BMW rechnet nach DTM-Aus mit Audi ab: «Unsportlich!»
Als Audi vor einer Woche offiziell angekündigt hat, nach der Saison 2020 den Stecker aus dem DTM-Programm zu ziehen, war der Aufschrei riesig. DTM-Chef Gerhard Berger ließ deutlich durchblicken, dass er die Art und Weise nicht in Ordnung fand.
Die Entscheidung sei zu respektieren, so Berger, «auch wenn die Kurzfristigkeit, mit der diese Entscheidung mitgeteilt wurde, mich, unseren Partner BMW und alle weiteren Teams vor besondere Herausforderungen stellt. Hier hätten wir uns - gerade in Corona-Zeiten - ein Vorgehen im Sinne unserer gemeinsamen Gesellschaft gewünscht».
DTM-Champion René Rast war den Tränen nah, die meisten anderen Fahrer sind geschockt und ratlos, einige befürchten einen Rattenschwanz, eine Krise für den Motorsport, die sich durch Corona noch weiter verselbständigen könnte.
Vom Konkurrenten hörte man bis auf eine kurze Stellungnahme («Wir haben gemeinsam mit der ITR immer leidenschaftlich für die Zukunft und Weiterentwicklung der DTM gekämpft. Wir werden die Situation und mögliche Konsequenzen jetzt aus allen Blickwinkeln bewerten») erst einmal nicht viel, BMW hielt sich zurück.
Bis jetzt.
Wurde in der DTM bislang in den meisten Fällen darauf geachtet, dem Mitstreiter in der Öffentlichkeit nicht unnötig ans Bein zu pinkeln – sportliche Spitzen ausgenommen – geht es nach dem Audi-Ausstieg für DTM-Verhältnisse rund.
Fröhlich sauer
BMW-Entwicklungschef Klaus Fröhlich ist sauer, und daraus macht er im Interview in der Süddeutschen Zeitung auch gar keinen Hehl. Im Gegenteil.
Ihn habe das Aus überrascht und enttäuscht, sagte er. Wie Berger ärgert ihn vor allem der Stil, denn eine Unterredung fand vorher offenbar nicht statt. «Und ich finde es nicht nur erstaunlich, sondern auch unsportlich, auszusteigen und mit uns als zweitem Partner davor nicht zu sprechen. Das hat mich wirklich umgehauen, das gibt's einfach nicht!», schimpfte Fröhlich, der verriet, dass er im Falle des Mercedes-Ausstiegs vom damaligen Daimler-Entwicklungsvorstand Ola Källenius persönlich angerufen wurde. «Das war alles professionell und wertschätzend. Das habe ich hier bei Audi vermisst.»
Einen persönlichen Kontakt mit Markus Duesmann, dem Vorstandsvorsitzenden der Audi AG, gab es auch nicht, auch wenn der vor seinem Wechsel nach Ingolstadt Vorstandsmitglied bei BMW war. Auch Berger wurde laut Fröhlich nicht vom Vorstand, sondern sehr spät auf Arbeitsebene informiert.
«Wie andere Partner ebenfalls. Egal, wie man sich entschieden hat - das kann ein Unternehmen machen, wie es will -, bei der Lage der DTM kommuniziert man im Sinne von Fairness und Sportlichkeit anders und macht das nicht so», sagte Fröhlich.
Analysiert man die Lage der DTM nüchtern, bleiben kaum noch Optionen für eine Zukunft, schließlich ist nun nur noch BMW übrig. Berger hatte erklärt, man führe Gespräche, das dauere aber noch. Klar: Die Lage ist nahezu aussichtslos. Auch hier spart Fröhlich nicht mit Kritik.
«Durch das Aufgeben von Audi ist die Serie jetzt in eine Existenzkrise gestürzt worden. Und zwar wissentlich und mit vollem Bewusstsein. Wir hatten ja mit den Kollegen sehr vertrauensvoll die nächsten Schritte zu einer zukunftssicheren elektrifizierten DTM vereinbart, an die sie sich jetzt nicht mehr halten», wetterte Fröhlich und ließ die nächste Spitze los: «Ich finde das nicht besonders langfristig gedacht. Aber ich erwarte bei den aktuellen Akteuren auch nicht allzu viel.»
Jetzt sei man in der Situation, dass BMW in der DTM nicht alleine gegen sich selbst fahren könne, so Fröhlich: «Gerhard Berger und ich müssen überlegen, wie es weitergeht. Wir haben sprichwörtlich keine Chance, jetzt schauen wir mal, ob wir sie nutzen können», sagte er.
Interessant dabei: Neben den wirtschaftlichen Herausforderungen der Coronakrise hatte Audi auch erklärt, sich stärker auf die Elektromobilität konzentrieren zu wollen. Für Fröhlich kein Argument, wie er betonte.
Denn in der DTM existieren Elektro-Pläne ebenfalls. 2022 soll auf Hybrid umgestellt werden, 2025 war eine vollelektrifizierte Tourenwagenserie anvisiert worden. «Die Perspektive der DTM lautet: Sie wird elektrisch und global. Das haben wir maßgeblich getrieben. Dass Audi das aufs Spiel setzt, wo wir auch gemeinschaftlich so viel Arbeit reingesteckt haben, verwundert mich», so Fröhlich. «Und die Aussage 'Wir gehen wegen Elektro in Formel E, statt in der DTM zu bleiben' kann ich eben deswegen nicht verstehen, weil die DTM bis 2025 ja vollelektrisch werden will.» Nicht zu vergessen: BMW ist wie Audi auch in der Formel E engagiert.
Passt die Audi-Strategie
Er ist sich nicht sicher, ob die Audi-Strategie aufgeht: «Ob es nachhaltig war, das Standbein DTM abzuschneiden, und ob die Formel E langfristig tragfähiger ist, um Elektromobilität zu kommunizieren - da setze ich ein Fragezeichen dahinter.»
Die für die DTM wichtigste Frage: Wie geht es für BMW hinsichtlich der Serie weiter? Die Bewertung bei BMW ist noch nicht abgeschlossen.
«Klar ist: Unsere Motorsportstrategie folgt der Unternehmensstrategie. Wir müssen abwarten, was sich wie entwickelt, da ist sehr viel im Fluss. Kurzfristig hat der bisherige Ansatz der DTM ein Problem, und wir müssen vielleicht querdenken. Es wird sicher erst mal eine Nachdenkpause und vielleicht eine Unterbrechung geben - aber die DTM hat in ihrer Geschichte ja schon einmal ausgesetzt und ist zurückgekommen.»