24h Le Mans: Was wir vom Vortest lernen konnten
Die 2017er Ausgabe des Vortests für die 24 Stunden von Le Mans ist absolviert. Und natürlich wirft das Event alljährlich im Hinblick auf das anstehende Rennen (17./18. Juni) mehr Fragen auf, als beantwortet werden konnten. Doch gewisse Tendenzen lassen sich aus den dargebotenen Leistungen natürlich immer ablesen. So zum Beispiel betreffend der Spitze des Feldes. Dort hatten sich diesmal gleich alle drei Toyota TS050 Hybrid eingenistet. Und nicht nur das: Mit über 3,3 Sekunden bekam das Porsche LMP Team eine ordentliche Klatsche. In all den Gesprächen der Porsche Protagonisten mit SPEEDWEEK.com wurde man nicht müde, darauf hinzuweisen, dass beim Vortest selbstverständlich nicht nur auf Rundenzeiten geschaut werde, sondern man vornehmlich in Richtung des Herausfahrens eines perfekten Renn-Setups arbeite. Dennoch: Satte 3,3 Sekunden haben eine klare Aussage. Das war am Sonntagabend auch im Porsche-Lager spürbar. Die souveräne Leichtigkeit in den Augen der Crew schien etwas getrübt oder zumindest angekratzt. Außerdem: Auch Toyota hat während des Vortests nicht auf die ultimative Pace gesetzt.
Ein Beispiel hierfür ist ein Stint von Sébastien Buemi zum Beginn der Nachmittags-Session. Der Schweizer absolvierte volle 14 Runden, was einem üblichen Renn-Stint entspricht. Und nicht nur das: Sechs dieser Umläufe waren im 3:20er Niveau, einer bei 3:21, vier weitere bei 3:22/3:23, einer bei 3:25 und dann natürlich noch die In- und Out-Lap. Setzt man Porsches absolute Bestzeit von 3:21,512 Minuten hierzu ins Verhältnis, lässt sich ablesen, wer als Favorit ins Rennen gehen wird. Dazu kommt, dass beim einzigen 14-Runden-Versuch von Porsche lediglich zweimal die 3:22 stand – ansonsten blieb es im 3:25er bis 3:27er Niveau.
Die schnellste Zeit des Tages wurde mit 3:18,132 Minuten von Kamui Kobayashi gedreht. Damit lag der Japaner bereits 1,6 Sekunden über der Pole-Zeit (3:19,733 Min.) des Vorjahren und nur noch gut 1,2 Sekunden über der absoluten Bestzeit der aktuellen Fahrzeug-Generation (3:16,887 von Neel Jani aus 2015). Das bedeutet, dass obwohl die LMP1 seither erheblich eingebremst wurden (weniger Benzin-Durchfluss, Aerodynamik-Bescheidungen), wir wahrscheinlich nächste Woche in der Qualifikation wohl einen neuen Runden-Rekord sehen können. Vorausgesetzt, es bleibt trocken.
Beeindruckt haben auch die LMP2. Die 3:28,146 Minuten von Alpine-Pilot Nelson Panciatici sind für die kleine Klasse der Knaller - vor allem, wenn man sie ins Verhältnis zum letztjährigen Bestwert der Klasse von 3:36,259 Minuten setzt.
Wie zu erwarten hat die neue LMP2-Generation also ordentlich Dampf auf dem Kessel. Und das Ende der Fahnenstange ist noch lange nicht erreicht. Da die Strecke während des Vortests noch recht staubig war und somit wenig Grip bot, wird in er Qualifikation noch ein großer Nachschlag prognostiziert.
Insgesamt zeigte sich Oreca als das dominierende Chassis. Auf den ersten 13 Plätzen der Klasse lagen nur Boliden aus der Schmiede von Hugues de Chaunac. Und lediglich ein Oreca 07 konnte überhaupt von der Konkurrenz geschlagen werden – was aber eher auf die Fahrer-Besatzung zurückzuführen ist.
Dallara zeigte sich beim Topspeed ganz vorne. Als einzige Marke konnten sie die 340 km/h Schallmauer brechen. Jedoch kamen die italienischen Modelle auf der Stoppuhr nicht über 3:32,567 Min. hinaus. Ging Dallara mit der Entwicklung des Low-Downforce-Kits vielleicht etwas zu weit? Was nützt der Top-Wert in der Radarfalle, wenn in den Bereichen, wo Abtrieb gefragt ist, nicht mitgehalten werden kann. Denn im kurvenreichen dritten Sektor hatten sich die Dallara ordentlich Rückstand eingefangen.
Wenig berauschend ging es auch beim Riley Mk.30 zur Sache. Mehr als eine 3:38,671 Min. war für den amerikanischen LMP2 nicht drin. Dazu kommt, dass die Runde von Ricky Taylor aufgestellt wurde, dessen fahrerische Qualitäten (fünf IMSA-Siege in fünf Rennen 2017) unbestritten sind. Für mehr als den olympischen Gedanken wird es beim Riley-Auftritt an der Sarthe in diesem Jahr also nicht reichen.
Merkwürdig ging es in der GTE-Klasse von statten. Hier stellte Corvette-Pilot Oliver Gavin mit 3:54,701 Min. die Bestzeit auf. Daher lohnt ein Blick auf das Jahr 2016, als Dirk Müller im Ford GT in der Qualifikation 3:51,185 Min. schaffte.
Somit ist eines klar: Bei den GTE wird auch 2017 wieder mächtig Performance zurückgehalten. Natürlich will sich keiner der Hersteller kurz vor dem Rennen noch eine BoP-Änderung abholen.
Dementsprechend nichtssagend sind dann auch die Zeiten des Vortest in der 'seriennahen' Kategorie. Auf die Spitze getrieben hat es hierbei Ford. Die vier GT der letztjährigen Dominatoren lagen allesamt auf den letzten vier Postionen in der Klasse. Die Vortest-Bestzeit von 3:57,536 Minuten (Richard Westbrook) spricht hier Bände. Es bleibt also in dieser Klasse abzuwarten, welche Performance geboten wird, wenn es am 17./18. Juni dann richtig zur Sache gehen wird.