hochging, stieg Hahne frustriert aus und beendete seine eher kurze Karriere (1960–1970) an Ort und Stelle. Wenig später entschied auch BMW, das F2-Werksengagement zum Saisonende einzustellen.

Nach seiner aktiven Rennfahrer-Laufbahn machte sich Hubert Hahne zunächst als Automobil-Kaufmann, später mit einem Büro für Marketing und Öffentlichkeitsarbeit selbstständig. Seinen Wohnsitz verlegte er zeitweise von Düsseldorf nach Italien. Von dort aus betätigte er sich zwischendurch auch als Autotester. Auch dem neuen Nürburgring, jenem Ort seines vielleicht größten persönlichen Triumphs, stand Hahne zumindest kurzzeitig als Berater zur Seite.

Rückblickend verlief sein Lebensabschnitt nach der Rennfahrer-Karriere allerdings weniger erfolgreich, als man das hätte erwarten können. In der Branche wurde über geschäftliche Probleme und diverse Ungereimtheiten getuschelt. Seine letzten Jahre verbrachte der einstmals umjubelte Strahlemann-Rennfahrer wieder in Düsseldorf, wo er eine Lamborghini-Niederlassung mit viel Glanz und Gloria betrieb.

Knapp vier Wochen nach seinem 84. Geburtstag ist Hubert Hahne am 24. April 2019 nach längerer Krankheit gestorben. Zuletzt lebte er in einem Düsseldorfer Pflegeheim, von seinem einstigen Reichtum ist ihm außer der Erinnerung an bessere Zeiten nichts geblieben.

Aber seine Rekordrunde am Ring hat dennoch für alle Zeiten ihren Platz in den Geschichtsbüchern des Nürburgrings. Damit hat er sich sein eigenes Denkmal gesetzt.

Zu Lebzeiten der kompletten Hahne-Familie waren übrigens alle fünf Söhne mehr oder weniger aktive Motorsportler und galten damit «als die wohl größte, gleichzeitig aktive Rennfahrer-Familie der Welt» (Wilhelm Hahne, heute 92).

Bruder Bernd (72, Ferrari-Challenge) ist zwei Jahre vor Hubert gestorben, die Brüder Wilhelm (92, VLN, Langstrecke), Norbert (78, Langstrecke) und Armin (69, DRM, F2, DTM, Langstrecke) leben nach wie vor, wobei Wilhelm, nach eigenen Angaben «noch immer kerngesund», so langsam in einen geradezu biblischen Altersbereich angekommen ist.


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