Cyril Despres: «Das war der echte Dakar-Geist»
Viel Arbeit: Der Motorentausch in vollem Gange
Die siebte und achte Etappe der Rallye Dakar wurden als Marathon-Teilstücke deklariert, was bedeutete, dass zwischen den Etappen die Motorradfahrer in einem abgeschirmten Biwak ohne Zugang zu ihren Teams untergebracht waren. Titelverteidiger Cyril Despres kam mit einem beschädigten Getriebe im Marathon-Biwak an und entschied sich zusammen mit den Verantwortlichen des KTM-Werksteams, einen Motorwechsel vorzunehmen – ohne die Hilfe der Mechaniker, nur assistiert von den anderen KTM-Piloten.
Das Spender-Herz stammte aus der KTM 450 Rally von Marek Dabrowski, der für das Semi-KTM-Werksteam Orlen unterwegs ist, aber wegen einer Verletzung nicht im Vollbesitz seiner Kräfte ist und im Gesamtklassement weit zurückliegt. «Das war kein einfacher Abend. Nur schon die Entscheidung zu fällen, während der Marathon-Etappe den Motor zu wechseln, war nicht einfach», versicherte Despres.
Zuvor hatte der Franzose telefonisch mit dem Team verschiedene Varianten diskutiert, den Getriebeschaden zu beheben. Aber ein kompletter Wechsel des Antriebs schien die sicherste Möglichkeit, auf der achten Etappe von Salta nach Tucuman nicht erneut durch technische Probleme viel Zeit zu verlieren.
«Die anderen Fahrer staunten»
«Als wir den Plan einmal gefasst hatten, haben wir sofort begonnen, ihn umzusetzen», erzählt Despres. «Die anderen Fahrer im Biwak waren sichtlich überrascht, als wir mit der Arbeit begonnen hatten!» Der 39-Jährige wurde bei der eigenhändigen Motortausch-Aktion an die Gründerzeit der Rallye Dakar erinnert, als Schrauben am eigenen Fahrzeug eine Selbstverständlichkeit war. «Einige Leute sagen, die Dakar ist nicht mehr dasselbe wie früher. Aber ich kann versichern, dass in dieser Nacht der echte Dakar-Geist herrschte. Ein riesiger Dank an Marek Dabrowski und das ganze Orlen-Team für die extrem generöse Aktion, uns den Motor 'auszuleihen'», atmete Despres auf.
Der Pole seinerseits fuhr mit dem Motor von Despres weiter – dies bedeutete für beide Piloten die für den ersten Motorwechsel vorgesehene 15-min-Zeitstrafe.
Entscheidung gegen das Risiko
Nach einer kurzen Nacht, die KTM-Fahrer schraubten im Biwak stundenlang an ihren 450-ccm-Rallye-Bikes, stand dann auch noch das lange achte Teilstück an. Wegen des starken Regens wurde das erste Teilstück der Wertungsprüfung nur als Verbindungsetappe gefahren. Der Regen beeinflusste dann aber auch den Kampf gegen die Uhr.
Despres: «Dieser Tag war nicht einfacher als der Freitag. An einem Punkt sollten wir in einem Flussbett fahren. Aber das ging nicht, denn es war zuviel Wasser drin. Also mussten wir dem Ufer folgen, dadurch stimmten die Distanzen im Roadbook nicht mehr. Ich versuchte die ganze Zeit, mich neu zu orientieren, aber bei einer Gabelung des Flusses bekam ich meine Zweifel», erklärte der KTM-Pilot die Navigationsprobleme, welche die meisten Fahrer betrafen, die in der ersten Gruppe zur Etappe gestartet waren.
«Am Ende habe ich mich entschieden, zurückzufahren und zu kontrollieren, wo ich bin, statt das Risiko auf mich zu nehmen. Das kostete mich etwas Zeit. Aber hätte ich das Risiko genommen, hätte ich womöglich noch viel mehr verloren», stellte der Franzose fest.
Es war wohl die richtige Entscheidung: Der vierfache Dakar-Sieger liegt als Gesamt-Fünfter vor dem Auftakt der zweiten Woche am Montag nur 24:26 min (inkl. Strafzeit) hinter Leader David Casteu (Yamaha) zurück.
Deshalb sagt KTM-Teammanager Alex Doringer am sonntäglichen Ruhetag in Tucuman: «Das Rennen ist noch völlig offen. Die achte Etappe hat gezeigt, dass noch nichts entschieden ist.»