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BMW-Dirigent Jens Marquardt: Der neue Mann

Von Yörn Pugmeister
2012: Jens Marquardt gratuliert Bruno Spengler

2012: Jens Marquardt gratuliert Bruno Spengler

Welcher Mensch verbirgt sich hinter BMW-Motorsport-Direktor Jens Marquardt? Wir schnüffelten in seiner Vergangenheit.

Herzklopfen spürte er, der neue BMW-Motorsportchef, als er im Vorjahr zum ersten Mal vor jenem Rennwagen stand, mit dem er in der DTM gegen Audi und Mercedes antreten würde. Ästhetisch fand er ihn, sexy ganz in Schwarz, gelungen in seiner Aerodynamik. «Ein wunderschönes Auto», das sagt Jens Marquardt auch ein Jahr später noch, nachdem im ersten Jahr alle drei möglichen Titel eingefahren worden sind. In diesem Jahr soll das wiederholt werden – so wünscht es sich der Dirigent des BMW-Motorsport-Orchesters.

Von der Formel 1 zum Tourenwagen

Der neue Mann, seiner Rolle bei den Weiß-Blauen deutlich bewusst, der Tradition der Marke BMW und ihrer sportlichen Vergangenheit unter Chefs wie Jochen Neerpasch, Dieter Stappert, Mario Theissen und der Motoren-Ikone Paul Rosche verpflichtet, ist Techniker. Und Organisator. Schwabe, im Sternzeichen Stier geboren, irdisch.

Nach dem Studium der Luft- und Raumfahrt in Stuttgart wurde er nicht – wie sein Bruder – Pilot, sondern ging zum Daimler, Entwicklung Dieselmotoren. Als Mario Illien rief, folgte er, entwickelte Formel-1- und CART-Motoren für McLaren und Indy. Lernte Roger Penske schätzen, Mario Andretti im schwarzen Auto genial zu finden. Rennsport wurde zur Welt für Jens Marquardt, der in Singen am Hohentwiel sein erstes Rennen und irgendwo in der Pfalz seine erste Rallye erlebt hatte.

Selbst fahren? «Nicht einmal zum Ingenieur-Testpilot hätten meine Fähigkeiten gereicht», räumt Marquardt nüchtern ein.

Nach fünf Jahren Ilmor wechselte der damals 33-jährige Ingenieur zu Toyota, Motorenentwicklung. Bei den Japanern blieb er zehn Jahre lang – in den unterschiedlichsten Funktionen: Er wurde Leiter des Test-Teams, dann Chef der Abteilung Kundenmotoren. In diesen Jahren verbrachte er viele, viele Wochenenden auf den Rennstrecken der Welt, bei Rennen und Tests. Toyota  lieferte F1-Treibsätze an Jordan, Spyker, Midland und Williams, Marquardt hatte vor Ort zu sein. Als Toyota die Formel 1 verließ, machte der Schwabe weiter: General Manager für Geschäftsentwicklung und Produktion.

Dann, mit 43 Jahren, übernahm er den Job bei BMW Motorsport.

Integration in eine schöne, neue Welt

Es galt, sich bei BMW als Externer in eine neue Form, in völlig neue Arbeitswelten mit diversen Altlasten und noch mehr Zukunftserwartungen zu integrieren. Marquardt wirkt clever dabei, kennt die Bedeutung von Netzwerken, in die er mit den 150 Leuten seiner Motorsport-Abteilung eingebunden ist. Angesiedelt im Bereich Entwicklung streckt er Hände aus in Richtung Vermarktung, baut persönliche Kontakte auf zu den Fürsten der Prüfstände und Windkanäle, kennt und benutzt jene wohlklingenden Ausdrücke, mit denen Führungskräfte in großen Industrie-Unternehmen zu kommunizieren pflegen: Da gilt es, Ressourcen zu nützen und den großen Differenziator zu pflegen. Authentizität wird gelebt, Schnittstellen sind zu erkennen, Suboptimales gehört ausgemerzt. Attribute werden herausgestellt, Motivations-Generatoren angeworfen und «commitments» betont. In Letzterem ist Marquardt sicher höchst geschickt, in seiner Identifikation mit BMW, in seiner Hingabe, seinem Bekenntnis zur Marke.

Orchester-Chef für gute Musiker
«Es müssen nicht immer die Allerbesten sein, die für den Motorsport arbeiten, aber alle Beteiligten müssen Maximales leisten.» Der BMW-Motorsportchef hat präzise Vorstellungen, will nicht über seinem Teamorchester schweben, will Teil davon sein. Aber dirigieren.

Er ist sogar bereit zu vergeben, wenn Fehler gemacht werden, lässt wiederholen. Allerdings nur einmal. Seine Geduld bezeichnet er als beschränkt, Freiheiten gegenüber Abmachungen gestattet er nicht. Durchaus unangenehm könne er werden, betont er.

Man kann es sich vorstellen beim durchtrainiert wirkenden Marquardt mit stets deutlich artikulierender Stimme, der sich nie verbiegen will, nur um zu gefallen. Er möchte sich und anderen dieses Unangenehm-Sein ersparen. Er, für den Geduld und Selbstdisziplin,  Beharrlichkeit und bedachtsames Handeln verpflichtend sind.

Tugenden eines typischen  Stier-Mannes, wie schon seine Mutter erkannte.

Da er am letzten Tag dieses Sternzeichens (am 20. Mai) geboren ist, schlagen musische  Eigenschaften des nachfolgenden Zeichens Zwilling durch: Marquardt mag Musik, klassische, aber auch Metallica. Er steht auf sinnliche Formen, auf fließende Eleganz: «Am Ende ist nur ein wirklich ästhetisch aussehendes Auto auch wirklich schnell.»

In dieser Saison kann er diese Überzeugung erneut ausleben – acht DTM-Autos muss er dirigieren. Er weiß, dass BMW in der Rolle des Gejagten antritt, aber das schreckt den Motorsport-Chef kein bisschen. «Als Gejagter ist man vorne, alle sind hinter dir, wollen dich verdrängen. Du bist wie der Hase im Feld, hinter dem der Fuchs her ist. Aber jeder Haken, den du schlägst, ist keineswegs hektisch, er ist dynamisch. Das ist ein Teil des Sports.»

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