Formel 1: Abschied in der Unterhose

Stefan Mücke: Ohne Scheibenwischer durch den Regen

Kolumne von Stefan Mücke
Sportwagen-Star Stefan Mücke lässt die Leser von SPEEDWEEK.com regelmäßig an seinen Erlebnissen in der FIA WEC teilhaben. Beim Gastspiel in Fuji hatte er ganz spezielle Herausforderungen zu meistern.

Hallo liebe Leser von SPEEDWEEK.com,

ich freue mich, Euch wieder von meinem Rennen in der FIA WEC berichten zu können. Saisonlauf sieben fand auf dem 4,653 Kilometer langen Fuji Speedway in Japan statt. Aufenthalte im 'Land der aufgehenden Sonne' sind tatsächlich immer sehr speziell. Auch dieses Mal wieder. Es begann schon am Flughafen in Tokio. Als ich meinen Mietwagen abholen wollte, legte ich wie gewohnt meinen internationalen Führerschein vor. Jedoch bekam ich am Schalter sofort mitgeteilt, dass die von mir vorgelegte Variante in Japan keine Gültigkeit hätte. Pflichtbewusst hat mir der Mitarbeiter der Mitwagen-Firma folglich die Herausgebe eines Fahrzeuges verweigert. Aber das stellte mich natürlich vor die Herausforderung, von Tokio aus irgendwie an die knapp zweihundert Kilometer entfernte Rennstrecke in Fuji zu kommen. Letztendlich ging ich einfach eine Treppe hinunter und nahm den Linienbus. Selbstverständlich fragte ich mich schon, ob ich denn auch tatsächlich am Ziel ankommen würde. Aber in Japan ist der öffentliche Verkehr so gut organisiert, dass die Busreise überhaupt kein Problem darstellte. Es dauerte zwar ein wenig länger, aber dafür konnte ich Land und Leute etwas besser kennenlernen.

Auch das Rennwochenende in Fuji stellte sich als ganz außergewöhnliches heraus. Während ich noch bei 24 Grad Celsius und eitel Sonnenschein anreiste, waren alle Sessions und auch das Rennen richtig nass. Es war eines jener Wochenenden, an denen kein einziger Slick-Reifen montiert werden musste.

Somit haben wir in den Trainingsessions das Auto komplett auf Regen abgestimmt. Doch alleine schon das bietet sehr viele Möglichkeiten. Ein Regen-Setup kann für viel Wasser gut sein, aber dann für wenig Wasser auf der Bahn schon nicht mehr funktionieren. Da war also sehr sensibles Arbeiten gefragt. In der Qualifikation erreichte ich mit meinem Wagenpartner Olivier Pla den dritten Startplatz. Damit waren wir sehr zufrieden. Zumal wir wussten, dass unser Ford GT im prognostizierten nassen Rennen gut funktionieren würde.

Doch das Rennen stellte sich letztendlich als richtig chaotisch heraus. Wir starteten unter Safety-Car-Bedingungen. Als Rennleiter Eduardo Freitas die Strecke schließlich freigab, hatte er auf Start/Ziel und in Kurve eins eine sogenannte 'Slow Zone' einrichten lassen, in der maximal 80 km/h erlaubt waren. Noch in der ersten Runde hatte ich gleich einen Platz gut gemacht. Aber bei Einbiegen auf Start/Ziel büßte ich wieder zwei Plätze ein, da das Aufheben der 'Slow Zone' nicht bis zu mir ins Auto vorgedrungen war.

In Runde acht stellte sich dann ein elementares Problem ein. Denn der Scheibenwischer an unserem Fahrzeug verweigerte urplötzlich seinen Dienst. Und das ist bei strömendem Regen alles andere als gut. Solange die Scheibe noch sauber war, ging es noch halbwegs. Wir benutzen immer ein sogenanntes Rain-X-Mittel, welches die Tropfen an der Scheibe abperlen lässt. Doch als sich über die Renndistanz ein Dreckfilm auf der Scheibe einstellte, ging die Sicht fast gegen Null.

Ich saß dreieinhalb Stunden im Auto und hatte dadurch ein richtig herausforderndes Rennen. Ohne freie Sicht war das Finden der Bremspunkte am Ende der langen Geraden natürlich nahezu unmöglich. Ich orientierte mich an einer Markierung, die den Standort der Feuerlöscher anzeigte. So wusste ich ungefähr, wann ich das Bremspedal betätigen sollte.

Trotz alledem haben wir uns wacker durchgekämpft. Das Rennen war ein einziges 'Hin und Her'. Einmal befanden wir uns ganz vorne, ein anderes Mal ganz hinten und dann auch einmal irgendwo in der Mitte des Feldes unserer GTE-Pro-Klasse. Keiner wusste so wirklich, wann das Rennen abgebrochen wird oder ob es überhaupt abgebrochen werden würde. Somit hatten alle Wettbewerber unterschiedliche Strategien angewandt.

Als ich das Auto an Olivier Pla übergeben hatte, lagen wir sogar auf Position eins. Außerdem hatten wir im Vergleich zur Konkurrenz den meisten Sprit an Bord. Somit hätte Olivier bis zum Rennende nur noch ein Mal nachtanken müssen. Doch dann wurde das Rennen mit einer roten Flagge vorzeitig beendet. Das war für uns schade. Denn realistisch gesehen hätten wir die Porsche wohl nicht schlagen können, doch ein Podium wäre absolut drin gewesen. Aber mit Platz vier sind wir nach der teilweise unglücklich verlaufenen Saison absolut zufrieden. Vor allem, weil wir im Team strategisch alles richtig gemacht haben und auch die Pace gestimmt hatte.

Das nächste Rennen der FIA WEC findet Anfang November in Shanghai statt. Die Strecke liegt unserem Ford GT ganz gut und auch die prognostizierten Temperaturen sollten uns passen. Wie es dort gelaufen sein wird, werde ich Euch in meiner nächsten Kolumne erzählen.

Bis dahin alles Gute,
Euer Stefan Mücke

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