Formel 1: Günther Steiner rechnet ab

Lewis Hamilton: «Diese Zahlen klingen schrecklich»

Von Mathias Brunner
​Die Formel-1-Einschaltquoten in Grossbritannien sind in sich zusammengesackt, seit der GP-Sport fast nur noch im Pay-TV zu sehen ist. Mercedes-Star Lewis Hamilton ist erschüttert.

Vor ein paar Jahren waren die britischen Formel-1-Fans baff: Die britische Rundfunkgesellschaft BBC (British Broadcasting Corporation) hatte drei Jahre vor Ablauf eines Abkommens mit dem damaligen Serienpromoter Bernie Ecclestone angekündigt, fortan auf die Formel 1 zu verzichten. Das wäre ungefähr, als würde RTL in Deutschland keine Rennen mehr übertragen. Die BBC hatte die Rechte zur Übertragung der Formel 1 im freien Fernsehen 2009 von ITV übernommen. Seit 2012 wurden die Rechte mit dem Digitalsender Sky Sports geteilt, schon damals eine Entscheidung aus Spargründen.

Der Sender Channel 4 übernahm von BBC die Übertragungen, zeigte allerdings ab 2016 nur zehn Grand Prix live, die restlichen elf Rennen zeitversetzt in einer Highlight-Sendung. Inzwischen jedoch sind wir an diesem Punkt angelangt: Live zu sehen bekommt der britische Fan 2019 lediglich das Heimrennen von Silverstone, alle anderen Läufe kann er nur zeitversetzt sehen. Ausser er gönnt sich ein Pay-TV-Abo von Sky.

Diese Entwicklung hatte natürlich Auswirkungen auf die Einschaltquoten. 2008 verfolgten auf der Insel fast neun Millionen Menschen den Grossen Preis von Brasilien, als sich Lewis Hamilton in der letzten Kurve der letzten Runde des letzten Saisonrennens zum Weltmeister machte. Als Hamilton 2018 seinen fünften WM-Titel einfuhr, guckten noch zwei Millionen Menschen zu.

Der 73fache GP-Sieger reagiert im Rahmen der Formel-1-Wintertests wie vor den Kopf geschlagen, als er mit diesem Quoten-Einbruch konfrontiert wird. «Also diese Zahlen kannte ich nicht, sie klingen schrecklich. Wenn die Fans Formel 1 nicht im freien Fernsehen sehen können, ist das einfach nicht cool. Ich bin so aufgewachsen, dass wir zuhause BBC eingeschaltet haben, und dann kam Formel 1. Das war genial.»

«Ich verstehe die ganze Pay-TV-Situation nicht. Ich bin nicht der richtige Mensch, um hier eine Lösung zu finden, aber ich weiss: Die Leute haben ihre Rechnungen zu zahlen am Ende des Monats, dann kommt Pay-TV dazu, und obendrauf wird ihnen noch die Fernmeldegebühr gepackt, das ist einfach lächerlich. Ich glaube auch nicht, dass sich an den Einschaltquoten so bald etwas ändern wird, weil wir in wirtschaftlich schwierigen Zeiten leben. Ich finde es jammerschade, dass nicht mehr Menschen Formel 1 gucken können. Die Fans machen diesen Sport zu etwas Grossem. Ich versuche, ihnen etwas zu geben, wenn ich sie treffe, aber die grossen Weichen kann ich nicht stellen.»

Auch David Coulthard, 246facher GP-Teilnehmer und WM-Zweiter 2001 hinter Michael Schumacher, macht sich Sorgen über die Entwicklung: «Ich schaute Formel-1-Rennen schon von Kindesbeinen an, und damals gab es nur drei Sender. Heutzutage gibt es sehr viel mehr Optionen für die jungen Zuschauer. Wenn du die Möglichkeiten beschränkst, die Aufmerksamkeit der Jugend zu gewinnen, dann nimmt die Zuschauerzahl ab.»

Coulthard warnte schon 2016: «Es wird immer die Hardcore-Fans geben, und Sky macht einen super Job, deshalb mache ich mir keine Sorgen um die Art und Weise, wie der Sport bei uns gezeigt wird. Aber die Zuschauerzahl wird zurückgehen, wenn nur noch alles im Pay-TV gezeigt wird.»

Der 13fache GP-Sieger fügt im britischen «F1 Broadcasting Blog» hinzu: «Ungeachtet dessen, dass ich für Channel 4 gearbeitet habe, bleibe ich dabei – die Formel 1 gehört ins freie Fernsehen. Ich verstehe die wirtschaftlichen Hintergründe, und ich verstehe auch, wie Sky arbeitet. Letztlich bin ich froh, dass Channel 4 mit Sky eine Lösung gefunden hat, dass wenigstens die Highlights der anderen Rennen gezeigt werden.»

Ähnliches wie in Grossbritannien passierte in Italien. Ende 2017 waren die Tifosi sprachlos – die öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt RAI gab bekannt, dass 2018 keine Formel-1-WM-Läufe mehr übertragen werden. Der 1954 gegründete Sender setzte in Sachen Sport ganz auf die Olympischen Winterspiele in Südkorea und auf die Champions League. Das erforderte so viele finanzielle Mittel, dass die Formel 1 aussen vor blieb. Die RAI kämpfte seit längerem mit sinkenden Einschaltquoten in den Abendprogrammen. Das hatte dazu geführt, dass auch die Werbe-Einnahmen sanken. Doch die wären dringend notwendig, weil die RAI mit den Rundfunkgebühren von 90 Euro pro Haushalt nicht auskommt. Obschon sie dadurch rund zwei Milliarden Euro im Jahr einnimmt.

Bei RAI guckten früher jeweils fünf Millionen Fans Formel-1-Rennen, bei Sky zwischen 500.000 und einer Million Zuseher. Die Zahlen schwanken je nach WM-Lauf stark.

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