Zu viel Werbung: Zoff zwischen Todt und RTL
Jean Todt
Es dürfte nicht oft vorkommen, dass der Präsident des Automobil-Weltverbandes FIA die Formel 1 im deutschen Fernsehen verfolgt. Zuletzt beim Brasilien-GP war das allerdings mal der Fall. Jean Todt konnte sich also ein Bild davon machen, wie RTL die Königsklasse in die deutschen Haushalte bringt.
Der Franzose zeigte sich nach der Kostprobe einigermaßen schockiert. «Ich habe durch Zufall kürzlich die Übertragung des Großen Preises von Brasilien bei RTL gesehen und wurde dadurch zum maximal frustriertesten Fernsehzuschauer, den man sich vorstellen kann», sagte Todt in der «Welt am Sonntag».
Der Grund: «Weil ich mehr Werbung geliefert bekam als ein Formel-1-Rennen. ... Wenn ich ein deutscher Formel-1-Fan wäre und RTL sehen würde, sorry, dann wäre ich über die Formel 1 frustriert.»
RTL ist in der gerade abgelaufenen Saison der einziger Sender in Deutschland gewesen, der die Formel 1 im Fernsehen überträgt, da der werbefreie Pay-TV-Sender Sky seit 2018 auf die Formel 1 verzichtet.
RTL reagierte auf die Kritik Todts mit Unverständnis. RTL-Sportchef Manfred Loppe nahm sich in einer Stellungnahme Zeit, auf das Geschäftsmodell hinzuweisen. «Seit 1991 übertragen wir nun die Formel 1, das Geschäftsmodell ist seither immer das Gleiche geblieben. Wir sind nicht beitragsfinanziert und deshalb müssen wir unser Geld durch Werbung verdienen.»
Nur so sei man in der Lage, «den vielen Millionen Fans diesen hochattraktiven und entsprechend teuren Sport kostenlos frei Haus liefern zu können - anders übrigens als in vielen anderen Motorsportnationen.»
Ein weiterer Hinweis aus Köln: RTL darf laut Gesetzgeber maximal zwölf Minuten Werbung pro Stunde senden. «Entsprechend ist Jean Todts Rechnung nicht richtig», so Loppe.
Loppe weiter: «Warum der FIA-Präsident sich nun ausgerechnet zum Saisonfinale via Zeitungsinterview mokiert, können wir nicht nachvollziehen, auch vor dem Hintergrund, dass RTL erst vor zwei Jahren im Rahmen einer FIA-Gala zum wiederholten Male als "Broadcaster of the Year" ausgezeichnet wurde. Todts Aussage deckt sich auch nicht mit dem deutlichen Anstieg unserer Zuschauerzahlen in diesem Jahr und der großen Wertschätzung, die uns Lizenzgeber Liberty Media entgegenbringt.» Der Vertrag zwischen RTL und den F1-Verantwortlichen wurde vor der abgelaufenen Saison verlängert und läuft bis 2020.
Danner erklärt den Einsatz der Werbung
Wir hatten RTL-Experte Christian Danner beim Saisonauftakt in Australien zu der Kritik befragt, denn die ist beileibe nicht neu. Der frühere Formel-1-Fahrer verteidigte und erklärte sich damals recht ausführlich.
«Wir bei RTL betreiben einen sehr grossen Aufwand, um das Timing der so genannten Werbe-Inseln so zuschauerfreundlich wie möglich zu gestalten. Dazu müssen wir wissen: Wir haben vom Gesetzgeber klare Vorgaben, wie wir Werbung schalten müssen, zu welchem Zeitpunkt und in welcher Länge, ebenso in welchen Abständen, alles inklusive eines Werbe-Trenners, also eines Übergangsstücks, indem wir darauf aufmerksam zu machen haben, dass nun Werbung folgt. Wir haben ferner exakte Vorgaben, wie lange wir den Schirm splitten dürfen – also mit dem Bild von der Formel 1 und einer gleichzeitigen Form von Werbung.»
«Innerhalb dieses Gerüsts versuchen wir, die Werbung so sinnvoll als möglich zu setzen. Wir haben einen Mann, der ausschliesslich dafür da ist, ständig hochzurechnen, wie sich das Rennen entwickelt und wie daher die Werbung am besten zu platzieren ist. Er ist ständig am Kalkulieren, wie beispielsweise Boxenstoppfenster liegen, um einen wichtigen Moment im Rennen ja nicht zu verpassen.»
«Es liegt in der Natur unseres Lieblingssports, dass solche Berechnungen über den Haufen geworfen werden, wenn wir auf einmal einen Unfall und eine Safety-Car-Phase haben. Aber wir geben uns wirklich wahnsinnig viel Mühe, das so klug als möglich hinzukriegen. Die gesetzlichen Vorgaben zwingen uns jedoch zu gewissen Abständen, und die ganzen schönen Berechnungen können eben durch die Aktualität komplett auf den Kopf gestellt werden.»
«Eine GP-Übertragung ist nicht wie die andere. Wir haben Rennen, für welche mehr Werbung verkauft wird als für andere. Australien war als Saisoneröffnung für die Werbung ein sehr attraktiver Grand Prix.»
Für einen WM-Lauf wie Monaco verkauft der Sender mehr Werbung als für China, für Australien als Saionstart mehr als für Russland. Entscheidend sind auch die Sendezeiten, am Nachmittag oder am Abend.
Danner weiter: «Wenn du mehr Werbung verkauft hast, dann musst du logischerweise all diese Spots irgendwie in die Grand-Prix-Berichterstattung packen.»
«Unsere Fachleute nehmen teilweise mit mir in der Kabine Kontakt auf: „Was glaubst du, Christian, wie lange bleibt das Safety-Car noch auf der Bahn?“ Ich gebe dann nach bestem Wissen und Gewissen Antwort. Und ich sitze wie auf Nadeln, damit sich das ausgeht.»
«Wir haben einen gewissen Spielraum mit dem Herumschieben der Werbe-Inseln und auch mit ihrer Länge. Will heissen: Wenn wir merken, dass demnächst etwas Wichtiges passiert, können wir eine Insel auch kürzen. Aber es ist klar, dass wir das später irgendwo wieder anhängen müssen.»