Formel 1: Abschied in der Unterhose

Audi-Stars ratlos: Rast pulverisiert die Teamkollegen

Von Andreas Reiners
René Rast

René Rast

Der amtierende Meister ist auf der Überholspur, kann vor dem neunten Rennwochenende in Spielberg sogar noch leise an den Titel denken. Warum rockt Rast seit Wochen die DTM? Und düpiert die Kollegen?

Rene Rast hatte sie alle. Nunja, fast alle. Doch das reicht bereits, um seine Neue jedes Mal aufs Neue zu verstehen, zu beherrschen. Nach dem Motto: Kennt man eine, kennt man alle.

Keine Frage: Der DTM-Champion ist mit allen Wassern gewaschen, was seine Rennautos betrifft. Denn im Grunde ist er in seiner Karriere schon alles gefahren, was vier Räder hat. Erfahrungen, die ihm in der DTM in die Karten spielen, ihm bereits bei seinem sensationellen Titelgewinn 2017 als Rookie halfen.

Wiederholt er das Titel-Kunststück? Rast rast im wahrsten Sinne des Wortes auf der Überholspur, nach mickrigen 23 Punkten in den ersten neun Rennen sind es deren 126 in den vergangenen sieben, inklusive der Maximalausbeute am Nürburgring. Der 31-Jährige macht mit 149 Zählern vor dem vorletzten Rennwochenende in Spielberg nicht nur Jagd auf die beiden Titelkandidaten Gary Paffett (206 Punkte) und Paul di Resta (204), sondern stellt die DTM vor ein Rätsel: Warum läuft es auf einmal? Und vor allem: Warum läuft es bei Audi nur bei ihm?

Denn: Rast deklassiert das eigene Lager um Längen. Der zweitbeste Audi-Fahrer? Rookie Robin Frijns auf Platz 13, der Rest ziert dahinter das Ende des Feldes, fünf Audi-Fahrer auf den letzten sechs Plätzen. Rasts Rosberg-Teamkollege Jamie Green ist sogar Letzter. Wie ist das möglich?

«Das ist eine Kombination aus Setup und Fahrstil. Man muss es neidlos anerkennen, wenn er es besser macht. Da kommt vieles zusammen, es muss viel passen. Bei ihm ist es extrem der Fall. Man muss versuchen es zu verstehen, das ist aber nicht so einfach. Sonst würden wir es auch so machen», sagt Audi-Kollege Mike Rockenfeller.

Solche Markenausreißer hat es in der DTM öfter gegeben. Rockenfeller selbst war 2013 immerhin 74 Punkte besser als der zweitbeste Teamkollege, Marco Wittmann hatte 2014 satte 107 Zähler mehr als der nächste BMW-Fahrer. 2015 waren es bei Pascal Wehrlein 79 Punkte auf den zweiten Mercedes-Mann. 2016 wieder Wittmann, diesmal waren es immerhin noch 93 Punkte mehr.
Doch natürlich ist so eine One-Man-Show nicht alleine mit der Historie zu erklären.

In jedem einzelnen Beispiel war es stets etwas seltsam, dass es nur ein Fahrer konstant auf den Punkt bringt, es ist bei so vielen Vollprofis schlicht schwer zu erklären, denn vereinfacht gesagt, haben alle Audi-, BMW- und Mercedes-Fahrer das gleiche Auto, die gleichen Möglichkeiten. Audis Motorsportchef Dieter Gass zum aktuellen Fall: «Es liegt darin begründet, dass nicht jeder Fahrer mit dem Auto so gut klarkommt, weil es dem eigenen Fahrstil nicht entgegenkommt.» Heißt: Es kommt auf die Details an.

Bei Rast bedeutet es konkret, dass man nach anfänglichen Schwierigkeiten mit dem Setup offenbar an den richtigen Schrauben gedreht, die richtigen Lösungen gefunden hat. Audi hatte mit den Aerodynamik-Änderungen am meisten zu kämpfen, konnte sich auf das erfolgreiche Vorjahr mit dem Titel-Hattrick nicht mehr verlassen. Rast ist nun die Kombination aus wieder erstarktem Auto und Fahrer unschlagbar. «Mir gefällt das Auto, ich fühle mich wohl darin. Wenn die Symbiose zwischen Auto und Fahrer perfekt ist, dann kann man einen guten Job machen. Wir haben ein gutes Setup gefunden, das mir taugt.»

Der Vorteil des richtigen Weges: «Wenn man ihn gefunden hat, dann sind es nur noch kleine Anpassungsschritte. Man fährt schon relativ aussortiert zur Strecke hin und macht dann nach Möglichkeit nur Kleinigkeiten.»

Zum anderen wäre da aber auch noch Rasts Erfahrung. Er erklärt den Vorteil: «Ich kann die verschiedenen Fahrstile der unterschiedlichen Fahrzeuge immer wieder adaptieren, auch im Rennen.» Heißt konkret: Fängt das Auto an über die Vorderachse zu rutschen, dann weiß er, wie er das Auto dennoch schnell fahren kann. Dasselbe gilt für die Hinterachse, wenn es sich im Rennen verändert. Er brauche gar kein perfektes Auto, um schnell zu sein, betonte er: «Ich bin schon viele Autos gefahren, die wenig Aerodynamik hatten und viel gerutscht sind. Das haben wir jetzt wieder in der DTM.»

Und: Die neuen Regeln zu den Mindestkaltluftdrücken der Reifen haben das Fahren noch mehr erschwert. Rast: «Das Auto ist mit den neuen Regeln schwierig zu fahren. Da habe ich mich anscheinend schnell drauf eingestellt.“

Noch rechtzeitig für den Titelgewinn? Rast stapelt tief. Und ist entspannt. «Ich kann nur gewinnen.» Vor allem dann, wenn man sie alle hatte.

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