Lewis Hamilton ohrfeigt Mercedes: Platzhirsch röhrt
Lewis Hamilton
Lewis Hamilton schafft es immer wieder, Wirbel zu verursachen. Nach der WM-Entscheidung in Abu Dhabi sprach die Mercedes-Führung von Disziplinarmassnahmen gegen Lewis Hamilton – wegen seines Versuchs, den hinter ihm fahrenden Nico Rosberg in die Fänge von Sebastian Vettel und Max Verstappen einzubremsen. Die letzte Rennrunde von Hamilton lag neun Sekunden über seiner Bestzeit im Abschlusstraining! Lewis Hamilton war nach dem dramatischen WM-Finale verstimmt über die Order der Box, Tempo aufzunehmen. Und über den entgangenen Titel.
Mercedes-Teamchef Toto Wolff war verstimmt, sprach von Anarchie und beteuerte, das werde noch ein Nachspiel haben.
Von wegen.
Denn am Freitag nach dem WM-Finale folgte der grosse Knall: Nico Rosberg ist nicht länger Formel-1-Fahrer. Und auf einmal hörten wir versöhnliche Töne aus der Teppichetage: Das Manöver von Lewis Hamilton sei gar nicht so schlimm gewesen, der Kommandostand von Mercedes hätte vielmehr nicht eingreifen dürfen.
Die Branche verstand: Hier will ein Rennstall den übrig gebliebenen Superstar nicht vergrämen, die beiden Seiten brauchen einander.
Und was tut Hamilton? Er tritt in einem Interview mit Channel 4 nach: «Das war eine von vielen unbequemen Situationen des vergangenen Jahres. Wenn ich letztlich sehe, was im Nachhinein gesagt wurde, finde ich es respektlos von den Personen, die gesprochen haben.»
Eine klare Ansage an Teamchef Toto Wolff und Niki Lauda, den Aufsichtsratschef des Mercedes-Rennstalls. Hamilton weiter: «Man erwartet das nicht von denjenigen, die die Verantwortung für so viele Menschen tragen», so der 31-Jährige. Auf die Frage, ob die Sache vom Tisch sei, stellt der dreimalige Champion klar: «Nein, ist sie nicht.»
Was soll das?
Was will Platzhirsch Hamilton mit seinem Geröhre bewirken? Reicht es dem Weltmeister von 2008 (damals mit McLaren-Mercedes), 2014 und 2015 nicht, dass er nach dem Rücktritt von Nico Rosberg das Sagen hat? Wieso weiter Zwietracht säen?
Ich sage: Hier geht es um Macht. Es geht um einen Rennfahrer, der seine Muskeln spielen lässt und klarmachen will, wer hier wirklich der Chef ist.
Hamilton weiss: Mercedes-Teamchef Toto Wolff arbeitet daran, den Finnen Valtteri Bottas aus dessen Williams-Vertrag zu sprengen.
Lewis weiss auch – Wolff gehört zum Management-Team des WM-Vierten von 2014. Lewis Hamilton bringt sich mit seinem erneuten Trommelwirbel schon mal in Position, wer das Sagen hat.
Die Position von Hamilton ist stark: Er weiss, dass Toto Wolff keinen anderen Top-Piloten bekommt – Fernando Alonso und Sebastian Vettel haben beide noch je ein Jahr Vertrag bei ihren Rennställen McLaren-Honda und Ferrari zu erfüllen. Und beide haben ihren Teams die Treue geschworen. Die Red Bull Racing-Fahrer Daniel Ricciardo und Max Verstappen sind ebenfalls gebunden.
Hamilton weiss überdies: Ricciardo und Verstappen werden sich gegenseitig Punkte wegnehmen. Sich als Platzhirsch zu positionieren, das ist ein Signal von Hamilton – setzt ganz auf mich, das wird eure beste Chance sein, erneut den WM-Titel zu holen.
Ganz abgesehen davon, dass Hamilton eine weltweite Magnetkraft vorweisen kann: Kein Formel-1-Fahrer erreicht mit seinem Engagement in den sozialen Netzwerken so viele Menschen. Gegen Hamilton ist Valtteri Bottas so spannend, wie vor einer frisch gemalten Wand dem Trocknen der Farbe zuzuschauen.
Wenn sich Lewis Hamilton mit der Teamführung anlegt, dann ist das auch nichts Neues in der Formel 1: Enzo Ferrari hatte mit vielen seiner Piloten eine mindestens problematische Beziehung, Ayrton Senna und Ron Dennis stritten sich massiv, wussten gleichzeitig aber auch, dass sie sich brauchen.
Wenn sich Lewis Hamilton als Nummer 1 aufstellt und Stärke demonstriert, dann ist das aus seiner Sicht ganz normal. Die interessante Frage ist nicht, wieso das Lewis getan hat.
Die wirklich interessante Frage ist: Wie reagieren Toto Wolff und Niki Lauda darauf? Wir werden es im Verlauf der kommenden Wochen und Monate erleben.