LMP2: Stress um erlaubte Chassis-Evolutionen für 2018
Für die Saison 2017 wurde die LMP2-Kategorie von FIA/ACO neu aufgesetzt. Nur noch vier Konstrukteuren wurde die Erlaubnis gewährt, ein Chassis für die Klasse zu entwickeln. Zusätzlich führten die Regelhüter mit dem 4.2L-V8-Sauger von Gibson einen Einheitsmotor ein. Die vier akkreditierten Chassis-Lieferanten machten sich an die Arbeit, ein entsprechendes Produkt zu kreieren. Jedoch mit unterschiedlichem Erfolg. Der Oreca 07 dominierte den Dallara P217, den Ligier JS P217 und vor allem dem Riley Mk. 30 in großem Maße.
Dies wurde vor allem bei den 24 Stunden von Le Mans deutlich, als erstmals alle vier Wagen im Wettbewerb aufeinander trafen. Beim Testtag zum großen Klassiker an der französischen Sarthe belegten die Oreca 07 die ersten 13 Plätze. Der beste Ligier hatte einen Rückstand von 3,761 Sekunden; der Dallara von 4,421 Sekunden und der Riley sogar von satten 10,525 Sekunden.
Dieses Ungleichgewicht passte den Regelhütern gar nicht, da sie doch ausgeglichene Felder in der LMP2-Klasse sehen wollten. Dementsprechend hatten sie im technischen Reglement vorsorglich einen Passus verankert, der Performance-Updates erlaubt. Diese Genehmigung ist in Artikel 3.1 verankert. Darin können die Konstrukteure Evolutionen zur bestehenden Basis-Homologation beantragen. Dallara, Ligier und Riley machten nun davon Gebrauch.
Zusätzlich zum Entwicklungsaufwand müssen die Konstrukteure 5000 Euro für die Zertifizierung der neuen Teile berappen. Die entsprechenden Kundenteams dürfen sich dagegen freuen. Denn sie erhalten die Evolutionen kostenlos zur Verfügung gestellt.
Dallara und Ligier wurde gestattet, sowohl ihr Hi-Downforce-Kit wie auch die Le-Mans-Aerodynamik zu überarbeiten. Riley soll sogar das komplette Chassis neu homologieren dürfen. Zusammen mit dem Oreca werden im Winter wohl alle vier Chassis in den 'Windshear'-Windkanal in North Carolina geschickt, um die jeweilige Performance zu überprüfen.
Oreca stößt dies natürlich mächtig auf: «Die Oreca-Gruppe erkennt die Entscheidungen von ACO und FIA an. Und obwohl wir darüber informiert wurden, wäre mehr Dialog und Konsultation wertgeschätzt worden. Wir sind mit diesen Entscheidungen nicht einverstanden und bestreiten ihre Legitimität unter Berücksichtigung der von Oreca durchgeführten Analysen», feuert Oreca-Boss Hugues de Chaunac in Richtung der Regelhüter.
«Als der einziger Hersteller, der sein Auto nicht weiterentwickeln darf, wird Oreca zusammen mit allen Teams, die uns vertrauen und die Oreca 07 erfolgreich betreten haben, ungerecht bestraft. In den frühen Tagen des Projekts hatten sich alle LMP2-Spieler auf die Idee eines offenen Wettbewerbs zwischen vier Chassis-Herstellern vereinbart», so Hugues de Chaunac weiter.
Natürlich ist sich auch de Chaunac der geltenden Regeln bewusst. Doch was ihm in besonderer Weise aufstößt ist, dass Dallara und Ligier Evolutionen gestattet wurden: «In der ursprünglichen Idee wurden die Performance-Entwicklungen vereinbart. Doch diese sollen sicherstellen, dass kein Hersteller mit Schwierigkeiten auf der Strecke bleibt. Nur einer von uns ist heute in dieser Situation», spielt er auf Riley an.
Tatsächlich haben Dallara (beim ELMS-Rennen im Le Castellet) und Ligier (in Silverstone und am Red-Bull-Ring) bereits Rennen gewonnen. Es stellt sich aber auch die Frage, inwieweit diese drei Siege auf die pure Performance der Fahrzeuge zurückzuführen ist. Außerdem konnte Oreca als einziger der vier Hersteller bei der Entwicklung auf dem Vorgänger-Modell aufbauen. So hatte der bis 2016 Verwendung findende Oreca 05 bereits die ab 2017 obligatorische Wagenbreite von 1,90 Metern.
Wie dem auch sei: Grundsätzlich dürfte der Zuschauer von den Evolutionen profitieren. Denn alle vier LMP2-Modelle werden 2018 näher zusammen rücken und somit spannendere Rennen bieten. Auch die Markenvielfalt in der FIA WEC könnte sich erhöhen. Dort sind 2017 nur Oreca 07 in Vollzeit eingeschrieben.