DTM: Audi schnell, doch ist Aston Martin vorne?
Vier Tage lang haben Audi, BMW, Aston Martin und das Audi-Kundenteam WRT auf dem Lausitzring die Generalprobe für die neue DTM-Saison absolviert. Viele Kilometer, einige Probleme, dafür aber auch zahlreiche Erkenntnisse. SPEEDWEEK.com listet sie auf.
Audi ist der Kilometermeister:
Wenn man sich von der Laufleistung etwas kaufen könnte, wäre der Jubel bei Audi groß: Die Werksfahrer Loic Duval, Robin Frijns, Jamie Green, Nico Müller, René Rast und Mike Rockenfeller legten von Montag bis Donnerstag insgesamt 6.462 Kilometer (1.414 Runden) zurück.
BMW hinkte etwas zurück, Timo Glock, Marco Wittmann, Bruno Spengler, Philipp Eng, Joel Eriksson und Sheldon van der Linde kamen auf knapp über 1.250 Runden und 5.500 Kilometer. Die beiden Hersteller durften drei Autos pro Tag einsetzen, Aston Martin wiederum schaffte mit zwei Boliden und den Fahrern Paul di Resta, Daniel Juncadella, Jake Dennis und Ferdinand Habsburg 790 Runden respektive 3.610,3 Kilometer.
Audi am schnellsten:
Auf dem Lausitzring gab es auch Topspeed-Messungen. Dort lag Audi regelmäßig an der Spitze. Am letzten Tag zum Beispiel schaffte Duval 282 km/h, Green 278 und Müller 277 km/h. BMW folgte dahinter mit 272 bis 274 km/h. Etwas zurück lagen stets die Aston Martin Vantage, am Donnerstag waren es 270 und 267 km/h.
Audi am schnellsten 2:
Auch die Spitze des Zeitentableaus gehörte Audi. An allen vier Tagen waren die Ingolstädter vorne. Die absolute Bestzeit der Woche? Fuhr Robin Frijns in 1:35,169 Minuten. Doch egal, wen man fragte: Eins zu eins übertragbar auf das aktuelle Kräfteverhältnis ist das nicht.
Lieblingsantwort: «Das kann man jetzt noch nicht sagen.» Oder: «Wie es wirklich aussieht, werden wir in Hockenheim beim ersten Qualifying sehen.» Audi-Pilot Mike Rockenfeller meinte zu SPEEDWEEK.com: «BMW blufft wie immer.»
Was BMW-Star Timo Glock nur ein müdes Lächeln entlockt: «Warum sollten wir?» Es ist das übliche Täuschen und Tarnen, verbunden mit den unterschiedlichen Programmen, die die Hersteller abspulen. Und natürlich gibt es Anzeichen und Fingerzeige. Zum Beispiel, dass die Audi-Performance im Quali-Trimm bereits überzeugend ist.
Es gehören aber wesentlich mehr Dinge zu Testfahrten und zu einem Gesamtpaket, als die Performance auf eine Runde. Die Longruns zum Beispiel, die Performance im Renntrimm also.
Aston Martin und die Longruns:
Beim Thema Longruns geriet die Konkurrenz von Aston Martin regelrecht ins Schwärmen. Rockenfeller stellte bei SPEEDWEEK.com klar: «Da sind sie die Benchmark.»
René Rast meinte zu SPEEDWEEK.com: «Sie werden in Hockenheim definitiv konkurrenzfähig sein. Sie haben einen riesigen Schritt gemacht. Das ist sehr positiv und beeindruckend, sie sind stark im Longrun, sehr konstant und schnell. Im Shortun muss man sehen, ob sie schon alles gezeigt haben.» Er stellt klar: «Im Moment sind sie auf Augenhöhe, wenn nicht sogar vorne.»
Schaut man sich die Rundenzeiten genauer an, fällt genau das auf: Aston Martin ist auf den Longruns schnell unterwegs, und das konstant, teilweise rund zwei Sekunden flotter als zum Beispiel die Konkurrenz von Audi.
Was sagt man bei Aston Martin? «Ich bin vom Entwicklungstempo unseres Teams beeindruckt», meinte Paul Di Resta: «Nach dem Rennstrecken-Debüt Anfang März zeigte unser Aston Martin Vantage DTM an den Testtagen auf dem Lausitzring mehr und mehr sein Potenzial. Was mich besonders freut, sind die konstanten Long Runs. Dabei konnten wir insbesondere im Hinblick auf die Reifennutzung viel lernen. Das Handling passt grundsätzlich und das Fahren mit dem neuen Auto macht richtig Spaß.»
Audi und die Reifen:
Audi hatte im Gegensatz zur Konkurrenz alle Autos in der Lausitz und konnte jeden Boliden mal auf die Strecke schicken. «Dass wir es gemeinsam mit unseren Teams Abt Sportsline, Phoenix, Rosberg und WRT geschafft haben, alle Autos rechtzeitig zum Test einsatzbereit zu haben, war ein großer Kraftakt und eine starke Leistung der gesamten Mannschaft», sagt Projektleiter Andreas Roos. «Wir konnten uns dadurch einen kleinen Vorsprung gegenüber der Konkurrenz verschaffen. Es ist normal, dass mit neuen Autos beim ersten Test das eine oder andere kleinere Problem auftaucht. Wir konnten fast alles vor Ort lösen und viele wertvolle Erkenntnisse sammeln.»
Die Lage bei Audi beschreibt Rast als «nicht verkehrt». Ein Problem bleibt der Reifenverschleiß, denn die Pneus werden durch die zusätzliche Power des neuen Vierzylinder-Turbomotors (610 statt 500 PS mit dem alten V8-Sauger) auf der Hinterachse stärker beansprucht als vorher.
Ein Umstand, mit dem Aston Martin offenbar besser zurechtkommt, das Auto geht mit den Pneus offenbar schonender um. Rast erklärt: «Durch die zusätzliche Power haben wir mehr Verschleiß auf der Hinterachse. Was dazu führt, dass wir schneller Traktion verlieren, dass die Rundenzeiten früher einbrechen und dass wir mehr haushalten müssen.»
Der Meister von 2017 betont: «Hinten raus haben wir einen etwas höheren Reifenverschleiß als Aston Martin. Da sehen die echt stark aus.»
Rast weiter: «Man weiß nicht, wie viel Performance noch kommt, wenn die Hosen runtergelassen werden. Aber bei den Longruns müssen wir noch etwas zulegen. Ansonsten sind wir gut aussortiert mit wenig Problemen.» Ganz klar ist zudem: Abzuwarten bleibt, wie sich die Performance auf anderen Strecken darstellt, eine Blaupause für die gesamte Saison ist ein Kräfteverhältnis auf dem Lausitzring sowieso nicht.
BMW und die Technik:
Bei den Münchner gab es an den ersten beiden Tagen einige schlechte Nachrichten in Form von Technik-Problemen und Zwischenfällen, die zu längeren Standzeiten führten. An den beiden letzten Tagen bekam man aber wieder die Zuverlässigkeits-Kurve. Bei den Münchnern gibt es allerdings noch einige Fragezeichen, was die Performance über einen längeren Zeitraum betrifft.
«Insgesamt lag unser Fokus darauf, all die neuen Komponenten im System zu bestätigen und das Fahrzeug insgesamt noch besser zu verstehen. Dabei haben wir große Fortschritte gemacht. In Sachen Performance haben wir all unsere geplanten Vorarbeiten gemacht, um in Hockenheim ordentlich unterwegs zu sein. Wie immer werden nur die ersten Qualifyings und Rennen zeigen können, wo man wirklich steht», sagte BMW-Motorsportdirektor Jens Marquardt.
Der Motor klingt gut:
Wir haben mal genau hingehört. Ja, die Vierzylinder-Turbos hören sich anders an, aber nicht schlechter. Im Gegenteil. Wenn dann endlich alle 18 Autos auf einmal zu hören sein werden, dürften die V8-Sauger schnell vergessen sein.
Die Starts werden knifflig:
In der Lausitz wurden sie intensiv geübt: die Starts. Denn 2019 haben die Fahrer keine «Handbremse» mehr, sie können das Auto deshalb nicht mehr so einfach «vorspannen».- Vereinfacht gesagt wird das Startprozedere für den Fahrer schwieriger, er bekommt mehr Verantwortung, wodurch das Fehlerpotenzial steigt.
Der Chef hofft auf eine enge Kiste:
Auch DTM-Boss Gerhard Berger meinte wie aus der Pistole geschossen: «Über das Kräfteverhältnis kann man noch nichts sagen.» Er hofft natürlich auf ein enges Rennen der drei Marken inklusive des Kundenteams: «Aber es kann bei einem neuen Motor und einer neuen Entwicklung und so vielen Veränderungen die Gefahr bestehen, dass sich jemand verwachst. Dann fährt er eine Sekunde langsamer und du hast ein langweiliges Rennen. Aber das ist Sport, das muss dann zusammenwachsen», so Berger.
WRT ist komplett:
Es war eine der sehr schönen Nachrichten der Testfahrten: Das Audi-Kundenteam konnte sich einen zweiten Fahrer angeln. Pietro Fittipaldi, Enkel des zweimaligen Formel-1-Champions Emerson, wird die DTM-Saison 2019 für das W Racing Team bestreiten.
Auch erfreulich: WRT hielt zeitentechnisch gut mit, immerhin waren es die ersten Tests überhaupt mit den neuen Boliden für das Kundenteam. Unter dem Strich kam man auf 469 Runden, also 2143 Kilometer.
Überstunden für Aston Martin:
Noch eine gute Nachricht, diesmal für Aston Martin. R-Motorsport darf die zwei noch fehlenden privaten Testtage während der Saison nachholen. Diese Zusage erhielt Teamchef Florian Kamelger von der Konkurrenz. Audi und BMW hatten vor der Generalprobe auf dem Lausitzring neun private Testtage absolviert, Aston Martin durch die späte Fertigstellung des Vantage DTM nur sieben.