«Neue» DTM, Ausstieg, Gewichte: Die Tops und Flops
Die knappe Zieldurchfahrt am Norisring
Mercedes-Ausstieg, Performance-Gewichte, politische Spielchen: Nach der anfänglichen Aufbruchstimmung unter dem neuen DTM-Chef Gerhard Berger war nicht abzusehen, dass es zur Saisonhalbzeit doch so viele markante Negativpunkte geben würde.
Aber natürlich ist nicht alles schlecht, im Gegenteil. Wir haben die Tops und Flops der ersten Hälfte des DTM-Jahres.
TOPS:
Neuerungen: Ein Großteil des Pakets ist tatsächlich gelungen. Ein bisschen mehr Leistung, neue, weichere Reifen, keine Heizdecken mehr, weniger Personal beim Boxenstopp, Funkverbot, Indy-Restart. Jede einzelne Neuerung ist für sich genommen ein Gewinn, zusammen bringen sie die DTM auf einen guten Weg. «Die Rennen sind spannender, als sie je waren. Das Produkt ist gut, die Autos schauen gut aus, es passt alles. Wir bieten einen außerordentlich guten Sport», sagte DTM-Chef Gerhard Berger SPEEDWEEK.com
Mattias Ekström: Alter Schwede! Der 39-Jährige ist auf einem guten Weg, seine offene Rechnung mit der DTM zu begleichen und seinen dritten Titel zu holen. Der Gesamtführende (113 Punkte) spielt seine Klasse als Reifenflüsterer gekonnt aus. Und: Ekström ist nicht mehr ganz so ungestüm, nimmt lieber die Punkte mit, anstatt es mit der Brechstange zu probieren.
René Rast: Rast der Rookie zum Titel? Einen winzigen Punkt Rückstand hat der Alleskönner auf Ekström. Doch egal, was noch passiert: Es ist bereits jetzt die Saison des 30-Jährigen, der das wohl größte Lob von seinem Chef bekommen hat. Denn: Audi-Boss Dieter Gass ärgert sich durchaus, dass er dem GT-Spezialisten Rast erst jetzt einen DTM-Stammplatz gegeben hat. Rast besticht durch Schnelligkeit, Konstanz und akribische Detailarbeit: Eine gute Mischung für den großen Wurf.
Lucas Auer: Der 22-Jährige hat in seinem dritten Jahr endgültig den Durchbruch geschafft, ist zum Titelkandidaten gereift. Der Zwischenlohn: Eine Formel-1-Testfahrt mit Force India. Der Berger-Neffe hat seine Fehler minimiert, arbeitet erfolgreich mit einem Mentaltrainer zusammen und ist fast immer der schnellste Mercedes. Das große Zwischenziel auf dem Weg in die Königsklasse: Klar, der DTM-Titel. Aktuell ist er mit 99 Punkten Dritter.
Titelkampf: Es ist aber nicht nur das Trio aus Oldie, Überraschungs-Rookie und jungem Wildem, das dem Titelkampf die Würze verleiht. Bei theoretisch 56 möglichen Punkten pro Wochenende und noch vier Events mischen auch noch Jamie Green (Audi/87), Maxime Martin (BMW/78), Mike Rockenfeller (Audi/73), Marco Wittmann (BMW/72), Timo Glock (BMW/70), Bruno Spengler (BMW/61) und Gary Paffett (Mercedes-AMG/61) mehr oder weniger mit.
Sicherheit: Es war DER Schockmoment in der laufenden Saison: Gary Paffett flog beim zweiten Norisring-Rennen mit fast 260 km/h ab, krachte mehrmals in die Leitplanken und rauschte in den Audi von Mike Rockenfeller. Heftig: Bei diesem Aufprall wirkten auf Paffett rund 40 g, auf Rockenfeller rund 35 g. Rocky zog sich einen Mittelfußbruch zu, Paffett kam mit Prellungen davon. Zwei Beweise, wie sicher die DTM-Boliden heute sind.
Norisring: Der achte Saisonlauf auf dem Stadtkurs hatte neben dem Horrorcrash alles, was das Fanherz höherschlagen lässt. Kollisionen, wilde Manöver, Fahrer mit Messer zwischen den Zähnen und ein echtes Fotofinish um Platz drei: Edoardo Mortara lag zwei Tausendstelsekunden vor Mattias Ekström, der wiederum 25 Tausendstel vor Marco Wittmann. Alle drei Marken nebeneinander über die Ziellinie: Die Marketing-Abteilungen von BMW, Audi und Mercedes hätten das kaum besser kreieren können.
Fans: Mit dem Pit View wollte die DTM die Fans noch näher an das Geschehen ranlassen. Dazu kommt das neue Erscheinungsbild mit den zahlreichen Neuerungen. Doch wie kommt die neue DTM bei den Fans an? Bislang kamen zu den ersten fünf Events 2.500 Zuschauer mehr als im Vorjahr. Auf den ersten Blick eine Winzigkeit, doch in Zeiten, in denen die Serie um jeden Fan kämpfen muss, durchaus ein gutes Zeichen.
FLOPS:
Mercedes-Ausstieg: Keine Frage: Den größten Flop der ersten Saisonhalbzeit lieferte Mercedes. Der erfolgreichste Hersteller in der Geschichte der Serie steigt nach der Saison 2018 aus und verabschiedet sich in die Formel E. Ein harter Schlag für die DTM, die nun mehr denn je um ihre Zukunft zittern und kämpfen muss. Mit noch unabsehbaren Folgen.
Performance-Gewichte: Bis zum Mercedes-Erdbeben waren die Gewichte das beherrschende Thema: Nervig, unnötig und lähmend sind die Diskussionen um den Ballast. Dreimal wurde die Regel geändert, der DMSB-Alleingang in Moskau mit anschließender Rolle rückwärts setzte der ganzen Posse die Pappnase auf. Das Bittere: Ein Ende der Farce ist immer noch nicht in Sicht.
Politik: Politische Spielchen hinter den Kulissen gab es in der DTM immer schon, doch gefühlt war es in dieser Saison ganz schlimm. Dauer-Diskussionen um die Gewichte, Mercedes-Protest gegen Audi, Verschwörungstheorien um BMW, Teamorder – oft schießt der eine gegen den anderen. Was aber offenbar alle eint: Die Suche nach dem eigenen Vorteil. Leider oft zum Nachteil der DTM.
Quoten: Den erneuten Quoten-Rückgang im TV konnten auch Berger und sein dickes Maßnahmen-Paket vor der Saison nicht stoppen. 910.000 Fans schalteten im Schnitt ein, 2016 waren es 940.000, vor zwei Jahren sogar noch über eine Million gewesen. Da konnte auch das Norisring-Rennen mit 1,47 Millionen Zuschauern kaum etwas rausreißen. Besonders bitter: Ausgerechnet bei dem wohl besten Lauf des Jahres ging die ARD wegen einer Politik-Sendung aus der Live-Übertragung. Sehr zum Unmut und Unverständnis der Fans.
Edoardo Mortara: Wenn es darum ging, wer zu den Titelkandidaten gehört, fiel der Name Mortara sehr oft. Kein Wunder: Immerhin ging der Italiener als Vizemeister in die Saison. Aber eben auch nicht mehr als Audi-, sondern als Mercedes-Pilot. Und diese Umstellung fällt Mortara schwerer als gedacht: Mit 41 Punkten ist er nur Gesamt-13.
Loic Duval: Rookies haben es in der DTM nie ganz einfach. Aber: Duval ist beileibe kein unbeschriebenes Blatt, der 35-jährige Franzose ist immerhin Le-Mans-Sieger und Langstrecken-Weltmeister. Aber: Sein Fahrstil passt nicht zum Tourenwagen. Heißt: Der Audi-Routinier ist der einzige Fahrer ohne Punkte.