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Ferdinand Habsburg: Neuer Wohlfühlfaktor Langstrecke

Von Gerhard Kuntschik
Ferdinand Habsburg

Ferdinand Habsburg

Der Urenkel von Österreichs letztem Kaiser betreibt seit einigen Jahren erfolgreich Motorsport. Aktuell fährt Ferdinand Habsburg in der European Le Mans Series und der Sportwagen-WM (FIA WEC) einen LMP2.

Bisher fand seine Rennsportkarriere in Sprints statt: Kart, Formel Renault, Formel 3, zuletzt DTM. Doch nun hat Ferdinand Habsburg-Lothringen umgeschwenkt auf die Langstrecke. Mit neuen Erkenntnissen, neuen Zielen und einem bisherigen Wellental an Gefühlen. Der Enttäuschung zum Saisonstart Ende Jänner in den 24 Stunden von Daytona (der Prototyp des dänischen Highclass-Teams schied schon nach 56 Runden aus, ehe Ferdinand ans Steuer kam), folgte gleich ein Titelgewinn: Gemeinsam mit dem Tiroler René Binder und dem Chinesen Yifei Ye gewann der 23-Jährige den Titel in der Asian Le Mans-Serie, die aus zwei Rennen in Dubai (das Trio siegte beide Male) und zwei auf dem F1-Kurs von Abu Dhabi (einmal Zweite, einmal Vierte) im Februar absolviert worden war. Dort war er in einem vom portugiesischen Algarve-Team eingesetzten Oreca-Gibson unterwegs. Der Titel eröffnete beiden Österreichern ein Cockpit in der europäischen Serie (ELMS): Für Binder mit dem französischen Duqueine-Team, für Habsburg weiter mit Algarve – am 15./16. Mai haben beide als Konkurrenten ein Heimspiel auf dem Red Bull Ring. Und dazu hatte Habsburg als Aufsteiger der vergangenen DTM-Saison seinen Teamchef bei WRT, Langstrecken-Routinier Vincent Vosse, so überzeugt, dass der Belgier den gebürtigen Salzburger zu Robin Frijns und Charles Milesi auch in seinen LMP2-Boliden im World Endurance Championship (WEC) setzte.

Während der ELMS-Auftakt in Barcelona für Binder gut (Sechster) und für Habsburg mittelmäßig (Elfter) lief, war der WM-Start in Spa-Francorchamps für den Urenkel von Österreichs letztem Kaiser bei Halbzeit des Sechsstunden-Rennens vorbei: Er war zeitweise Gesamtfünfter und sogar Zweiter der LMP2-Klasse, als beim Boxenstopp (Milesi übernahm) ein Kupplungsproblem die Heimmannschaft in ihrem WM-Debüt aussichtslos zurückwarf.

Wie bilanzierst Du Dein WM-Debüt?

Ferdinand Habsburg-Lothringen: «Das Wochenende lief nicht wie wir es erhofften, aber ich kenne kein Team, das auf Rückschläge besser reagiert als WRT. Wir waren als Neulinge im WEC sehr konkurrenzfähig bis zum Kupplungsproblem.»

Du warst einer der auffälligsten Piloten in der DTM-Saison 2020. Was passierte nach Saisonende und wie ergaben sich Deine neuen Engagements auf der Langstrecke?

«Ich wusste, dass die DTM so nicht weitergehen würde, was eigentlich traurig war. Ich ließ mir dann viel Zeit. Es öffneten sich mehrere Türen für mich, aber ich war unsicher, welchen Weg ich einschlagen sollte. Es gab GT3-Angebote, auch von einem Werk, da war aber unklar, ob es wieder in die DTM führen würde. Dann kamen die Langstreckenprojekte auf. Vincent bewies im Jänner, dass er einen sehr professionellen Einstieg in die WM plante. Das hat mich dann schon sehr gereizt. Im Februar konnte ich die Asian Le Mans-Serie bestreiten und bekam dann dort auch das Angebot für die europäische Serie.»

Das heißt, Du hast in wenigen Monaten Erfahrung mit drei Teams mit LMP2-Prototypen sammeln können – mit Highclass in Daytona, mit Algarve in der Asian Le Mans sowie ELMS und nun mit Deinem ex-DTM-Team WRT im WEC. Gibt es da keine Verwirrung oder in Hinkunft Überschneidungen?

«Für mich brachten die Einsätze viel Positives, ich lernte viel dazu. Es gibt da kein Problem, weil WRT in der WM fährt und Algarve in der ELMS.»

Dein Teamkollege in Daytona war u. a. Robert Kubica. Konntest Du von ihm etwas lernen?

«Absolut! Ich habe viel Respekt vor ihm. Man soll sich von seinen letzten Formel-1-Resultaten nicht täuschen lassen. Robert hat noch so viel drauf, dass er für jeden jungen Fahrer ein Vorbild sein kann. Ich lernte, wie er mit den Ingenieuren kommunizierte, wie er Probleme darstellen und Verbesserungen anregen konnte. Er ist da sehr präzise. Ein Austausch mit so einem Routinier ist enorm wichtig.»

Siehst Du Deine sportliche Zukunft jetzt komplett auf der Langstrecke oder verfolgst Du noch andere Ziele?

«Die Langstrecke macht mir Spaß – dabei sind diese Rennen viel anstrengender, als ich gedacht hätte. Es gibt hier so viele gute Fahrer, die alle gut drauf sind. In der Formel 3 will jeder junge Fahrer nach oben, doch fast immer entscheidet die Frage, wer hat den größten Sack (Geldbeutel, Anm.). In der DTM sind alle etabliert, das macht die Arbeitsbasis viel angenehmer. So ist es auch hier im WEC. Da geht man abends gemeinsam auf ein Getränk, mit dem da Costa oder Davidson oder Frijns oder van der Garde. Das ist eine Gemeinschaft hier. Aber das Fahren an sich im LMP2 ist anstrengend und fordernd. Aber um Deine Frage zu beantworten: Ich wäre gern länger DTM gefahren, aber da hat sich eben viel verändert. Ich lernte, mich immer am meisten auf das nächste Rennen zu freuen und nicht mehr langfristige Pläne zu schmieden.»

Du bist heuer das erste Mal in Le Mans, das wird wohl Dein Saisonhöhepunkt…

«Genau, es wird mein drittes 24-Stunden-Rennen nach Spa im Vorjahr und Daytona. Ich freue mich darauf, aber genauso auf Fuji, eine legendäre Strecke. Und ich freue mich, endlich wieder einmal auf dem Red Bull Ring zu fahren, in der ELMS (Mitte Mai, Anm.). Mein heuriges Programm beinhaltet schon ein paar coole Sachen!»

Du hast kürzlich ein für einen Rennfahrer ungewöhnliches Umweltprojekt gestartet. Wie kam es dazu, was steckt hinter 'Drive fast, act faster'?

«Es begann damit, dass ich meinen Beruf und meine Reisen etwas genauer betrachtete und welchen Umwelteinfluss das alles ausmachte. Sport ist ein guter Botschafter, und meine Mutter hat sich auch schon sehr für Umweltprojekte im Bereich des Schutzes der Ozeane eingesetzt. Vor zwei Jahren postete ich auf Instagram im September, dass ich in diesem Jahr schon einhundert Flüge hinter mir hatte als 21-Jähriger. Ich bekam nur eine einzige negative Reaktion, und die kam von meiner Ex-Freundin, die mich hart kritisierte. Über den Winter bekam ich von meinem Team in der ELMS die Möglichkeit, etwas zu aktivieren. Auch teamintern: Ich konnte in Zusammenarbeit mit jungen Aktivisten das Green-Future-Projekt aufstellen. Wir beginnen bei uns selbst, in dem wir Einwegplastik verbannen, wir recyclen viel Material aus der Garage, unsere Teamkleidung wurde aus Plastik, das aus den Meeren gefischt wurde, hergestellt. Wir verkaufen davon sogar T-Shirts als Merchandising. Wir errechneten, dass wir in dieser Saison 102 Tonnen CO2 produzieren. Wir schützen in Ekuador rund vier Hektar im Narupa-Wald und kompensieren dort pro Hektar 40 Tonnen CO2 im Jahr. Ich habe dieses Projekt dann auch meinem WEC-Teamchef Vosse vorgestellt, und der stimmte zu, dass wir auch hier das Projekt begleiten. Es kommt also in Fahrt. In der ELMS wird mein Team Algarve nicht mehr nach jedem Rennen zurück nach Portugal fahren, wir mieten Garagen, bereiten dort das Auto vor und reisen weiter zum nächsten Rennen. Auch das hilft. Wir wollen Rennfahren nachhaltig machen und zeigen, dass wir nicht nur deppert im Kreis fahren, sondern auch etwas zurückgeben können.»

Rein sportlich, was sind Deine Ziele heuer?

(Denkt lang nach) «Im WEC hätte ich heuer das erste Mal die Chance auf einen WM-Titel, das Team hat sehr hohe Qualität… In der ELMS hoffe ich auf Podestplätze und vielleicht einen Sieg, aber für die Meisterschaft wird es wohl nicht rechnen. Aber es wäre cool, ein Auto aufs Podest zu bringen mit der Botschaft, Bäume zu schützen. Ich bin auch durch meine Sponsoren gut aufgestellt, von Remus und AVL kommt tolle Unterstützung von heimischen Unternehmen – nebst einigen kleineren Sponsoren. Was ich in Zukunft machen werde, sollen auch meine Unterstützer mitentscheiden.»

Ist Dein Vater Karl noch immer so an Deinen Rennen interessiert wie früher?

«Ja. Er ist ein totaler Fan, verfolgt alles akribisch. Als ich damals in Macao in der letzten Kurve den Sieg wegschmiss, weinte er…»

Dein Schwager, Ex-F1- und Ex-FE-Pilot Jérome d’Ambrosio, führt mit Susie Wolff das Venturi-Team in der Formel E. Gab es da keine Kontakte oder Versuche, in dieser Serie zu landen?

«Kontakte gibt es ständig. Jérome ist ein toller Schwager, aber auch ein strikter Geschäftsmann. Er sagte öfters zu mir, 'warum rufst Du nicht an, warum fragst Du nicht um ein Cockpit an?' Ich sagte ihm, wenn ich ein paar Rennen gewinne, wirst Du mich anrufen! Ich habe nichts gegen die Formel E, aber ich will dort bleiben, wo ich seit den Kart-Tagen aufwuchs. Ich habe großen Respekt für die Fahrer der Formel E, aber sie ist nicht so meins.»

Ist der Traum Formel 1 vorbei? Oder glaubst Du noch an eine Chance?

«Hmmm, das sind zwei verschiedene Fragen! Ich bin beim nächsten Grand Prix in Spanien für den ORF und werde dort ein Interview mit Lando Norris führen, was lustig wird mit einem Ex-Teamkollegen. Ich wäre dumm, hätte ich noch nicht gelernt, dass man nichts voraussehen kann. Zu sagen, alles ist vorbei, finde ich völlig falsch. Es wäre auch möglich gewesen, heuer überhaupt keine Rennen fahren zu können. Aber jetzt bin ich hier, und ich bin zufrieden.»

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