Formel 1: Die Wahrheit über Max Verstappen

Lewis Hamilton – Sebastian Vettel: Duell des Jahres

Von Rob La Salle
​Hat noch jemand Zweifel daran, dass die Formel-1-WM 2017 zum Zweikampf zwischen Sebastian Vettel (Ferrari) und Lewis Hamilton (Mercedes) wird? Hintergründe vom Ex-GP-Piloten Martin Brundle.

Darauf haben die Fans lange gewartet: Endlich wieder ein richtiger WM-Kampf, kein Duell zwischen Stallgefährten um den Titel wie mit Nico Rosberg und Lewis Hamilton in den vergangenen drei Jahren, sondern ein Wettlauf zwischen zwei Stars aus verschiedenen Rennställen. Hat nach den Rennen in Australien und China noch jemand einen Zweifel daran, dass die Formel-1-WM 2017 zu einem Zweikampf zwischen Sebastian Vettel (Ferrari) und Lewis Hamilton (Mercedes) wird?

Der Engländer Martin Brundle (57) ist nach den ersten beiden Grands Prix der Saison in Melbourne und Shanghai davon überzeugt: «Diese Saison trägt bereits das Brandzeichen dieser zwei Stars.» In seiner Kolumne für die britische Sky sagt der Sportwagen-Weltmeister von 1988 weiter: «Mercedes-Benz und Ferrari liegen so auf Augenhöhe, dass es bereits klar ist, auf welche Piloten diese beiden Teams setzen müssen, wenn sie Weltmeister werden wollen. Aber es ist nicht leicht für die Team-Führung der zwei Rennställe. Denn gleichzeitig müssen sie es schaffen, ihren jeweils anderen Piloten motiviert zu halten. Das ist wichtig beim Kampf um die Markenwertung. Und es ist elementar, wenn der zweite Fahrer die Kastanien aus dem Feuer holen soll, hat der erste Pilot ein Problem.»

«Hier habe ich den Eindruck: Valtteri Bottas erhält bei Mercedes von Teamchef Toto Wolff eine warme Umarmung. Kimi Räikkönen bei Ferrari erhält eher einen Marschbefehl von Sergio Marchionne, so unter dem Motto – reiss dich zusammen, wo ist das Problem? Kimi wird sich darüber ärgern, dass seine Strategen nicht auf seine Erfahrung geachtet und einen früheren Boxenstopp in China verworfen haben. Meiner Ansicht nach hat ihn das die Chance auf einen Podestplatz gekostet.»

«Bottas war über seinen Dreher am Boden zerstört. Er hat sich bei Mercedes dafür entschuldigt, was er selber als Amateurfehler bezeichnet hat. Diese Demut ist entwaffnend, besonders in Zeiten, in welchen Rennfahrer jede erdenkliche Ausrede nutzen, nur um sich selber aus der Schusslinie zu nehmen.»

«Aber Fehler bleibt Fehler. Und zu ehrlich zu ein, kann sich auch nachteilig auswirken. Heikki Kovalainen hat sich damals als McLaren-Stallgefährte von Lewis Hamilton ähnlich verhalten. Und es hat ihm geschadet. In solchen Momemten ist es vielleicht am besten, die Kröte zu schlucken und nach vorne zu blicken. In der Formel 1 ist der Weg vom Held zur Null sehr kurz.»

Was Martin Brundle, Le-Mans-Sieger von 1990, in einem so schwierigen Rennen wie China auszeichnet: «Die richtigen Reifen wählen. Den idealen Zeitpunkt zum Wechsel auf Slicks finden. Das Tempo an der Spitze diktieren. Nicht über einen Gegner stolpern. Wissen, wann es Zeit für Risiko und wann Geduld gefragt ist.»

«Vettel holte sich während der virtuellen Safety-Car-Phase neue Reifen, als das Rennen wegen des gestrandeten Williams von Lance Stroll neutralisiert war. Das war eine gute Entschidung – leider kam dann kurz darauf eine volle Safety-Car-Phase aufgrund des Unfalls von Antonio Giovinazzi. Das war Pech.»

«Ich war gespannt darauf, in China zu erleben, wie oft überholt wird. In Australien haben wir wenige Überholmanöver gesehen. In Shanghai waren es mehr, aber es hat sich auch gezeigt – der verstellbare Heckflügel erlaubt es, dem Vordermann näher zu kommen. Aber ein müheloses Vorbeifahren wir früher gibt es nicht mehr.»

«Beim einen oder anderen Fan wird dies das Gefühl einer Prozession erzeugen, aber ich fürchte, wir werden uns daran gewöhnen müssen. Wir hatten in China 70 Überholmanöver weniger als vor einem Jahr. Erstens, weil die Reifen länger halten. Zweitens, weil wir andere Autos haben. Die Fahrer müssen jetzt wieder die Gegner genauer studieren und dann entschlossen und mutig attackieren. Das finde ich gut. Mir ist es lieber, weniger Manöver zu sehen, dafür waren es tolle Attacken und die Fans reden davon. Wenn der eine am anderen vorbeifährt wie auf der Autobahn, bleibt das nicht in Erinnerung.»

«Vielleicht haben wir auch in China nicht die ganze Wahrheit erlebt, denn die Innenseite am Ende der Gegengeraden von Shanghai blieb feucht, das hat vor weiteren Angriffen abgeschreckt.»

«Von den Piloten erhält Hamilton die Bestnote, eine meisterliche Fahrt. Vettel hat sich mit eindrucksvollem Speed auf Rang 2 gekämpft, seine Attacken auf Ricciardo und Räikkönen waren toll. Max Verstappen fährt in einer eigenen Liga, wenn es darum geht zu spüren, wieviel Grip eine rutschige Bahn bietet. In der ersten Runde machte er neun Ränge gut. Gegen ihn sahen alle anderen Piloten übervorsichtig aus.»

«Mir hat auch Carlos Sainz sehr gut gefallen. Nicht nur wegen der mutigen Wahl, als einziger Fahrer mit Slicks ins Rennen zu gehen, sondern auch wegen seines starken Grand Prix. Jedes Team sollte ihn auf der Wunschliste haben.»

«Ich habe mich darüber gefreut, dass Red Bull Racing in China eher mitmischen konnte als in Australien. Aber als die Piste abtrocknete, fielen Verstappen und Ricciardo zurück. Ich hoffe, die kommenden Verbesserungen von Red Bull Racing werden ein Hammer, denn um Ferrari und Mercedes einzuholen, müssen sie das sein. Und nichts wäre schöner als ein Dreikampf um die Spitze.»

«Vettel und Hamilton sind beide mit 43 Punkten nach Bahrain gereist. Bekommen wir von ihnen jetzt endlich jenes epische Duell serviert, von dem die Fans schon jahrelang träumen? Die Aufregung, der gegenseitige Respekt und dieses Gefühl von Glück auf dem Siegerpodest waren so auffällig, dass ich es bei den Siegerinterviews ausdrücklich erwähnen wollte. Schön, dass die Zeiten grummeliger Podestbesucher vorderhand beendet ist.»

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