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BMW zog den Stecker: Feiger Rückzug von der Dakar

Von Günther Wiesinger
Wüstenfuchs Hubert Auriol

Wüstenfuchs Hubert Auriol

Bei den letzten 16 Austragungen hat jeweils KTM die Dakar-Rallye für Motorräder gewonnen. Damit sind die «Orangen» die erfolgreichste Marke bei der Dakar – auch bei den Autos hat kein Fabrikat 16 Siege eingeheimst.

2001 legte Fabrizio Meoni den Grundstein für die Siegesserie der Österreicher, die alles in den Schatten stellt.

Denn selbst Yamaha hat seit dem ersten Dakar-Sieg 1979 mit Cyril Neveu insgesamt nur neun Siege eingefahren.

Honda hat bisher vier Dakar-Siege vorzuweisen – und zwar von 1986 bis 1989 viermal hintereinander mit Neveu (2x) sowie Edi Orioli und Gilles Lalay.

Von BMW ist bei diesem prestigereichen Event nichts mehr zu sehen.

Aber die Weiß-Blauen haben 1983 mit dem Boxer und Hubert Auriol triumphiert, dann 1984 und 1985 mit dem genialen Motocross-Weltmeister Gaston Rahier aus Belgien.

Da in den 1980er-Jahren die gesamte Konkurrenz mit Einzylinder-Triebwerken antrat, hatte das finanzstarke BMW-Werksteam verhältnismäßig leichtes Spiel. Der Zweizylinder-Boxer blieb jahrelang überlegen.

Aber es sollte bis 1999 und 2000 dauern, ehe mit Richard Sainct wieder ein BMW-Fahrer als Erster im Senegal eintraf.

Die Rallye Dakar passte ins BMW-Konzept

Für die erste Dakar-Rallye 1978/1979 saß ein gewisser «Fenouil» auf der BMW, der in Kamerun zur Welt kam und schon 1972 mit einer Kawasaki 900 durch die Wüste bretterte. Man nannte ihn auch «Ramses», aber in Wirklichkeit hieß er Jean-Claude Morellet; er war Abenteurer, Journalist, Profi-Rennfahrer, Organisator und vieles andere. «Fenouil» und die deutsche Gelände-Legende Herbert Schek setzten also eine von Haudegen Schek im Allgäu aufgebaute BMW ein.

Dann erkannte auch das BMW-Werk, dass sich diese spektakuläre Rallye für einen Motorsport-Einsatz lohnte, sie passte ins Konzept, um die neue BMW Enduro R80 G/S zu promoten.

1980 startete erstmals ein BMW-Werksteam mit Auriol, «Fenouil» und Schek, der wie üblich für die Vorbereitung der Motorräder verantwortlich war.

Die ersten «Werksmaschinen» verfügten über 800 ccm, sie leisteten 55 PS, die Fahrgestelle erinnerten stark an die Serienmodelle. Aber mit einem Topspeed von 160 km/h hatten die japanischen Einzylinder von Yamaha und Honda gegen die BMW einen schweren Stand.

Fenouil wurde immerhin Fünfter, Auriol musste mit Getriebeproblemen aufgeben.

Danach ging BMW die Dakar Rallye professioneller an. Für 1981 wurden die Motorräder beim renommierten deutschen Tuner HPN vorbereitet. Großer Wert wurde auf die Standfestigkeit gelegt, die gnadenlose Drei-Wochen-Prüfung in der Wüste forderte den Bikes alles ab.

Es wurde ein Spezialrahmen für den Boxermotor angefertigt, dann wurde ein hässlicher 42-Liter-Blechtank darüber gestülpt. Von Maico wurde eine Gabel mit 270 mm Federweg eingebaut, von White Power ein Federbein für die Eigenbau-Zweiarmschwinge von HPN.

Mit diesem Gerät brauste Hubert Auriol, den sie «den Afrikaner» nannten, zum ersten Sieg für BMW. Auriol traf am Lake Rose bei Dakar drei Stunden vor den Verfolgern ein.

Rahier und BMW: Der Konkurrenz verging das Lachen

Für die Rallye-Ausgabe 1982 wurde der Hubraum des Boxermotors auf 980 ccm vergrößert, doch das altertümliche Getriebe riss den klar führenden Auriol wieder einmal aus dem Rennen.

Also mussten die BMW-Freunde bis 1983 auf den zweiten Dakar-Sieg warten. Mit Auriol, Fenouil, Loizeaux und Herbert Schek schickten die Münchner eine große Streitmacht in die Wüste.

Auch Gaston Rahier, ein 164 cm kleiner Belgier und mehrfacher Motocross-Weltmeister, der sein Bike kaum überragte, ging mit einem BMW-Boxer an den Start. Rahier konnte sich gar nicht ohne fremde Hilfe in den Sattel schwingen. Er stellte sich links neben das Motorrad, legte den ersten Gang ein, gab langsam Gas, setzte dann den linken Fuß auf den linken Zylinder und beförderte sich sodann in den Sattel.

Aber der Konkurrenz verging das Lachen recht rasch. Rahier schied zwar bei der Dakar 1983 aus, während Auriol zum zweiten Mal für BMW siegte, Gastons Fahrkunst bescherte dem Belgier aber einen hoch dotierten Werksvertrag für 1984. Rahier rechtfertigte das Vertrauen von BMW-Sportmanager Berthold Hauser mit zwei Gesamtsiegen 1984 und 1985.

Für 1985 hatte BMW den Hubraum sicherheitshalber noch einmal erhöht – auf 1050 ccm und 82 PS.

Bei HPN war von Jahr zu Jahr nachgerüstet worden, inzwischen stand ein Kevlar-Tank mit 45 Litern zur Verfügung, die Fahrzeuge schafften bereits einen Topspeed von 180 km/h. Rahier musste 1984 wirklich über sich hinaus wachsen, um das Duell gegen den überragenden «Afrikaner» Hubert Auriol zu gewinnen. Der Doppelsieg gilt als Highlight in der Dakar-Geschichte von BMW.

Für 1985 wechselte Hubert Auriol zum Cagiva-Team, der launenhafte und hohe Ansprüche stellende Rahier hatte ihn vertrieben.

Der belgische «Wüstenfuchs» Rahier genoss jetzt die Nummer 1-Position im favorisierten Marlboro BMW-Werksteam.

Die HPN-Dakar-BMW hatte im Jahr 1985 wieder 980 ccm und leistete 70 PS, sie lief jedoch mehr als 170 km/h. Der Federweg war durch den Anbau edelster Marzocchi-Teile auf 300 mm angewachsen.

Rahier stürzte schon bei der Anfahrt von Paris nach Afrika in Europa schwer, die Maschine war stark beschädigt, sie wurde als Totalschaden eingestuft. Doch das Wort «Aufgabe» fehlte im Wortschatz von Rahier, er prügelte die Dakar-Version der verbogenen BMW Enduro R80 G/S hemmungslos durch die Wüste, sorgte für Bestzeiten und Etappensiege, die Mechaniker hielten die zusammengeschweißte Kiste irgendwie am Leben, seine Teamkollegen Eddy Hau und Loizeaux schieden nach Stürzen und Defekten aus.

Tatsächlich holte Rahier den italienischen Spitzenreiter Franco Picco (Belgarda Yamaha) noch ein – und sicherte sich den dritten Dakar-Sieg.

1986 mit Honda-Doppelsieg

Bei der Paris-Dakar-Rallye 1986 galt Gaston Rahier neuerlich als Favorit, aber gegen die drei neuen Zweizylinder-Werks-Honda NXR stand er auf verlorenem Posten, besonders gegen Haudegen Cyril Neveu.

Honda gelang ein Doppelsieg, Rahier zog sich bei einem Highspeed-Crash sechs Rippenbrüche, einen Schlüsselbeinbruch und andere Verletzungen zu.

1987 ging die BMW-Ära bei der Rallye Dakar endgültig zu Ende. Die starken Honda NXR-Twins erwiesen sich als unschlagbar, Neveu gewann abermals gegen Auriol auf der Zweizylinder-Cagiva.

BMW-Rückkehr mit der F 650 G/S

Nach dem Tod von Dakar-Erfinder Thierry Sabine im Jahr 1986 wurde das BMW-Werksteam aufgelöst. Es bestand mit dem vorhandenen Material keine Siegchance mehr, denn die Zweizylinder der Konkurrenz waren wesentlich moderner und schlagkräftiger.

Erst in den Jahren 1999 und 2000 trat BMW wieder als Dakar-Sieger in Erscheinung – mit Fahrer Richard Sainct. Nun kümmerte sich das deutsche Enduro-Ass Richard Schalber um die Vorbereitung der Dakar-Geräte, die auf den serienmäßigen Einzylinder-Modellen der F 650 G/S basierten.

Schalber setzte erste Prototypen schon 1997 selbst bei der Dakar-Rallye ein. Es gab zwei Tanks mit je 13,5 Litern Inhalt, dazu wurde weiterer Sprit unter der Sitzbank und im Heck gebunkert, insgesamt konnte bei der F 650 G/S auf einen Tankinhalt von 47 Litern zurückgegriffen werden. Die erste Schalber F 650 wog 178 kg und leistet ca. 65 PS. Es wurde ein Topspeed von 170 km/h erreicht.

Für die Dakar-Rallye 1998 bildete Schalber das offizielle BMW-Werksteam, es saßen klingende Namen wie der vierfache Gesamtsieger Edi Orioli im Sattel, dazu Oscar Gallardo, Jean Brucy sowie die schnelle Deutsche Andrea Mayer.

Doch Orioli schied mit Motorschaden aus. Gallardo wurde durch einen Rahmenbruch gestoppt, Andrea Mayer durch eine defekte Kupplung. Jean Brucy kam über den 25. Platz nicht hinaus.

Stéphane Peterhansel sorgte in diesem Jahr auf seiner Yamaha YZE 850 T für seinen sechsten Dakar-Erfolg, Yamaha zog sich danach zurück.

Für das Jahr 1999 wurde die F 650 R in allen Details verbessert, sie wog nur noch 168 kg, nachdem die Auspuffanlage, sämtliche Schrauben und andere Bauteile aus Titan gefertigt worden waren. Der Motor leistete jetzt bei 675 ccm stattliche 75 PS.

Der von KTM für Orioli geholte Richard Sainct erwies sich für das BMW-Team 1999 als Glückgriff – er setzte sich auf den Dakar-Thron und siegte auch im Jahr danach – diesmal auf der Gauloises-BMW.

Danach war für BMW in der Wüste nicht mehr viel zu holen. Die BMW-Chefs waren der Meinung, man müsse den Einzylinder ins Museum stellen und wieder ein neues Boxer-Monster in die Schlacht schicken, was sich bald als Fehler herausstellte.

Die wuchtige Boxer-BMW wurde von Richard Sainct als zu behäbig eingestuft, er kehrte deshalb zu KTM zurück und sorgte dort 2003 für einen weiteren Dakar-Sieg.

Die Zweizylinder-BMW-Maschine war mit 190 kg rund 20 kg schwerer, das wollte sich auch Andrea Mayer nicht zumuten. Sie griff lieber auf ihre Einzylinder-F 650 zurück.

Das Boxer-Ungeheuer verfügte jetzt über einen luftgekühlten Vierventil-Motor mit 900 ccm und 90 PS bei 8200/min.

BMW betrieb jetzt unter Berthold Hauser und Technik-Chef Norbert Schilcher einen riesigen Aufwand für die Dakar, die Fahrer hießen Jimmy Lewis, John Deacon, Juan Roma, Cyril Despres und Andrea Mayer.

Doch auf dem schwierigen Gelände erwiesen sich die wenigen Einzylinder-KTM als überlegen. KTM sicherte sich die Plätze 1 bis 4, nur auf den Plätzen 5 und 6 schoben sich Deacon vor Lewis mit den BMW-Zweizylindern zwischen die österreichische Armada.

Einen BMW-Erfolg feierte dafür der im Werk geächtete Einzylinder, den Andrea Mayer mit dem Sieg in der Damenwertung auf Rang 30 steuerte.

Feiger Rückzug statt Angriff

Nach dieser vernichtenden Niederlage wurde erwartet, dass die jahrelangen, kostspieligen Bemühungen zur Weiterentwicklung des Zweizylinder-Projekts 2002 zu verstärkten Anstrengungen durch das BMW-Werk führen würden.

Aber BMW ist nicht nur in der Formel 1 in der Vergangenheit mehrmals ein- und ausgestiegen, in der DTM und anderen Serien (zum Beispiel in der Rallye-WM mit Mini), wir kennen dieses Hin und Her auch bei den Motorrädern. Nach einem vorübergehenden Bekenntnis zur Superbike-WM von 2009 bis 2014 und beachtlichen Erfolgen wurde der Werkseinsatz zu Halbherzigkeiten mit wechselnden Partnern, Teams, Managern und Konzepten umgemünzt. Auch mindestens drei geplante Einstiege in die MotoGP-WM sind am Dilettantismus und der mangelnden Leidenschaft und den zauderhaften Managern der weiß-blauen Motorrad-Fraktion gescheitert.

Auch bei der Dakar-Rallye ließ BMW eine gewisse Hartnäckigkeit und ein professionelles Management vermissen. Nach dem Scheitern 2001 fehlte den BMW-Leuten wieder einmal der Mumm.

Statt eines entschlossenen Angriffs reagierten die Bayern mit einem feigen Rückzug aus der attraktiven und weltweit beachteten Motorrad-Rallye-Szene.

Selbst die treuesten BMW-Fans konnten diesen Schritt nicht nachvollziehen.

Dass sich Konstanz, Risikobereitschaft und Hartnäckigkeit gepaart mit viel Leidenschaft und Fachkenntnis auszahlt, konnte am Beispiel der Freunde aus Mattighofen danach von Jahr zu Jahr beobachtet werden. KTM hält inzwischen bei 16 Dakar-Siegen in Serie.

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