Red Bull Romaniacs: Sensation durch Alfredo Gomez
Die zehnte Ausgabe der Red Bull Romaniacs ist beendet. Am Samstag fielen bei sommerlichem Wetter und vor tausenden von Zuschauern an einer Steilauffahrt in Sibiu die letzten Entscheidungen. Nach vier Renntagen mit insgesamt ca. 600 km Fahrstrecke und einem extrem schwierigen Prolog, kamen die ersten Fahrer gegen Mittag völlig erschöpft ins Ziel. Dort erwarteten sie neben einer Riesenparty jedoch noch einige Überraschungen, die ihnen einen letzten Klimmzug abverlangten. Als extremste galt der «Pool», ein Wasserbecken von 20 Metern Länge, 10 Metern Breite und 1 Meter Tiefe. Der einzige Weg, dieses Hindernis zu überqueren, war mit mindestens 90 km/h per Aquaplaning darüber zu surfen.
Weniger Tempo oder Unruhe im Fahrwerk führten ohne Gnade zu einer Vollwasserung von Fahrer und Motorrad, was aber auf Grund der wenige Meter entfernten Ziellinie kein Risiko für die Platzierung darstellte. Chris Birch war der erste Profifahrer, der sich über den Pool wagte und den Zuschauern auch gleich demonstrierte, wie man es richtig macht. In Schlagdistanz hinter ihm kam Jonny Walker, den er an der Steilauffahrt überholt hatte, über das Wasser geflogen. Viele der Hobby-Klasse Fahrer wählten die «Chicken line» um den Pool herum, mussten aber feststellen, dass dies nicht unbedingt eine Erleichterung war: in den Steilwänden der Sandgrube ging es nicht weniger extrem zur Sache und auch hier trennten sich etliche Motorräder von ihren Fahrern.
Auch Graham Jarvis bevorzugte die «Chicken line» und hatte keine Probleme mit den steilen Pfaden. Seine Kollegen sahen jedoch nicht ein, dass er trocken auf das Podium wollte und warfen ihn nach dem Ziel zur Freude der Fans ins schlammige Wasser... Jarvis nahm es gelassen, denn er hatte sich gerade seinen Traum erfüllt und die Red Bull Romaniacs zum vierten Mal gewonnen. Jarvis: «Ich war trotz meines sicheren Vorsprungs ziemlich nervös gewesen am Morgen vor dem Rennen. Die Erfahrung zeigt, dass in letzter Minute noch alles schief gehen kann.» Aber der Husaberg-Pilot setzte seine Siegesserie im Extrem-Enduro-Bereich mit Platz 1 weiter fort.
Auf Platz 2 fuhr der Spanier Alfredo Gomez und legte damit eines der eindrucksvollsten Debüts in der Geschichte der Red Bull Romaniacs hin. Der Husaberg-Werksfahrer kam in Sibiu komplett «unter dem Radar» an und fand sich auf keiner der Favoritenlisten für den Titel wieder. Es dauerte genau zwei Tage, dann wurde sogar gemunkelt, dass er die Rally gewinnen wolle – was bei einem Neueinsteiger so unwahrscheinlich ist, wie Schnee im Juli. Gomez legte dann auch in den folgenden Tagen Top-Leistungen vor und kompensierte seine fehlende Erfahrung mit cleverer Strategie.
Lettenbichler auf dem Podest
Das erhöhte dann den Druck auf die klassischen Podiums-Anwärter ins Extreme, so dass Walker, Bolton und Lettenbichler den Anspruch auf den verbleibenden dritten Platz unter sich ausfahren mussten. Dabei war es am Morgen des letzten Tages klar, dass es besonders zwischen Andreas «Letti» Lettenbichler und Jonny Walker extrem knapp werden würde. Entsprechend hart drehten die beiden dann am Gas und mussten auf volles Risiko fahren. Für Letti bedeutete das thermische Probleme mit seinem Bike und Freifall-Übungen an den meterhohen Klippen in der «Doomed»-Sektion. Walker hatte weniger extreme Stürze, dafür aber Navigationsprobleme am Morgen zu verkraften. Die haben ihm dann das Podium gekostet und Letti ist mit einem knappen Vorsprung von unter vier Minuten auf Platz 3 gefahren.
Bolton, der den heftigen Prolog gewonnen hatte, überzeugte genau wie Chris Birch mit konstanter Performance über die gesamte Renndauer. Beide mussten sich aber auf Grund der übermächtigen Konkurrenz mit Platz 5 (Bolton) und 6 (Birch) zufrieden geben.
Neben dem zweitplatzierten Gomez gab es einen weiteren Neueinsteiger, der auf sich aufmerksam machte: Ben Hemingway. Der Beta-Werksfahrer hatte schon mit einem Podium-Platz (3.) bei seinem ersten Prolog in Sibiu überrascht und fuhr dann wie entfesselt durch alle vier Renntage. Mit Platz 7 hat er sich damit in die Liste der Favoriten für die nächste Red Bull Romaniacs empfohlen.
Die beiden KTM-Werksfahrer Ivan Cervantes und Cristobal Guerrero, die zum ersten Mal an der Rallye teilnahmen sind zwar ausgeschieden, aber jetzt vom «Extrem-Enduro Virus» infiziert. Beide wollen ihre Extrem-Erfahrungen weiter ausbauen. Neben den Neueinsteigern und Favoriten gibt es auch zwei absolute Red Bull Romaniacs Veteranen, die alle zehn Rennen bestritten haben: Der Österreicher Peter Nesuta (Platz 32, Hobby-Klasse) und der Rumäne Emanuel Gyenes (Platz 2, Expert Klasse). Die Top-Ten der Pro-Klasse dieses Jahres werden vom Deutschen Philipp Scholz, dem Österreicher Lars Enöckl und dem Südafrikaner Wade Young vervollständigt.
Schocktherapie auf der Strecke
Das 2013er Rennen ging am Samstag mit einem erschöpften und glücklichen Fahrerfeld zu Ende. Die Strecke des vierten Renntages wurde in der Nacht zuvor noch erheblich entschärft und auf die durch den Regen veränderten Bedingungen angepasst. Insgesamt war im Unterschied zum letzten Jahr die Strecke des ersten Fahrtages die härteste. Die Fahrer wurden damit per «Schocktherapie» auf das Rennen eingestellt und die Streckenmanager liebten es einmal wieder, vom gesamten Fahrerfeld verflucht zu werden...
Die Rennleitung um Martin Freinademetz wurde von den Teilnehmern und Besuchern am Ende jedoch nicht verflucht, sondern mit Lob für die perfekte Ausführung und die hohen Sicherheitsstandards bedacht. Schon am Samstagabend wurde auch die traumhafte Renn-Strecke gefeiert und die Gemeinheiten der Track Manager um Klaus Sorensen waren bereits vergessen.
Insgesamt war die 2013er Rennstrecke etwas anspruchsvoller als die des letzten Jahres und entsprechend gab es trotz des perfekten Wetters weniger Fahrer im Ziel: Pro-Klasse 50% (Ex-250-ccm- und 500-ccm-Grand-Prix-Pilot Jürgen van den Goorbergh schied auch frühzeitig aus), Expert-Klasse 60%, Hobby-Klasse 70%, Rookie-Klasse 70%. Unter den Finishern waren auch zwei der drei Mädels, die fünf Tage zuvor an den Start gegangen waren. Sorina Sandu (RO) und Vroni Dallhammer (A) haben es beide geschafft und Vroni hat sich im Ziel sogar noch am «Pool» versucht. Danach wurde sie entspannt und fröhlich beim Herumspazieren zwischen einigen ihrer völlig erschöpft am Boden liegenden männlichen Kollegen gesichtet...