Zoff mit ADAC, DMSB, Reuter: Die Berger-Abrechnung
DTM-Chef Gerhard Berger
Gerhard Berger, was bedeutet die Neuausrichtung für die DTM?
Es ist eine Chance, die DTM weiter zu führen. Die Serie ist relativ stark, auch wenn wir im Moment nur zwei Hersteller am Start haben. Diese Stärke ist in Frage gestellt worden. Meine Antwort darauf ist, dass wir die Plattform in Zukunft noch stärker machen werden. Für mich ist das eine tolle Möglichkeit, auch wenn ich natürlich weiß, dass es in den nächsten beiden Jahren nicht einfach werden wird – nicht zuletzt auch wegen Corona, dem Wandel bei den Antriebstechnologien und den begrenzten Hersteller-Ressourcen, die nicht in erster Linie für den Motorsport verwendet werden.
Was müssen Sie besser machen?
Wir müssen unser Angebot schärfen. Die Autorennen müssen ein Erlebnis für die ganze Familie sein. Das Konzept dafür zu erarbeiten ist eine Herausforderung. Denn wir sind aktuell sehr klassisch unterwegs, müssen aber neue und moderne Wege gehen. Gleichzeitig müssen wir die Leute in die Zukunft mitnehmen. Ich vergleiche das mit dem Zirkus: Lange war der ein Zelt mit Tiger, Löwen und einem Clown. Irgendwann wurde der Zirkus durch den Cirque du Soleil neu erfunden – eine super-moderne Form des Zirkus ist entstanden. So eine Veränderung würde ich gerne für den Motorsport schaffen. Aber das ist auch die Schwierigkeit dabei, denn der Sport muss immer im Mittelpunkt stehen und nicht die Show.
Wird es den Fans egal sein, dass GT3-Autos in der Startaufstellung stehen werden?
Nur den ganz großen Technikfreaks ist es wichtig, die Technik unter der Haube zu verstehen. Emotional bindet sich der Fan zuerst an Sportler, Teams, Marken oder den Sound usw. Er liebt es auch, verschiedene Fahrzeug-Konzepte zu sehen. Wir haben mit den Class-1-Autos tolle Rennwagen, aber sie sehen fast alle gleich aus und durch die Einheitsmotorenkonzepte klingen sie auch annähernd gleich. Ich bin mir sicher, dass wir mit dem neuen DTM-Reglement eine große Markenvielfalt für die Startaufstellung bekommen, das war bisher unsere große Schwäche. Das Konzept wird den Fan mitten ins Herz treffen.
Befürchten Sie nicht, dass er sagen wird: ‚Das ist nicht mehr meine DTM‘?
Ich glaube, dass es eher umgekehrt sein wird. Die DTM hat bereits viele technische Reglements gesehen. Zum Beispiel ganz früher Gruppe-5-Auswüchse, aber auch seriennahe Autos. Man kann im Nachhinein kaum sagen, was populärer war. Der Fan verlässt sich darauf, dass man ein Reglement macht, mit dem es spannende Rad-an-Rad-Duelle gibt. Dann geht er mit. Und wenn er es gesehen hat, wird er sich entscheiden, ob er es besser findet oder nicht.
Kann er das im Fernsehen weiterhin in Sat.1?
Ja, klar - der Vertrag läuft weiter. Sat.1 war auch im Hintergrund sehr bemüht, dass wir die Plattform weiter voranbringen. Sie bewerten das neue Reglement genauso als Schritt vorwärts und sind motiviert, die DTM weiter zu übertragen. Zumal die TV-Reichweite und die Marktanteile in diesem Jahr besonders gut sind.
Wie gehen Sie das Thema Balance of Performance an?
Das ist die negative Seite des GT-Sports: Man muss mit der Balance of Performance umgehen, was höchst komplex ist. Ich möchte die besten Techniker gewinnen, um das Thema mit maximaler Qualität, Transparenz und Fairness aufzusetzen. Das alles wird aber mit der gebotenen Distanz zu meiner Person geschehen. Es wird eine zuständige Stelle geben, die das Thema bearbeitet.
Ein essentielles Element sind die Teams. Wie zuversichtlich sind Sie, dass die das Ganze finanziert bekommen?
Ich bin zuversichtlich, dass die Hersteller Teams unterstützen werden. Die Serie ist schließlich attraktiv, und jeder sieht seine Marke gerne in der ersten Startreihe. Deshalb wird es die ein oder andere Unterstützung geben. Bei unserem neuen Ansatz werden die eigenständigen Teams und ihre Fahrer wieder in den Mittelpunkt rücken. Das bedeutet auch, dass sich der ein oder andere neu aufstellen muss – was die technische Seite, aber auch die Finanzierung über Sponsoren betrifft.
Ein großes Thema war zuletzt das „Duell“ ADAC GT Masters gegen die DTM. Wie sehr nervt Politik im Motorsport?
Ich bin es aus meiner früheren Tätigkeit nicht anders gewöhnt: Die höchste Politik wird in der Formel 1 praktiziert. Man ärgert sich schon hin und wieder über gewisse Aussagen. Aber man muss auch immer versuchen, die Politik oder die Interessen dahinter zu verstehen. Nur so kann man unterscheiden: Ist es Politik oder Interesse oder wirklich eine Meinung? In Deutschland herrscht Gott sei Dank Meinungsfreiheit, und die gilt es zu respektieren.
Ex-DTM-Champion Manuel Reuter hatte Sie zuletzt harsch kritisiert: Sie spalten, Sie polarisieren und blocken ab. Harte Worte…
Man hat mir gesagt, dass sich Manuel Reuter beim DMSB beworben hat, um der Nachfolger von Ex-Präsident Hans-Joachim Stuck zu werden. Daher gehe ich davon aus, dass seine Aussagen politisch motiviert sind.
Zu seinen Aussagen:
Ich polarisiere? Ich finde, es ist in Ordnung, dass jemand das sagt, was er denkt, auch wenn er dabei polarisiert.
Ich spalte? Ich spalte gar nichts. Das von Manuel Reuter angesprochene ADAC GT Masters hat im Vergleich zur DTM – was Zuschauer- oder TV-Zahlen angeht – wenig Relevanz. Die DTM ist seit 30 Jahren das Kernstück des deutschen Motorsports.
Nicht zugänglich? Ich habe gar nicht gewusst, dass er mit mir reden wollte. Aber mit den maßgeblich involvierten Leuten rede ich sehr wohl öfters und ausführlich, auch unter anderem mit Hermann Tomczyk vom ADAC. Wir kommen nicht immer auf einen gemeinsamen Nenner, verstehen aber beide Seiten.
Dass Reuter aber meinte, ich sage die Unwahrheit, damit habe ich ein Problem. Aber da hat er wahrscheinlich mit meiner Ex-Frau gesprochen. Sie ist die Einzige, die sagen kann, dass ich hier und da mal die Unwahrheit gesagt habe. Aber ich wüsste nicht, wo ich in dieser Geschichte die Unwahrheit gesagt habe.
Er meinte, er habe gehört, dass es Vorstöße vom ADAC gab, etwas gemeinsam auf die Beine zu stellen, Sie hätten aber abgeblockt.
Das stimmt auch nicht. Ich weiß nicht, woher seine falschen Informationen stammen. Hermann und ich haben uns sehr wohl ausführlich über einen gemeinsamen Vorstoß und über Synergien unterhalten. Aber die Geschäftsmodelle und Formate unterscheiden sich einfach zu sehr. Daher haben wir noch keinen gemeinsamen Ansatz gefunden. Der ADAC-Ansatz ist Breitensport und ich habe jetzt auch mitbekommen, dass dort auch einige wenige Profis am Start sind.
Ziel beider Serien muss sein, möglichst viele Möglichkeiten für die Fans in Deutschland zu schaffen. Am Ende entscheiden sowieso die Fans und die Teilnehmer, also der Markt. Und das sollte man nicht künstlich beeinflussen und abstecken – so wie es der ADAC über seine Möglichkeiten, also über den DMSB, immer wieder versucht.
Sie sprechen das neue Prädikat des GT Masters als Internationale Deutsche GT-Meisterschaft an. Sehen Sie das als Kampfangriff?
Momentan ist für mich unklar, ob das ADAC GT Masters eine deutsche oder internationale Meisterschaft sein soll. Wir sind eine internationale Meisterschaft mit Fokus auf Deutschland. Meines Wissens nach geht es hier um ein Prädikat, das der DMSB dem ADAC als nationale GT-Meisterschaft anscheinend verliehen hat. Ich war zwar immer der Meinung, dass der DMSB ein solches Prädikat offen und transparent vergeben muss, damit jeder die Möglichkeit hat, sich dafür zu empfehlen. Aber die Ausschreibung habe ich wohl verschlafen.
Welche Konsequenzen ziehen Sie daraus?
Mein Fokus liegt auf unserer Meisterschaft. Mein Ziel ist es, die DTM bestmöglich aufzustellen, damit sie auch in Zukunft so erfolgreich am Markt ist wie in der Vergangenheit. Sollte man gegen uns komplett über das Ziel hinausschießen, werde ich mich natürlich wehren.
In der DMSB-Pressemitteilung wurde der ADAC gelobt, dass man «die erfolgreiche Arbeit des ADAC, der in den vergangenen Jahren demonstriert hat, wie eine GT-Serie professionell organisiert werden muss, um langfristig Erfolg zu haben», würdige. Fassen Sie das als Spitze auf, da Sie ja gerade erst anfangen, die GT3-DTM aufzubauen?
Die Aussage selbst ist in Ordnung. Ich bin nur immer überrascht, wie die neutrale Sporthoheit in Deutschland in der Lage ist, sich zu positionieren. Das geht offenbar nur in Deutschland.
Nun sind Sie auch nicht zimperlich. Waren Sie vielleicht nicht diplomatisch genug oder haben sich mit den falschen Leuten angelegt?
Persönlich habe ich mit allen erwähnten Personen ein gutes Verhältnis. Es ist das System, an das ich mich weder anpassen werde, noch lasse ich mich hineinpressen. Mein Leben lang habe ich den Wettkampf und den freien Wettbewerb gelebt - im Sport wie auch im Geschäftsleben. Daher stelle ich mich auch dagegen, dass der ADAC versucht, ein Monopol in Deutschland zu schaffen.
Nun gehört so etwas zum Teil auch zur Politik im Motorsport und damit auch zum täglichen Geschäft…
Aber diese Art von System und Politik hat weder im Geschäft noch im Sport was zu suchen und sie ist auch der falsche Fokus an der Stelle. Mein Fokus lag darauf, die richtigen Partner für die Zukunft zu finden, die Arbeitsplätze zu sichern und die Fans weiter mit dem Sport zu bedienen. Jetzt geht es darum, das Feld optimal aufzustellen, um spannende Rennen zu zeigen. Wenn das funktioniert, funktionieren auch meine wirtschaftlichen Ideen.
Arbeiten Sie mit der neuen DTM weiterhin mit dem DMSB zusammen?
Nein, in dieser Form habe ich das nicht vor. Denn der DMSB steht den Interessen des ADAC zu nahe. Somit ist es für ihn auch schwierig, auf unsere Anliegen ohne Interessenskonflikt zu reagieren. Ich gehe davon aus, dass unser operativer Partner für die Zukunft der Automobilclub von Deutschland (AvD) wird. Die Formalitäten müssten weiterhin über den DMSB abgewickelt werden, da er als ASN (Autorité Sportive Nationale) die zuständige Stelle ist – alternativ bleibt nur der Weg zu einem ausländischen ASN.
Liegt das an den jüngsten Entwicklungen?
Das Thema gibt es schon seit längerer Zeit, zuletzt bei der Einführung der DTM Trophy. Man hat immer wieder gesehen, dass der DMSB in seiner jetzigen Form keine neutrale Stelle ist.