Mike Rockenfeller: Vom Feldfüller zum Volltreffer
Mike Rockenfeller hätte auch Radio-Moderator werden können. Die tiefe Stimme, die immer ein wenig nach einer langen Party, Whiskey und Zigarren klingt, ist unverkennbar sein Markenzeichen. Doch der neue DTM-Champion ist kein Lautsprecher, sondern lässt die Taten auf der Strecke für sich sprechen. Große Töne hat Rockenfeller in dieser, in seiner Saison, nie gespuckt. Immer konzentriert, immer fokussiert fuhr der 29-Jährige zielstrebig auf den größten Triumph seiner Karriere zu.
In der vergangenen Saison war er in einem schwachen Audi-Team bereits der beste Fahrer. Und im Gespräch mit SPEEDWEEK.COM hatte er vor der Saison schon verdeutlicht: Wenn er ein konkurrenzfähiges Auto habe, könne er um den Titel fahren. Er sollte Recht behalten. Rockenfeller ist die neue Speerspitze der Ingolstädter.
Das war nicht immer so. «Es gab schon Zeiten, wo es hart war die Motivation zu finden. Die Meisterschaft ist so hart und du wirst so schnell abgestempelt. Früher warst du mit einem alten Auto ein Feldfüller. Die Fahrer die jetzt in die DTM kommen können sich gar nicht vorstellen, wie es mit einem alten Auto war», sagt Rockenfeller im Gespräch mit SPEEDWEEK.COM heute über die Zeiten im Vorjahreswagen und gibt zu, dass ihm die Umstellung schwer fiel. «Ich war es gewohnt Rennen und Meisterschaften zu gewinnen. Und dann kommst du in so ein Becken und es läuft nicht. Es lag auch an mir, aber ich denke dass ich besser war als das was dabei herausgekommen ist. Aber ich habe immer weitergekämpft. Ich bin sowieso selbstkritisch und hatte auch Selbstzweifel.»
Endlich das Standing
Rockenfeller suchte die Motivation und den Durchbruch. 2011 erfolgte in Form eines neuen Autos der erste Schritt. Ironie der Geschichte: Markenkollege Martin Tomczyk gewann ausgerechnet in Rockenfellers altem Auto den Titel. «Aber endlich habe ich dieses Standing gehabt», sagt Rockenfeller. 2012 war er dann als Gesamtvierter bester Audi-Pilot.
Die Ruhe und Gelassenheit, die Rockenfeller ausstrahlt, holt er sich bei seiner Familie. Neben seiner Wahlheimat Schweiz ist das Elternhaus in Neuwied immer noch ein wichtiger Lebensmittelpunkt. Dort drehte er als Achtjähriger in einem VW-Käfer seine ersten Runden in einem Auto. Sieben Jahre später hat es endgültig Klick gemacht, nachdem er zunächst Landwirt werden wollte. «Ich war 15 und saß das erste Mal in einem Formel-Auto. Mir war sofort klar: Das will ich machen – mein Leben lang, wenn’s geht.»
Das Heimatgefühl will Rockenfeller auch bei der DTM nicht missen. Und schläft deshalb in seinem Wohnmobil an der Rennstrecke. Fahren darf er seinen Rückzugsort allerdings nicht selbst, da er mit seinem Führerschein nur bei Fahrzeuge bis 3,5 Tonnen hinter dem Steuer sitzen kann.
Mehr der Landmensch
«Ich bin mehr der Landmensch», gibt Rockenfeller zu. «Ich mag die Ruhe. Große Menschenmengen sind nicht meins. Das Leben auf dem Land ist genau mein Ding», sagt Rockenfeller, der viele Vorzüge des Landlebens nennen kann. Beispielsweise die Möglichkeit einer großen Garage, in der man als gelernter KFZ-Mechaniker auch mal schrauben kann. Oder schlicht die Entspannung. «Wenn man so viel Trubel wie bei der DTM hat – für mich ist das Trubel – bin ich froh wenn ich nach Hause komme, nicht viele Leute sehe und nicht über Motorsport reden muss. Einfach weg von dem ganzen Zirkus und auch mal auf die Couch legen.»
Ruhe hat Rockenfeller auch (noch) auf der Straße. Denn erkannt wird er außerhalb seiner Heimatorte bislang nicht oft. Das könnte sich nun natürlich ändern. «Da bin ich nicht böse drum. Mir geht es ja ums Rennen fahren. Ich bin keiner, der auf zig Partys rumtanzen muss. Ich muss das nicht suchen, auch wenn ich jetzt erfolgreicher bin.»
«Er ist ein ehrgeiziger Schwiegermutter-Typ, und das meine ich durchaus positiv», sagt sein Markenkollege Mattias Ekström. Rockenfeller bestach in dieser Saison vor allem durch seine Konstanz. Während sich die Konkurrenz in hübscher Regelmäßigkeit Ausrutscher und Ausfälle nahm, fuhr der 29-Jährige in jedem Rennen in die Punkte. Einhellig ist deshalb die Meinung im Fahrerlager: Rocky hat sich den Titel redlich verdient.
Einen direkten Zusammenhang weist Rockenfeller zwar immer wieder von sich. Auffällig ist es aber trotzdem, dass sich der auf der Schweizer Seite des Bodensees lebende Rockenfeller prompt den Titel holte, als er sich erstmals seit seinem DTM-Debüt 2007 komplett auf die Tourenwagen-Karriere konzentrierte. Zuvor fuhr er parallel auch im Sportwagen.
Und das sehr erfolgreich: 2008 gewann er den Titel in der Le-Mans-Series, außerdem gewann er die 24-Stunden-Rennen in Daytona, Le Mans und auf dem Nürburgring. 2011 überlebte er in Le Mans einen Horrorcrash bei über 300 km/h praktisch unverletzt. Aber offenbar war das der Startschuss für seinen DTM-Aufstieg zum Titel: DMSB-Chef Hans-Joachim Stuck sagte noch jüngst, dieser Unfall habe Rockenfeller schneller gemacht.