Michelin oder Dunlop: Die Qual der Reifenwahl
Bei der Reifenwahl ist zumeist das gewisse Händchen gefragt
Wenn am Osterwochenende in der FIA WEC das erste Rennen der Saison 2017 bestritten wird, kämpfen nicht nur Teams und Piloten um Siege, sondern auch die beiden in der Serie vertretenen Reifenhersteller Michelin und Dunlop. Bei den offiziellen Testfahrten in Monza standen die Ampeln bereits schon einmal auf grün und die charismatischen Langstrecken-Boliden zeigten in der strahlenden norditalienischen Sonne, was sie sich für das Jahr vorgenommen haben. Dabei hatte sich auch das 'schwarze Gold' im Vergleich zum Vorjahr fundamental verändert. Grund: In der LMP1- und der GTE-Pro-Klasse sind 2017 nur noch vier Reifensets (plus die üblichen zwei Extra-Pneus) für die 6-Stunden-Rennen erlaubt - anstelle von sechs Sätzen. Und in der LMP2 ist durch die neue Fahrzeug-Generation sowieso eine komplette Reifen-Neuentwicklung von Nöten gewesen.
Die Regeländerung in der LMP1 und GTE Pro mag auf den ersten Blick nicht sonderlich bedeutsam wirken, doch die Reifenhersteller waren gezwungen, ganz andere Lösungen zu entwickeln. Denn bei sieben bis acht Boxenstopps pro 6-Stunden-Rennen müssen die Pneus nun regelmäßig Double-Stints aushalten.
Bei Michelin sah man diese Herausforderung als Erweiterung der bereits seit 2014 eingeleiteten Politik für die LMP1-Klasse, als die Reifen 15 Prozent schmaler und zwei Kilogramm leichter wurden. Eine enorme Herausforderung für den französischen Hersteller, die noch größer wurde, als 2016 Dunlop wieder seinen Weg zurück in die Klasse fand und mit Rebellion Racing und ByKolles zwei Privatteams mit seinen Produkten belieferte. Zwar werden
2017 in der LMP1 nur noch Michelin-Autos unterwegs sein, da ByKolles kurzfristig vor Monza, wieder zurück zum 'Bibendum' wechselte (und Rebellion bekanntlich aus der Klasse ausstieg). Doch 2018 will Dunlop wieder in der großen Kategorie mitmischen und befindet sich in Gesprächen mit ersten potentiellen (privaten) Kunden.
Ergebnis im LMP1-Wettbewerb bezüglich Ausrüstung von Fahrzeugen - 5:0 für Michelin
Bei den GTE-Wagen wird der Fußabdruck Dunlops dagegen immer größer: Während 2016 nur Aston Martin auf die Pneus aus dem mittelhessischen Hanau setzte, kamen für diese Saison die Am-Teams Dempsey-Proton und Gulf Racing (beide Porsche) noch dazu. (Andere Equipen waren kurz davor umzusteigen, hatte sich am Ende dann aber nicht durchringen können)
Ergebnis im GTE-Wettbewerb - 8:5 für Michelin
Umgekehrte Vorzeichen in der LMP2-Kategorie: Dort machte sich Dunlop in den letzten Jahren als der große Platzhirsch breit und feierte beispielsweise etliche Siege bei den 24 Stunden von Le Mans. Auch für 2017 Dunlop blieb nicht untätig, sich auf die Anforderungen der neuen Saison vorzubereiten. Bereits im Sommer 2016 begann man mit ersten Track-Tests neu entwickelter Reifen, die durch die Auswirkungen des Gibson-Einheitsmotors auf die LMP2-Boliden notwendig wurden.
Dies mag einer der Gründe dafür sein, dass in der FIA WEC Michelin aktuell komplett ausgestochen wurde. «Michelin ist derzeit nicht in der LMP2-Klasse vertreten», erklärt Jérôme Mondain (Manager des Michelin Langstreckenrennen-Programms). «Über den Winter konnten wir keine Teams überzeugen, in uns zu investieren. Aber wir bemühen uns. Dafür sind wir mit einigen Fahrzeugen in der ELMS (European Le Mans Series) vertreten und wollen das als Vorzeigeprojekt für die Qualität unserer Reifenlösungen für diese leidenschaftliche Rennklasse nutzen.» Auch für das Rennen in Le Mans haben sich nach aktuellem Stand erst zwei Teams für Michelin entschieden.
Ergebnis im LMP2-Wettbewerb - 10:0 für Dunlop
Final kumuliert werden von den 28 Vollzeit-FIA-WEC-Autos also 15 mit Dunlop- und 13 mit Michelin Bereifung antreten. Was bedeutet, dass zumindest mengenmäßig ein ausgeglichenes Duell vor der Tür steht.