Heinz Platacis: Der erste Endurance-Team-Weltmeister
Immer noch aktiv: Heinz Platacis
Langstreckenrennen für Motorräder gibt es schon lange. Bereits 1922 wurde in Vaujours in Frankreich erstmals ein Rennen für Motorräder zweimal rund um die Uhr ausgetragen.
1975 fasste der Weltverband FIM die inzwischen mehr gewordenen einzelnen Langstreckenrennen zu einer Serie zusammen und nannte sie FIM Endurance Prize. Fünf Rennen gehörten damals dazu. Nach der Premiere mit dem 1000-km-Rennen am 8. Juni im italienischen Mugello, das vom Spanier Benjamin Grau und vom Italiener Virginio Ferrari auf einer Ducati 900 gewonnen wurde, folgten die 24h-Rennen in Barcelona im altehrwürdigen Montjuich-Park, in Spa-Francorchamps und der Bol d’Or in Le Mans. Den Schluss bildete das 400-Meilen-Rennen im englischen Thruxton. Erste Gesamtsieger wurden das französisch/schweizerische Duo Georges Godier und Alain Genoud mit einer Kawasaki 1000.
Nach der einjährigen Probezeit wurde 1976 die Langstrecken-Europameisterschaft ins Leben gerufen. Die Austragungsorte waren die gleichen wie im Jahr zuvor, doch die Champions hießen Jean-Claude Chemarin und Christian Leon. Die beiden Franzosen wurden auch in den folgenden drei Jahren Europameister.
1980 kam dann erstmals das Rennen im japanischen Suzuka in den Kalender, womit die Serie alle Kriterien für eine Weltmeisterschaft erfüllte. Marc Fontan und Hervé Moineau gingen als erste Weltmeister in die Geschichte ein.
Bis zum Millenniumsjahr 2000 wurden alljährlich (mit Ausnahme von 1989 und 1990) Fahrer als Weltmeister gekürt. Auch auf Grund der häufig wechselnden Fahrerbesetzungen ging die FIM, beginnend mit dem Jahr 2001, dazu über, den WM-Titel an Teams zu vergeben.
Den ersten dieser WM-Titel sicherte sich Wim Motors Racing 9 mit den Belgiern Laurent Naveau und Albert Aerts sowie dem Deutschen Heinz Platacis. Wenngleich dies schon ein paar Tage her ist, kann und will der derzeitige Wuppertaler vom Rennen fahren noch nicht lassen. In der Moto Trophy hat er eine Heimat gefunden und fährt, wie sollte es anders sein, mit einem (Klassik-)Superbike.
Heinz Platacis wurde am 10. August 1960 in Melbourne geboren, doch ob das so hundertprozentig stimmt, ist er sich selbst nicht sicher. «Es gab damals mit den australischen Gesetzen ein bisschen ein Durcheinander, da haben meine Eltern wohl etwas variiert. In meinem Ausweis steht jedenfalls das Geburtsjahr 1960», erklärte der bald 61-Jährige – oder vielleicht auch noch nicht.
Heinz Platacis Mutter ist gebürtige Deutsche und sein Vater gebürtiger Lette. Unabhängig voneinander sind sie einst nach Australien ausgewandert, haben sich dort kennengelernt und die australische Staatsbürgerschaft angenommen. Sohn Heinz wuchs in Melbourne auf, doch als er 14 war, zog die Familie nach Deutschland und schlug zunächst in Gladbeck in Nordrhein-Westfalen ihre Zelte auf.
Als schon seit jeher Technik-begeisterter junger Mann, stieg er im vergleichsweise hohen Alter von 24 Jahren in den Motorradrennsport ein. Daher auch seine Stamm-Startnummer 24.
Über die 500-ccm-Klasse und den damaligen OMK-Pokal kam er zu seiner internationalen Lizenz und stieg schließlich 1988 in die Superbike-Klasse ein. In seiner Karriere war Heinz Platacis immer Privatfahrer, fallweise zumindest mit Händler-Unterstützung. In der Pro Superbike ist er von allen Teilnehmern in den ganzen Jahren von 1991 bis 2000 der Fahrer mit den meisten Starts.
1994 fuhr Heinz Platacis in den Niederlanden sein erstes Langstreckenrennen, was sein zweites Standbein werden sollte. 1996 und 1997 wurde er Niederländischer Superbike-Meister und kam so 2001 zu Wim Motors, um für die niederländisch-belgische Truppe die Langstrecken-WM zu fahren. Zuvor war er schon zehn Jahre Langstrecken-WM-Läufe, primär 24-h-Rennen, für verschiedene Teams gefahren. Dadurch wurde es 2001 Heinz’ Aufgabe, das Motorrad für die Langstreckenrennen abzustimmen.
Suzuka musste man aus Budgetgründen auslassen, doch da Laurent Naveau, Albert Aerts und Heinz Platacis zuvor schon ordentlich gepunktet hatten, konnten sie anschließend in Oschersleben, was damals ebenfalls ein 24-h-Rennen war, dennoch den Titel vorzeitig einfahren. Am Trainingsfreitag feierte Heinz Platacis seinen offiziell 39. Geburtstag und am Sonntag klappte es mit Platz 4 tatsächlich mit dem vorzeitigen Titelgewinn.
Zwei Stunden vor Schluss hatten die beiden Belgier etwas kalte Füße bekommen, das Bike und somit den greifbar nahen Titel eventuell noch wegzuschmeißen. Da übernahm Heinz Platacis diese schwierige Aufgabe. «Über dieses Vertrauen war ich sehr ergriffen», erinnerte er sich. «Die schwerste Runde meines Lebens war die Auslaufrunde, da hatte ich Tränen in den Augen. Nach den vielen Jahren im Rennsport einen WM-Titel gewonnen zu haben, war natürlich eine große Genugtuung für mich.»
Zwischen 1996 und 1999 fuhr Platacis auch mit Wildcard den ein oder anderen Superbike-WM-Lauf, meist in Assen. Dabei holte er auf einer Kawasaki des Teams Karthin Rennsport sogar zwei WM-Punkte.
Seit 2005 lebt Heinz Platacis als Tankstellen-Besitzer in Wuppertal.