Nissan: Droht in Le Mans die grosse Blamage?
Seltener Anblick: Nissan auf der Strecke
«Wir haben unser Programm abgearbeitet und sind mit dem Test zufrieden», war am Sonntagabend im Fahrerlager von Le Mans die am häufigsten genannte und komplett unbrauchbare Floskel. Die Standard-Floskel formulierte auch Nissan Zeod RC-Pilot Wolfgang Reip nach dem Test mit fast überschwänglichem Enthusiasmus. Doch bei keinem Fahrer klang das so unglaubwürdig, es denn Nissan hatte intern als Ziel definiert, beim Le-Mans-Testtag im Fahrerlager zu stehen.
Der Zeod RC, eine Kopie des Deltawing-Konzepts, das 2012 für Furore sorgte, und der in diesem Jahr in Le Mans in einer Einladungsklasse für neue Technologien startet, gab keinen souveränen Eindruck ab. Wolfgang Reip und Testfahrer Tommy Erdos schafften in acht Stunden insgesamt 24 Runden, unterteilt in zehn am Morgen und 14 am Nachmittag. Jeder andere Testteilnehmer drehte mehr als vier Mal so viel Umläufe.
Als Bestzeit fuhr Reip eine 3:52 und war damit sieben Sekunden langsamer als der langsamste LMP2. Nur fünf der 24 Runden lagen unter der Marke von vier Minuten. Die längste Distanz, bevor der Nissan am Testtag wieder in die Box zurückkehrte, waren kümmerliche vier Runden. Eine traurige Bilanz, immerhin steht hinter dem Projekt keine Bastelbude, die ein bisschen experimentiert, sondern mit Renault-Nissan einer der grössten Autokonzerne der Welt, der Innovationskraft beweisen will. Schon weniger als zehn Tagen will Nissan mit dem Zeod RC in ein 24-Stunden-Rennen starten, der am Sonntag keine 20 Minuten am Stück gefahren ist. Bis zum Rennen hat Nissan in dieser Woche in England noch Tests mit dem Einsatzauto angesetzt, beim Testtag fuhr das Testauto.
Nissan leidet bei dem im Februar 2013 angekündigten Projekt weiter unter Kinderkrankheiten und scheint die Technik nicht in den Griff zu bekommen. Absehen vom skurrilen Chassis mit der Jet-Optik hat der Nissan einen 1,5-Liter-Dreizylider-Turbo mit 400 PS und ein KERS-System, das die Energie in Batterien speichert. Eine komplexe Technik, aber nicht aufwendiger als bei den LMP1 von Audi, Porsche oder Toyota. Der Clou beim Zeod und der Grund, der den Start in der Innovationsklasse rechtfertigt: 13 Runden soll der Nissan in Le Mans mit Hilfe des 1,5-Liter Dreizylinder-Turbo fahren, die 14 Runde dann rein elektrisch zurücklegen.
Vor dem Testtag hatte Nissan, die nicht um grosse Ankündigungen verlegen sind, als Ziel vorgegeben, am Sonntag erstmals rein elektrisch eine Runde in Le Mans zu fahren. Haben Reip und Erdos wenigstens dieses Ziel erreicht? Reip: «Wir sind in verschiedenen Runden einige Streckenabschnitte elektrisch gefahren. Setzt man diese zusammen, kommt man fast auf eine komplette Runde.»
Nissan hat angekündigt 2015 Audi, Porsche und Toyota in der LMP1-Klasse Konkurrenz zu machen und dabei alles nicht nur anders, sondern auch besser zu machen. Nissan-Vorstand Andy Palmer spricht vom Le-Mans-Sieg 2016, als sei dies eine Formalie. Da kann man nur viel Erfolg wünschen.