Charlie Whiting tot: Lungen-Embolie in Melbourne
Charlie Whiting ist tot
Fassungslosigkeit in der Formel 1 am Donnerstag: Charlie Whiting ist verstorben, gemäss des Autoverbands FIA erlag der 66jährige Engländer in der Nacht auf Donnerstag in seinem Hotelzimmer in Melbourne einer Lungen-Embolie. Jede Hilfe kam zu spät für dieses Formel-1-Urgestein, das im GP-Sport geballte Kompetenz in Personal-Union war – Rennleiter, Sicherheitsdelegierter, Starter, Leiter der technischen Abteilung, Ansprechpartner der Rennställe bei Fragen zum Sportreglement oder bei den technischen Regeln.
Whiting kam zum Rennsport, als ihn sein Bruder Nick fragte, ob er ihm nicht helfen könnte, am Tourenwagen zu schrauben. Die beiden wohnten nicht weit von einem britischen Renn-Schrein entfernt, Brands Hatch. Mitte der 70er Jahre hatten sich die beiden Whiting-Brüder bis in die Formel 5000 vorgearbeitet, Nick sass dabei aber nicht mehr am Lenkrad, sie setzten etwa für die Renn-Amazone Divina Galica einen Renner in der britischen F5000 ein. Whiting: «Ich sah zu Chemechanikern wie Roger Hill von Jackie Stewart auf und dachte – wie fabelhaft es wäre, ein solches Leben zu führen!»
1977 heuerte Charlie Whiting bei Hesketh an, als der Rennstall des legendär-überbordenden Lord Hesketh den Bach runterging, zog es ihn zu Brabham, damals in Besitz des Formel-1-Baumeisters Bernie Ecclestone. Die unaufgeregt methodische Arbeitsweise von Whiting gefiel «Mr. E» so, dass Charlie zum Chefmechaniker befördert wurde. An der Seite von Nelson Piquet wurde er 1981 und 1983 Weltmeister. Charlie: «Das war eine grandiose Phase mit Bernie, Technikchef Gordon Murray und Nelson, wir waren ein sehr glückliches Team.»
Während Whiting zum Renningenieur wurde, hatte sein Bruder Nick in der Grafschaft Kent einen Laden für Motorsport-Ersatzteile eröffnet. Am 8. Juni 1990 verschwand Nick Whiting samt fünf Fahrzeugen, seine Leiche wurde einen Monat später aufgefunden, ermodert. Die Polizei sprach von einer regelrechten Hinrichtung, die Hintergründe des Verbrechens wurden nie aufgeklärt. Es war davon die Rede, dass er Kontakte zu organisiertem Verbrachen hatte, was nie bewiesen wurde.
Charlie Whitings Leben hatte Jahre davor eine Wendung genommen. «Bernie Ecclestone sagte uns 1987, dass er Brabham nicht länger als Teamchef führen würde. Wir sollten uns aber keine Sorgen machen, er würde garantieren, dass keiner von uns arbeitslos werden würde. Einige blieben, als Brabham verkauft wurde, einige arbeiteten am Projekt Silhouette, einem F1-Brabham mit Alfa-Motor und der Karosserie eines Alfa 164. Mir schlug Bernie vor, für die FISA, also die heutige FIA zu arbeiten. Er meinte: “Du hast so viel Erfahrung damit, dem Reglement ein Schnippchen zu schlagen. Du wärst der perfekte Mann, um die Teams daran zu hindern.” Also ging ich zur FISA, als Assitent von Gabriele Cadringher. Wir haben die neue Abteilung dann Schritt um Schritt aufgebaut.»
Seit 1997 arbeitete Charlie Whiting als Renndirektor und Sicherheits-Delegierter der FIA. In meinen Formel-1-Jahren seit 1982 habe ich ihn als unaufgeregten, unglaublich kompetenten Mann kennen und schätzen gelernt. Whiting wusste auf jede Frage eine Antwort, seine Erklärungen waren immer auf den Punkt gebracht und mit einer schönen Portion Selbstironie gewürzt. Er konnte auch hochkomplexe Zusammenhänge so erläutern, dass wir sie verstanden. Ich habe selten einen logischer denkenden Menschen getroffen.
FIA-Präsident Jean Todt: «Charlie Whiting war eine zentrale Figur der Formel 1, unnachahmlich, keiner hat den Geist und die Ethik dieses Sports so verkörpert. Die Formel 1 hat einen treuen Begleiter verloren, einen charismatischen Botschafter.»
Der am 12. August 1952 geborene Charlie Whiting wurde nur 66 Jahre alt.