24h Le Mans: Was erwartet uns in der Hypercar-Klasse?
Die Hypercars in Le Mans 2021: Alpine A480 (hinten), Toyota GR010 Hybrid (vorne und 2. v.li.) sowie Glickenhaus 007 LMH (2. v.re.)
Alles neu an der Spitze der 24h Le Mans: Ab 2021 übernehmen die Hypercars das Zepter von den LMP1. Den neuen Autos liegen andere technische Parameter zugrunde, was ein Rennprogramm im Vergleich zu den Vorgängern rund 80 Prozent kostengünstiger machen soll. Mit zwei Toyota GR010 Hybrid, zwei Glickenhaus 007 LMH und einem Alpine A480 (ein adaptierter alter Oreca-LMP1) sind 2021 jedoch lediglich fünf Boliden am Start. In den Folgejahren soll das Feld mit beispielsweise Peugeot oder Ferrari (ab 2023) aber weiter wachsen.
Toyota vertraut bei seinen beiden GR010 Hybrid mit Mike Conway, Kamui Kobayashi und José María López bzw. Sébastien Buemi, Kazuki Nakajima und Brendon Hartley auf dieselben Piloten wie zuletzt beim LMP1-Programm. Der japanische Hersteller hat auch die ersten drei Läufe der Sportwagen-WM (FIA WEC) in Spa-Francorchamps, Portimão und Monza für sich entschieden. Nicht nur das macht Toyota auch zum großen Favoriten auf die anstehenden 24h Le Mans.
Zwar gab es bei den GR010 Hybrid in den ersten drei WEC-Rennen immer noch das eine oder andere technische Problem, doch diese sollen vor Le Mans nun gelöst worden sein. Das belegt auch die Anzahl von 208 Runden, die die zwei Toyota beim Vortest auf der 13,626 Kilometer langen Strecke absolviert haben.
Toyota ist seit 2018 nach langer Durststrecke ungeschlagen in Le Mans. Beim vierten Sieg in Folge können sich die Japaner eigentlich nur selbst schlagen – oder anders herum ausgedrückt: Alles Andere als ein Toyota-Triumph wäre eine faustdicke Überraschung. Es entscheidet das Rennglück (bzw. auch potenzielle Crashes mit Fahrzeugen aus den kleineren Klassen), welches der beiden Fahrzeuge am Ende ganz oben steht. Das Trio Mike Conway, Kamui Kobayashi und José María López ist in Le Mans bislang jedoch immer leer ausgegangen und auch 2021 wieder ganz heiß auf den Triumph.
Der Alpine A480 von André Negrão, Nicolas Lapierre und Matthieu Vaxivière ist kein echtes Le Mans Hypercar (LMH), sondern ein Oreca-LMP1, der vor 2021 als Rebellion R13 in der FIA WEC unterwegs war. Somit hat das Fahrzeug auch eine komplett andere Einstufung bei der Balance of Performance (BoP) bekommen. Dies wird vor allem am Gewicht deutlich. Während Glickenhaus mit 1.030 kg und Toyota mit 1.066 kg unterwegs ist, kommt der französische Bolide nur auf 952 kg. An dieser Stelle mehr zur Einstufung.
Ein elementarer Nachteil des Alpine ist jedoch der zu kleine Tank. Bauartbedingt kann Alpine weniger Benzin als die beiden Konkurrenten aufnehmen. Somit wird erwartet, dass der A480 jeweils eine Runde früher zum Service kommen muss als Toyota und Glickenhaus. Dies hat Alpine schon bei den WEC-Rennen den Sieg gekostet. Auf die lange 24h Distanz wird sich das sogar noch mehr auswirken. Der große Vorteil des Alpine ist jedoch die Standfestigkeit. Das Fahrzeug hat als Rebellion R13 seit 2018 an den 24h von Le Mans teilgenommen und ist somit für die Ausdauer gerüstet. Falls Toyota das Rennen entgleiten sollte, so stünde Alpine parat, um den Sieg mitzunehmen.
Die große Unbekannte ist sicherlich Glickenhaus. Die Fahrzeuge des amerikanischen Enthusiasten Jim Glickenhaus werden von Luís Felipe Derani, Franck Mailleux und Olivier Pla bzw. von Ryan Briscoe, Romain Dumas und Richard Westbrook pilotiert. Pla hat beim Vortest am Sonntag sogar die absolute Bestzeit erzielt. Dank BoP sind die beiden 007 LMH somit auf eine schnelle Runde mit bei der Musik.
Es bleibt jedoch abzuwarten, inwiefern die Zuverlässigkeit einen Strick durch die Glickenhaus-Rechnung macht. Bei den bisherigen Auftritt in der FIA WEC lief diesbezüglich noch nicht alles rund. Im ersten Jahr des Rennprogramms mit den 007 LMH sollte die Zielankunft in Le Mans das große Ziel sein. Der Blick auf den Rennsieg wäre wohl noch etwas zu früh.
Bei insgesamt nur fünf Fahrzeugen in der Hypercar-Klasse sollte auch nicht komplett außer Acht gelassen werden, dass 2021 vielleicht sogar ein LMP2 die 24h von Le Mans gewinnt. 25 Exemplare sind in der kleinen Prototypen-Klasse mit dabei. Sollten tatsächlich alle Hypercars in Probleme geraten, so könnten die LMP2 diesmal sogar den ganz großen Triumph auf der Langstrecke holen.