Formel 1: Max Verstappen – Chancen verspielt?

Mika Häkkinen: «Nico Rosbergs Konstanz erstaunt mich»

Von Gerhard Kuntschik
Mika Häkkinen: «Es sollte wieder einen Wettbewerb bei den Reifen geben»

Mika Häkkinen: «Es sollte wieder einen Wettbewerb bei den Reifen geben»

Formel-1-Legende Mika Häkkinen spricht im Interview über das WM-Duell von Nico Rosberg und Lewis Hamilton, seine finnischen Landsleute Kimi Räikkönen und Valtteri Bottas sowie sein Leben nach der Rennfahrer-Karriere.

Von 1991 bis 2001 fuhr er in der Formel 1 und wurde zwei Mal Weltmeister (1998 und 1999 mit McLaren-Mercedes), in drei Jahren im Deutschen Tourenwagen Masters (DTM) kam er immerhin auf drei Rennsiege (was kaum ein anderer F1-Aus- oder Umsteiger schaffte), und nun ist er dem Rennsport als mehrfacher Markenbotschafter weiter verbunden: Mika Häkkinen. Der Finne ist mittlerweile auch schon 48, lebt mit seiner Familie weiter in Monaco und wiegt seine Antworten im Interview bedächtig ab – wie früher. Und bringt seine Einschätzung auf den Punkt, auch wie früher.

Wie sieht Deine Prognose für den Ausgang der Formel-1-WM aus?
Ich bin erstaunt über die Konstanz, die Nico (Rosberg, Anm.) in diesem Jahr entwickelte, und auch das gleichbleibend hohe Niveau von Mercedes auf den verschiedenen Strecken. Das ist sehr beeindruckend. Auch, wie Nico es schaffte, seine bisherigen Schwächen auszumerzen und in Stärken umzuwandeln. Das wäre ohne die Arbeit des gesamten Teams nicht möglich gewesen.

Und Lewis Hamiltons Chancen?

Lewis hat sich vielen Dingen abseits der Formel 1 gewidmet. Wenn er seine Konstanz und seinen Fokus wiedergewinnt, dann wird es noch einmal ganz spannend, und wir erleben ein faszinierendes Finale. Ich weiss den Ausgang natürlich nicht, aber es deutet schon vieles auf Nico hin. Aber wenn eben bei Lewis alles passt, wird es interessant...

Die Formel 1 fährt 2017 nach neuen Regeln. Fangen damit alle wieder bei Null an oder kann Mercedes seine Überlegenheit verlängern?

Was ich jetzt sehe: Die Reifen sind der entscheidende Faktor. Natürlich spielen auch die Antriebe, die Aerodynamik, die Fahrer mit. Als ich Formel 1 fuhr, waren die Reifen ein grosses Mysterium, und das sind sie wohl bis jetzt geblieben. Wenn du die Reifen verstehst und das Maximum aus ihnen holst, bist du viel schneller unterwegs als die anderen. Wenn du sie nicht managen kannst, bist du nirgendwo. Ich erwarte, dass die Reifen nächste Saison noch entscheidender sein werden als in diesem Jahr. Dann gewinnt, wer die Reifen am schnellsten zum Arbeiten ins richtige Arbeits-Fenster bringt und so das Optimum herausholt.

War die Honda-Zusammenarbeit von McLaren, dem Team, mit dem Du zwei Mal Weltmeister wurdest, ein Fehler?

Ich sehe da keine Fehler. Das sind zwei grossartige Unternehmen, die solide finanziert sind, hervorragende Technologien haben und damit alle Voraussetzungen für Erfolg. Aber dass McLaren-Honda jetzt nicht ganz vorn ist, zeigt nur, wie hochstehend der Wettbewerb wurde. Auch für McLaren-Honda ist die Formel 1 keine Autobahn zum Erfolg, sondern sie braucht Zeit. Der Motor gehört zum Chassis, damit muss das Gesamtpaket stimmen, um erfolgreich zu sein. Verbesserungen sind aber auf schnelle Art unmöglich, weil es während der Saison kein Testen mehr gibt.

Ein Nachteil?

Jeder in der Formel 1 arbeitet am Limit. Es gibt in Wirklichkeit keinen Urlaub, die Sommerpause steht nur im Regelbuch. Du kannst nie nachlassen oder dir eine Pause gönnen. Das geht alles ans Limit, in erster Linie für die Mechaniker, aber auch die Ingenieure.

Dein Landsmann Kimi Räikkönen kehrte nach einem Rallye-Ausflug in die Formel 1 zurück und will nicht aufhören. Hat er Recht oder hätten Sie an seiner Stelle die Karriere schon beendet?

Ich bin positiv überrascht, wie Kimi im Vergleich zu Sebastian (Vettel, Anm.) abschneidet. Jeder schaut nur auf die gesamte Saison und die Sieger, aber wer die Rennen selektiv betrachtet, sieht, dass sich Kimi gegen einen vierfachen Champion hervorragend schlägt. Es ist grossartig, wie er derzeit fährt. Also braucht er nicht aufhören.

Hat Dein weiterer Landsmann Valtteri Bottas das Zeug zum Weltmeister?

Er ist jetzt in einer Position wie früher Nico Rosberg. Er wird ständig stärker, hebt sein Niveau. Für manche zählen nur Siege, aber Valtteri macht auch ohne Sieg einen tollen Job. Ich weiss, was es heisst, lange in einem Auto zu fahren, mit dem du keine Sieg-Chance hast und alle fragen, ist er gut genug für die Formel 1? Er muss einfach weiter pushen. Wenn er im richtigen Auto sitzt, kann er Weltmeister werden.

Wer beeindruckt Dich von den jungen Piloten?

Die Formel 1 verlangt nicht nur massives Talent, sondern auch Charakterstärke und viel Teamwork. Die Liste der starken Jungen ist lang, ich würde aber nicht riskieren, WM-Kandidaten zu nennen, ohne intensiv ins Detail zu gehen.

Was sollte sich in der Formel 1 ändern?

Es sollte wieder einen Wettbewerb bei den Reifen geben! Ich sage nicht, Pirelli macht einen schlechten Reifen, aber Konkurrenz wäre besser. Die würde den Fans gefallen.

Liegt die Rennsport-Zukunft in der Formel E?

Absolut ja. Die Entwicklung von Elektroantrieben wird in den nächsten vier, fünf Jahren rasend schnell vorangehen. Ja, sie hat eine grosse Zukunft und schon jetzt eine Reihe von hochtalentierten Fahrern. Mit den Eintages-Rennen in den Städten stimmt das Konzept.

Und zum Schluss: Was macht Mika Häkkinen in der Rennpension?

(lacht) Danke der Nachfrage! Ich bin Markenbotschafter für vier Unternehmen: Mercedes, UBS, Johnny Walker mit der Kampagne «Never drink and drive» und Nokian-Reifen. Das alles ist eine unglaubliche Reise, auf der ich viele Menschen kennenlernte und viele zueinander brachte. Es ist interessant, welch erfolgreiche und faszinierende Persönlichkeiten man trifft. Ich bin auch angetan von den Neuen Medien und sozialen Netzwerken und den Kommunikationsmöglichkeiten. Und dann beschäftigt mich natürlich meine Familie mit fünf Kindern! Die sind wohl die grösste Herausforderung – und eine Freude.

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