Sauber-Teamchef: Fred Vasseur für Monisha Kaltenborn?
Fred Vasseur
Steht der Nachfolger von Monisha Kaltenborn beim Schweizer Sauber-Rennstall fest? Nach Informationen unserer Kollegen von AutoBildMotorsport ist der Franzose Frédéric Vasseur (48) von Sauber-Besitzer Longbow verpflichtet worden. Gemäss der französischen L'Équipe war Vasseur bereits in Hinwil.
Sauber kommentiert dieses Gerücht derzeit nicht, wir warten noch auf den Rückruf von Fred Vasseur.
Mein Kollege Jean-Michel Desnoues von AutoHebdo: «Ich habe Fred in Le Mans getroffen, und wenn ich nun über unser Gespräch nachdenke, dann merke ich, wie er meinen Fragen in Sachen möglicher Rückkehr ausgewichen ist. Ein wenig so, als wüsste er bereits, wo die Reise hingeht.»
Für den Franzosen spricht seine gewaltige Erfahrung im Motosport. Es gibt auch eine Beziehung zum künftigen Motorenpartner Honda – wegen ART-Fahrer Nobuhara Matsushita.
Gegen Vasseur spricht, dass er schon bei Renault nicht gewillt war, beim Team (also in Enstone/England) zu leben. Ob er die Schweiz als Wohnort verlockender findet, wissen wir nicht.
Frédéric Vasseur hat so viel erreicht in seiner Motorsportkarriere, dass es im Grunde nur eine Frage der Zeit war, bis er in der Formel 1 landen würde. Mercedes-Motorsportdirektor Toto Wolff bezeichnete den Franzosen als «einen der cleversten Menschen, welche ich in dieser Branche kennengelernt habe».
Vasseur ist seit Jahren erfolgreich in den Formelsport-Nachwuchsklassen unterwegs: Seit 1996 betrieb der Absolvent der ESTACA (Hochschule für Aeronautik und Autotechnik, in Laval, Nordwestfrankreich) seinen Rennstall ASM, er trat in der Formel 3 mit Motoren jener Firma an, mit welcher er verbunden blieb – Renault.
Nachdem Renault sich entschlossen hatte, das Formel-3-Projekt nicht weiter zu betreiben, angelte sich Vasseur einen Vertrag mit Mercedes, und nun startete das Team durch: Von 2004 bis 2009 wurden von 80 Rennen 51 gewonnen, die Truppe schien auf Formel-3-EM-Titel und Siege bei den renommiertesten Rennen wie Zandvoort oder Macao abonniert.
2005 gründete Vasseur zusammen mit Nicolas Todt (dem Sohn des FIA-Chefs Jean Todt) den Rennstall ART Grand Prix, mit dem die beiden sowohl in der GP2 als auch in der GP3 mehrere Titel eingefahren haben – und zwar gemeinsam mit den späteren GP-Piloten Nico Rosberg (2005), Lewis Hamilton (2006), Nico Hülkenberg (2009), Esteban Gutiérrez (2010) und Valtteri Bottas (2011). 2015 wurde McLaren-Zögling Stoffel Vandoorne mit ART GP2-Meister, in der GP3 komplettierte Esteban Ocon den Triumph.
Vasseur hatte keine Formel-1-Erfahrung, als er den Posten des Sportdirektors im Renault-Werksrennstall übernahm, aber die hatte Eric Boullier auch nicht, als er 2010 das GP-Team von Renault leitete (heute ist er McLaren-Teamchef).
Um ein Haar wäre Vasseur schon 2010 in der Formel 1 gelandet, als drei neue Rennställe im GP-Sport antraten. Caterham, HRT und Marussia taten das allerdings im Glauben, dass bald eine Budgetobergrenze eingeführt werden würde, aber die kam nie. Ergebnis: Die drei Teams krebsten am Schluss des Feldes umher und gingen dann pleite. Nur Marussia konnte als Manor aus dem Scherbenhaufen gerettet werden und ist 2016 noch dabei.
Frédéric Vasseur meinte zur langen Wartezeit auf die Formel 1: «Mir war letztlich lieber, in einer unteren Kategorie um Siege und Titel zu kämpfen als in der Formel 1 hinterher zu fahren.»
Frédéric Vasseur wusste, dass er sehr viel Arbeit vor sich hatte, wie er zu Beginn der Saison 2016 zugab: «Zunächst einmal ist klar, wenn wir die Teams vom Stand 2010 und 2015 miteinander vergleichen – der Rennstall hat einige Schlüsselfiguren verloren. Was mich hingegen freut: In diesem Rennstall ist nie vergessen worden, wie man effizient arbeitet. Selbst im vergangenen Jahr, als die Situation nicht rosig war, wurden einige tolle Ergebnisse eingefahren, vor allem der dritte Rang von Romain Grosjean in Spa-Francorchamps. Dem Team waren die Hände gebunden, was die Weiterentwicklung des Rennwagens anging. Vor diesem Hintergrund wurde gute Arbeit geleistet.»
Renault-CEO Carlos Ghosn hatte die Ziele der Franzosen klar umrissen: Man ist nicht in die Formel 1 zurückgekommen, um das Feld zu füllen, mittelfristig soll Renault unter die besten drei Rennställe vorstossen, nach drei Jahren soll der Anschluss an die Spitze gefunden sein.
Das wird Fred Vasseur nur von aussen erleben, denn Anfang Januar kam der grosse Knall: Trennung von Renault!
Letztlich ging es um die Frage: Wer hat hier eigentlich das letzte Wort? Jérôme Stoll als Präsident von Renault Sport? Geschäftsleiter Cyril Abiteboul? Oder doch Teamchef Frédéric Vasseur?
Die drei Alphatiere spielten Probleme in der Entscheidungsstruktur herunter. Aber Vasseur gab zu: «Der Grund für die Trennung – wir hatten unterschiedliche Vorstellungen davon, wie das Team gemanagt werden sollte. An diesem Punkt war es aus meiner Perspektive sinnvoll, den Rennstall zu verlassen. Das ist auch für Renault das Beste. Wenn du in der Formel 1 Leistung bringen willst, dann braucht das Team einen einzigen Leader und eine Art und Weise, wie die Dinge anzupacken sind. Hast du zwei verschiedene Visionen für die Zukunft bedeutet dies nur, dass die Arbeit innerhalb des Teams verlangsamt wird.»
Die Entscheidung reifte gemäss Vasseur nach Gesprächen mit den anderen Führungskräften. «Wir hatten seit dem Saisonschluss in Abu Dhabi 2016 verschiedene Diskussionen, wie wir die Organisation für 2017 am besten aufgleisen wollen. Dann nahm ich ein wenig frei, in der ersten Januar-Woche kam ich zu meinem Entschluss. Es ist viel besser, jetzt die Reissleine zu ziehen.»
Vasseur hat aber nie ausgeschlossen, dass wir ihn eines Tages wieder im Formel-1-Fahrerlager sehen werden.