24h Le Mans: Eine Analyse des Vortests 2021 - Teil 1
Der Toyota GR010 auf der langen Hunaudières-Gerade in Le Mans
Der offizielle Testtag zu den 24 Stunden von Le Mans ging mit einer Bestzeit für Glickenhaus zu Ende. Olivier Pla schaffte im 007 LMH eine Zeit von 3:29,115 Minuten. Knapp dahinter befanden sich die beiden Toyota GR010 Hybrid. Auch der viertplatzierte Alpine A480 war mit einem Rückstand von lediglich 0,996 Sekunden nicht weit von der Spitze entfernt. Drei Marken innerhalb von nur einer Sekunde auf einer 13,626 Kilometer langen Strecke – das wird jede Menge Spannung im Kampf um die Pole-Position am kommenden Donnerstag (19. August) bringen.
Die engen Abstände sind jedoch auch nicht sonderlich verwunderlich. Denn in der Top-Klasse der Prototypen hat mittlerweile auch die Balance of Performance (BoP) Einzug gehalten. Das BoP-Tool war vor etlichen Jahren einmal erdacht worden, um GT-Fahrzeuge, die grundverschiedene Basiskonzepte aufweisen, auf ein Zeiten-Niveau zu bringen. Nun werden aber auch die Prototypen, bei denen die Entwicklung mit einem weißen Blatt Papier beginnt, künstlich zusammengeführt.
Damit ändert sich auch der Charakter der 24h Le Mans. Früher war es ein Teil der Spannung des Testtages (und später vor allem in der Qualifikation der Rennwoche), herauszufinden, wie schnell die Fahrzeuge auf dem so legendären Circuit de la Sarthe unterwegs sein können. Heutzutage hat dies enorm an Relevanz verloren. Alle sind einigermaßen gleich schnell – falls nicht, wird eben die BoP angepasst.
Somit sind auch bei den Top-Speeds kaum Unterschiede zu finden. Beide Glickenhaus und einer der Toyota schafften 331,8 km/h. Der zweite Toyota und der Alpine kamen auf 329,8 km/h. Hier macht jedoch ein Vergleich zur LMP1-Epoche Sinn. 2019 schaffte der BR1 satte 350,1 km/h. Der LMP2-Bestwert beim 2021er Vortest lag bei 321 km/h. Der schnellste GTE wurde mit 298,8 km/h geblitzt.
Merkwürdig mutet auch der Blick auf die Porsche-Kurven an. In diesem so speziellen Teil der Strecke von Le Mans ist vor allem Abtrieb gefragt. Hier erzielte mit 14,548 Sekunden jedoch der Oreca-LMP2 von IDEC Sport die Bestzeit. Der Alpine (ein alter LMP1, der 2021 bei den Hypercars mitfahren darf) kam auf Platz elf mit 15,006 Sekunden. Das beste echte Hypercar, der Toyota von Kazuki Nakajima, erreichte mit 15,214 Sekunden Platz 22. Hier kommt auch das Mindestgewicht der Fahrzeuge zum Tragen. Die LMP2 liegen bei 950 Kilogramm, der Alpine bei 952 kg und der Toyota bei 1.066 kg.
Die Bestzeit von 3:29,115 Minuten durch den Glickenhaus befindet sich auch sehr dicht an der für die Hypercars angepeilten Marke von 3:30 Minuten. (Diese wurde für das Rennen angedacht und nicht für die Qualifikation.) Trotzdem werden die Hypercars 2021 im Rennbetrieb um einiges schneller unterwegs sein, da die Strecke in Le Mans erst über die Woche richtig Grip aufbaut. Die schon beim Vortest erzielten schnellen Zeiten haben einen einfachen Grund:
Die 3:30er Marke wurde mit einer BoP-Leistung von 500 kW errechnet. Die Hypercars waren beim Vortest in Le Mans aber mit 515 kW (Toyota) und 520 kW (Glickenhaus) am Start. Damit nutzen die Regelhüter für Le Mans dieselben Leistungswerte wie zuletzt in Portimão und Monza. Denn schon bei den WEC-Rennen stellte sich heraus, dass die Hypercars nicht sonderlich viel schneller sind als die LMP2. Da hätte eine Reduzierung auf die für Le Mans angedachten 500 kW Probleme bei der Separierung der Klassen bringen können.
Der schnellste LMP2 kam beim Vortest auf 3:31,105 Minuten und lag somit nur 1,990 Sekunden hinter der Hypercar-Spitze. Daran ist leicht zu erkennen, dass die LMP2 dennoch eine Chance auf den Gesamtsieg haben. Falls die neuen Hypercars im Rennen Probleme bekämen, könnten die kleinen Prototypen tatsächlich abstauben. Zumal insgesamt 25 Exemplare am Start stehen und wohl recht viele LMP2 sauber durchs Rennen kommen dürften.