Michael Schumacher und der verdammte 29. Dezember
So erinnern sich die meisten Fans an Michael Schumacher
Dieser verdammte 29. Dezember 2013: Heute sind es genau vier Jahre her, dass der siebenfache Formel-1-Champion Michael Schumacher (48) im Skigebiet von Méribel zu Sturz kam. Schon vier Jahre, unfassbar. Seither ist das Leben des 91fachen GP-Siegers und seiner Familie nicht mehr das gleiche.
Michael Schumacher wollte einfach nur ein wenig skilaufen. Mit seiner Familie weilte er oft im grossräumigen französischen Skiareal von Méribel. Schumacher war ein Könner auf den Latten. Doch beim Überqueren der Piste geriet er an einen Stein, kam zu Fall und prallte mit dem Kopf auf einen anderen Felsen. Der frühere Ferrari- und Mercedes-Fahrer war zunächst ansprechbar, wirkte aber verwirrt. Erst nach und nach wurde klar, wie gefährlich die Situation des Deutschen ist.
29. Dezember 2013
Gegen 11.00 Uhr: Schumacher erleidet bei einem Unfall in Meribel ein Schädel-Hirn-Trauma. Der damals 44-Jährige prallt auf einen Felsen, sein Helm rettet ihm nach Meinung der Ärzte das Leben. Passiert ist das Unglück am Berg Saulire zwischen der blau markierten Piste Biche und der rot markierten Piste Mauduit.
11.50 Uhr: Schumacher wird per Hubschrauber ins Krankenhaus nach Moutiers geflogen.
12.45 Uhr: Weil sich die Verletzungen als gefährlicher erweisen als zunächst angenommen, wird er in die Universitätsklinik nach Grenoble verlegt. Dort trifft er um 13.30 Uhr ein.
Ab 13.30 Uhr: In Grenoble werden umgehend weitere Tests vorgenommen, darunter auch eine Computer-Tomographie (MRT) des Schädels. Um den durch mehrere Hämatome (Bluterguss) hervorgerufenen Druck auf das Gehirn zu verringern, wird Schumacher umgehend operiert. Daneben wird seine Körpertemperatur auf 34 bis 35 Grad Celsius heruntergefahren, um Stimulierungen des Gehirns von aussen so gering wie möglich zu halten. Durch diese Massnahme könne das Gehirn besser mit Sauerstoff versorgt werden. Seine Familie, also Gattin Corinna und die beiden Kinder, sind bei ihm. Die Polizeibehörden vor Ort beginnen mit den Ermittlungen zu dem Unfall.
Ab 17.00 Uhr: Die Gerüchte überschlagen sich. Während die Skistation Méribel, wo sich der Unfall ereignet hatte, davon sprach, er schwebe nicht in Lebensgefahr, berichten französische Medien wenig später von Hirnblutungen und akuter Lebensgefahr.
22.00 Uhr: Die Klinik gibt ein erstes medizinisches Bulletin heraus und bestätigt die schlimmsten Befürchtungen. Schumacher habe ein schweres Schädel-Hirn-Trauma erlitten, das «umgehend eine neurochirurgische Behandlung erforderte». Schumacher befinde sich in einem «kritischen Zustand».
30. Dezember 2013
Genesungswünsche trudeln mittlerweile minütlich ein, die Anteilnahme auf der ganzen Welt ist riesig. Weggefährten, Kollegen und Freunde melden sich, um den 44-Jährigen bei seinem Kampf zu unterstützen, darunter auch Bundeskanzlerin Angela Merkel, Weltmeister Sebastian Vettel sowie zahlreiche andere Piloten.
10.55 Uhr: Die erste Pressekonferenz der Klinik-Leitung und der verantwortlichen Ärzte im Krankenhaus in Grenoble. Die Lage ist weiterhin kritisch, Schumacher liegt weiterhin im Koma und schwebt immer noch in Lebensgefahr. Prognosen wollen die Mediziner keine abgeben.
13.00 Uhr: «Wir möchten uns beim Ärzteteam bedanken, von dem wir wissen, dass es alles tut, um Michael zu helfen. Ausserdem danken wir den vielen Menschen aus der ganzen Welt, die ihr Mitgefühl ausgedrückt und beste Wünsche für Michaels Genesung übermittelt haben», liess Schumachers Ehefrau Corinna mitteilen.
Gegen 22.00 Uhr: Die zweite Operation bei Schumacher. Sein Zustand hatte sich leicht verbessert und ein kurzes Zeitfenster für die Ärzte geöffnet. Die nutzten die Chance und entfernten ein grosses Hämatom aus dem Gehirn. Der zweistündige Eingriff verläuft ohne Komplikationen.
31. Dezember 2013
11.00 Uhr: Die zweite Pressekonferenz findet statt. Ganz vorsichtiger Optimismus macht sich breit. Schumachers Zustand habe sich leicht verbessert. Der 44-Jährige schwebe aber weiter in Lebensgefahr. Man habe die Situation aber nun besser unter Kontrolle. Schumacher habe zahlreiche weitere Hämatome im Hirn, eine dritte Operation sei derzeit nicht vorgesehen. «Die Situation ist eher unter Kontrolle als gestern, aber ich kann nicht behaupten, dass Michael Schumacher ausser Lebensgefahr ist. Wir haben lediglich Anzeichen einer Stabilisierung. Der Zustand hat sich also nicht verschlechtert, und das ist zu diesem Zeitpunkt eine gute Nachricht. Der Eingriff ist bei einem Patienten in diesem Stadium nichts Ungewöhnliches, sondern dient dem weiteren Druckabbau im Hirn, der überdies durch das Einsetzen einer besonderen Messvorrichtung überwacht wird», erklärte Professor Jean-François Payen.
12.00 Uhr: Schumachers Managerin Sabine Kehm präsentiert neue Details zum Unfallhergang. «Ich glaube – ich betone, ich glaube – dass Folgendes passiert ist: Michael fuhr mit der Gruppe auf normaler Piste. Dazwischen war ein Bereich mit Tiefschnee. Da fuhr Michael rein. Er war aber nicht schnell, weil er wohl einem Freund geholfen hat, der gestürzt war. Also fuhr Michael gerade wieder an, fuhr in den tiefen Schnee und ist dann wohl – wie wir vermuten – auf den Felsen getroffen, als er eine Kurve fuhr. Michael war nicht allzu schnell unterwegs. Aber leider offenbar bei der Schwungauslösung – das nehmen wir an – hat er den Felsen getroffen und dann hat es ihn hochkatapultiert und er ist mit dem Kopf voran auf einen Felsen geschlagen. Das ist eine extreme Verkettung von extrem unglücklichen Umständen. Das ist ein großes, grosses Unglück gewesen. Das ist nicht darauf zurückzuführen, dass er zu schnell war», erklärte Kehm.
1. Januar 2014
10.50 Uhr: Managerin Sabine Kehm tritt vor die versammelte Presse. «Michael wird die ganze Zeit überwacht. Sein Zustand ist stabil, an seinem Zustand hat sich nichts verändert. Für den Moment ist sein Zustand stabil. Er ist unverändert, aber auch unverändert kritisch. Es kann sich immer alles ändern», so Kehm im Rahmen einer Fragerunde, die teilweise chaotisch verlief.
3. Januar 2014
Schumacher wird 45. Über hundert Ferrari-Fans pilgern nach Grenoble und huldigen dem ehemaligen Piloten.
4. Januar 2014
Managerin Kehm teilt mit: Schumachers Zustand bleibt stabil, aber kritisch. Die Helmkamera, die Schumacher beim Unfall trug, wurde den Untersuchungsbehörden übergeben.
6. Januar 2014
Der Zustand ist unverändert: stabil, aber kritisch.
7. Januar 2014
Schumachers Frau Corinna fordert die Medien auf, Ärzte und Familie in Ruhe zu lassen und das Krankenhaus zu verlassen.
8. Januar 2014
Die Untersuchungen ergeben vorläufig: Schumacher ist bei seinem Unfall nicht mit erhöhter Geschwindigkeit gefahren. Die Aufnahmen von Schumachers Helmkamera werden weiter ausgewertet.
17. Januar 2014
Kehm erklärt, dass der Zustand Schumachers «unverändert stabil» sei.
30. Januar 2014
Schumacher wird aus dem künstlichen Koma geholt. «Michaels Narkosemittel werden seit kurzem reduziert, um ihn in einen Aufwachprozess zu überführen, der sehr lange dauern kann», teilt seine Managerin mit.
17. Februar 2014
Die Ermittlungen sind beendet: Die Staatsanwaltschaft teilt mit, dass es keine Hinweise auf ein Fremdverschulden gibt und kein strafbares Verhalten vorliegt.
12. März 2014
Schumachers Familie erklärt: «Wir sind und bleiben zuversichtlich, dass Michael da durch gehen und aufwachen wird.»
16. März 2014
Mercedes widmet den Formel-1-Saisonauftaktsieg in Australien durch Nico Rosberg seinem ehemaligen Piloten Schumacher.
4. April 2014
«Michael macht Fortschritte auf seinem Weg. Er zeigt Momente des Bewusstseins und des Erwachens», teilt Kehm mit.
16. April 2014
Michael Schumacher liegt nicht mehr im Koma. Er hat die Klinik in Grenoble verlassen, um «seine lange Phase der Rehabilitation fortzusetzen», so die Mitteilung.
23. Juni 2014
Managerin Kehm bestätigt, dass Schumachers Krankenakte gestohlen wurde. Wenig später wird sie verschiedenen Medien für rund 50.000 Euro angeboten.
6. August 2014
Der mutmassliche Dieb der Schumacher-Akte, ein hochrangiger Mitarbeiter der Schweizerischen Rettungsflugwacht, wird einen Tag nach seiner Festnahme tot in seiner Zelle in Zürich aufgefunden.
9. September 2014
Schumacher verlässt nach mehr als acht Monaten die Klinik und setzt seine Reha zu Hause fort. «Michaels Rehabilitation wird von nun an von zu Hause aus fortgeführt werden. Er hat in den vergangenen Wochen und Monaten der Schwere seiner Verletzung entsprechend Fortschritte gemacht, aber es liegt weiterhin ein langer und harter Weg vor ihm», hiess es in einer offiziellen Mitteilung.
13. November 2014
20 Jahre nach seinem ersten WM-Titel wird die Homepage von Michael Schumacher komplett neu präsentiert. Über den Zustand des Rennfahrers ist nichts zu erfahren.
Schumacher wird zum 20. Jahrestag seines ersten WM-Titels mit dem Millennium-Bambi ausgezeichnet. Managerin Kehm und Schumachers langjähriger Wegbegleiter Ross Brawn nehmen den Preis entgegen, die bewegende Laudatio hält Sebastian Vettel.
23. November 2014
Sabine Kehm sagt in einem TV-Interview, dass Schumacher Fortschritte mache, die der Schwere der Verletzung angemessen seien. Einen seriösen Ausblick über Schumachers Genesungsprozess könne sie aber nicht geben: «Das ist einfach nicht möglich in dieser Situation.»
Seit Dezember 2014
Seither geht der lange Weg zu so etwas wie Normalität weiter. Über Details zum Gesundheitszustand ist so gut wie nichts bekannt. Alles was über Bestätigungen der Familie Schumacher und von seiner Managerin Sabine Kehm hinausgeht, sind Mutmassungen, Hörensagen, eine Mischung aus bösem Geschwätz und hoffnungsvoller Gerüchteverbreitung
Solche Spekulationen, so sagt die Managerin, seien unverantwortlich, denn angesichts der Schwere seiner Verletzungen sei der Schutz der Privatsphäre für Schumacher sehr wichtig. «Leider führten solche Gerüchte dazu, dass viele Menschen, die ehrlich Anteil nehmen, sich falsche Hoffnungen machen.» Sabine Kehm sprach wiederholt von kleinen Fortschritten, «aber immer gemessen an der Schwere der Verletzungen».
Michael Schumachers Anwalt Felix Damm meinte vor kurzem gegenüber der Nachrichtenagentur dpa: «Der Unfall selbst war natürlich ein zeitgeschichtliches Ereignis, darüber durfte berichtet werden. Aber in dem Moment, wo die Phase der Genesung beginnt und die Öffentlichkeit auch räumlich schon ausgeschlossen wird – es spielte sich ja im Krankenhaus oder jetzt in den eigenen vier Wänden ab – da besteht kein Anspruch mehr.»
Natürlich ist Damm klar, dass viele Menschen gerne wissen würden, wie es um Michael Schumacher steht. «Ich kann verstehen, dass es Leute gibt, die sich dafür interessieren, die ein ernsthaftes Interesse daran haben zu wissen, wie es ihm geht», sagt er in einer Dokumentation des Bayrischen Rundfunks über Schumacher. «Auf der anderen Seite muss man aber auch verstehen und sehen, dass er einen Anspruch darauf hat, in seiner Privatsphäre zu leben.»
Damm sagt der dpa auch, «dass es eben leider nicht die Möglichkeit gibt, durch eine wie auch immer geartete Erklärung mal einen Schlussstrich zu ziehen».
«Es ist das Recht der Familie, damit so umzugehen, wie es am besten ist für die Familie», sagte Managerin Sabine Kehm in diesem Jahr in einem Interview dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.
Die Familie Schumacher hielt auf der Homepage des Weltmeisters fest, was anhaltend Gültigkeit besitzt: «Noch immer erreichen uns täglich Genesungswünsche für Michael, und noch immer macht uns das Ausmass der Anteilnahme sprachlos. Wir können nur immer wieder Danke sagen dafür, dass ihr mit ihm und uns gemeinsam kämpft. Wir bleiben zuversichtlich und hoffen das Beste für Michael. Eure Kraft hilft uns dabei, ihn weiterhin in seinem Kampf zu unterstützen.»
Michael Schumacher wird am 3. Januar 2018 49 Jahre alt.